NGO — Die Internet-Zeitung

Dezember 2008

Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.

"Gewinnsucht der Pharmakonzerne beschränken" Mehr Geld für Arzneimittel als für ärztliche Behandlung

Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, kritisiert, dass in der Gesetzlichen Krankenversicherung seit drei Jahren mehr Geld für Arzneimittel als für die Bezahlung ärztlicher Tätigkeit ausgegeben wird. In diesem Jahr seien die Ausgaben für Arzneimittel um 6,8 Prozent gestiegen. Die Bundesregierung sehe dennoch keinen Handlungsbedarf, etwa in Form einer gesetzlichen Begrenzung der Arzneimittelausgaben.

NPD-Verbot in der Diskussion Angeblich vermehrte Drohungen gegen Nazi-Aussteiger

Aussteiger aus der rechten Szene müssen nach Einschätzung von Experten verstärkt Racheakte früheren Gesinnungsgenossen befürchten. So beobachtet der Gründer der Nazi-Aussteiger-Initiative "Exit", Bernd Wagner, nach dem Anschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl eine Zunahme von Gewaltdrohungen von Rechtsextremisten, die sich speziell gegen Aussteiger aus der Szene richtet. Erst kürzlich hätten NPD-Anhänger einem aussteigewilligen NPD-Kreisfunktionär mitgeteilt, dass er "nicht mehr in den Kreis der lebenswerten Deutschen" gehöre. Einem anderen, der sich absetzen wollte, sei ein Totschläger vor Augen geführt und gesagt worden, er müsse sich "auf andere Zeiten einrichten", sagte Wagner am Montag (22. Dezember) in einem Interview.

Energiesparende Nahverkehrsbusse und Züge Schäfer-Gümbel und DGB regen Reichen-Anleihe an

Zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten will die hessische SPD Vermögende gesondert zur Kasse bitten. Hessens SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel und Sachsens DGB schlugen am Montag (22. Dezember) eine Reichen-Anleihe vor. Schäfer-Gümbel schlug eine Zwangsanleihe für solche Bürger vor, die mehr als 750.000 Euro Vermögen in Bargeld oder Immobilien haben. Davon sollen zwei Prozent dem Staat für 15 Jahre bei einem Zinssatz von maximal 2,5 Prozent geliehen werden. Mit den Zusatzeinnahmen sollten energiesparende Nahverkehrsbusse und Züge angeschafft sowie Forschungsprojekte im Energiesparsektor finanziert werden. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unterstützte die Idee. Von der Union kam Kritik. Die Bundesregierung reagierte abweisend.

"Solange der Kapitalismus so viele Opfer produziert" Ex-RAF-Terrorist Christian Klar auf freiem Fuß

Der frühere RAF-Terrorist Christian Klar ist wieder ein freier Mann. Der 56-Jährige wurde am frühen Freitagmorgen (19. Dezember) nach rund 26 Jahren Haft aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal entlassen, wie sein Anwalt Heinz-Jürgen Schneider und das baden-württembergische Justizministerium mitteilten. Klar habe das Gefängnis ohne "mediale Aufmerksamkeit" und ohne Zwischenfälle verlassen können, sagte Schneider. "Ab jetzt kann er selbst bestimmen, was er macht und auch wo er es machen will", betonte der Anwalt. Dabei suche Klar von sich aus nicht die Öffentlichkeit. "Er wird auf gar keinen Fall in Talkshows auftreten oder Interviews geben", unterstrich Schneider.

"Schwarzer Tag für die Grundrechte" Bundesrat billigt weitreichende polizeiliche Befugnisse für das BKA

Auch nach der Verabschiedung des BKA-Gesetzes reißt die Kritik an den umstrittenen Neuregelungen nicht ab. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach am Freitag (19. Dezember) von einem "schwarzen Tag für die Grundrechte". Linksfraktionsvize Petra Pau beklagte, das Gesetz wirke "wider den Rechtsstaat". Grünen-Chefin Claudia Roth wertete die Neuregelungen als "Bürgerrechtskiller". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte dagegen die Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat "außerordentlich". Zuvor hatte das BKA-Gesetz im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde genommen. Einen Tag nach dem Bundestag billigte auch die Länderkammer die Einigungsempfehlung des Vermittlungsausschusses. Mit dem Gesetz werden dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichende polizeiliche Befugnisse eingeräumt. So werden ihm unter anderem die akustische und optische Wohnraumüberwachung sowie die Online-Durchsuchung privater Computer gestattet.

Wahl Obamas bedeutsam Deutsche sorgen sich laut Umfrage weniger wegen Finanzkrise als andere Europäer

Die Deutschen sorgen sich angesichts der Finanzkrise offenbar weniger um die Wirtschaft ihres Landes als die Menschen in anderen großen europäischen Staaten. 63 Prozent der Bundesbürger sehen die wirtschaftliche Situation Deutschlands pessimistisch. In Frankreich teilen dagegen 83 Prozent der Menschen diese negative Sicht. Das hat eine internationale Umfrage des Marktforschungsinstituts Harris Interactive ergeben, die am Freitag (19. Dezember) in Paris veröffentlicht wurde.

Polizeichef aus Klinik entlassen Mannichl ruft zum Kampf gegen Rechts auf

Der am vergangenen Samstag (13. Dezember) von einem Neonazi niedergestochene Passauer Polizeichef Alois Mannichl hat bei seiner Entlassung aus dem Krankenhaus zum Kampf gegen Rechtsextremismus aufgerufen. "Wir dürfen uns nicht von Einzelnen in Angst und Schrecken versetzen lassen", sagte der 52-Jährige am Freitag. Unmittelbar vor seiner Abfahrt vom Krankenhaus wandte sich Mannichl mit einem kurzen Statement an die Öffentlichkeit. Er sprach von einem "feigen Anschlag" auf sein Leben und bedankte sich für die große öffentliche Unterstützung. Diese habe ihn bestärkt, "dass wir gemeinsam im Kampf gegen Rechtsextremismus weiter machen". Der Polizeidirektor war vor einer Woche an der Tür seines Wohnhauses in Fürstenzell niedergestochen und schwer verletzt worden.

Ratifikation des Haager Kinderschutzübereinkommens Kinder aus binationalen Familien bei Rechtsstreit besser geschützt

Kinder aus binationalen Familien werden bei Rechtsstreitigkeiten künftig offenbar besser geschützt. Das Kabinett billigte dazu am Mittwoch in Berlin den von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zur Ratifikation des Haager Kinderschutzübereinkommens samt Ausführungsbestimmungen. Hintergrund ist die zunehmende Zahl von Partnerschaften über die Staatsgrenzen hinweg.

"Verharmlost" Polizeigewerkschaft kritisiert Landesregierung in Bayern

Der bayerische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Harald Schneider, wirft der Landesregierung Versäumnisse im "Kampf" gegen den Rechtsextremismus vor. Schneider begrüßte am Mittwoch in einem ddp-Interview zwar, dass der Freistaat nun konsequenter gegen Neonazis vorgehen will. "Das ist nur zu spät, das hätte man früher machen können", betonte er. Schneider warf Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor, "die ganze Geschichte noch dieses Jahr im Sommer verharmlost" zu haben. Damals habe der Minister noch verbreitet, er könne nicht feststellen, dass die rechten Umtriebe zunähmen.

"Unwürdige Salami-Taktik" Ärzteorganisation IPPNW kritisiert Elektronische Gesundheitskarte

Die Ärzteorganisation IPPNW kritisiert die am 12. Dezember 2008 durchgeführte Erst-Installation eines Lesegerätes im nordrhein-westfälischen Düren für die neue "elektronische Gesundheitskarte". IPPNW-Vorstand Matthias Jochheim empfiehlt den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, "dem Beispiel der Bremer Hausärzte zu folgen und die Anschaffung von Lesegeräten für diese aus datenschutzrechtlichen Gründen hochgefährliche Technologie abzulehnen." Es gebe keine rechtliche Handhabe, die Installation der neuen Lesegeräte in den Praxen zu erzwingen, meint Jochheim.

Diskriminierungsschutz Lesben und Schwule verlangen Ergänzung des Grundgesetzes

Schwule und Lesben verlangen eine Ergänzung des Grundgesetzes zur Festschreibung ihrer Rechte. Auf einem Bundestreffen der Vertreter der Christopher Street Day-Vereine wurde beschlossen, im Jahr 2009 die Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes um die Rechte von Lesben und Schwulen zum zentralen Thema zu machen. Im kommenden Jahr werde in weit über 30 Städten der Bundesrepublik der Christopher Street Day (CSD) gefeiert "und mit Demonstrationen gegen die fehlende Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen protestiert", kündigten Axel Hochrein und Jürgen Kiesslich vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) beziehungsweise dem CSD Deutschland e.V. an.

Investitionsspritzen und geringere Steuern? Bundesregierung und 30 Topmanager nehmen Kurs auf zweites "Konjunkturpaket"

Politik und Wirtschaft wollen der Konjunktur- und Finanzkrise im engen Schulterschluss entgegentreten. Das wurde am Sonntag (14. Dezember) nach einem fast siebenstündigen Treffen im Berliner Kanzleramt mit rund 30 Topmanagern aus Unternehmen, Spitzenverbänden, Banken, Gewerkschaften und Wissenschaftlern deutlich. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stellte ein zweites Konjunkturpaket der Bundesregierung in Aussicht und kündigte für Ende Januar Entscheidungen an. Wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mitteilte, werden sofort zwei Arbeitsgruppen zu den Themen Arbeit- und Finanzmarkt gebildet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschwor ein engeres Zusammenarbeiten aller Akteure.

"Überwachungsgesellschaft" Papier sieht Gefährdung des Datenschutzes nur durch Privatwirtschaft

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht den Datenschutz in Deutschland stärker durch die Privatwirtschaft gefährdet als durch den Staat. Er sorge sich darum, "dass wir uns zu einer privaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln, und dies weitgehend auch noch völlig freiwillig", sagte Papier am Montag (15. Dezember) in Karlsruhe. Die Verwandlung des Staates "in einen Überwachungsstaat 'Orwell'scher Prägung" sei dagegen eine eher fernliegende Möglichkeit, sagte Papier zum 25. Jahrestag des Karlsruher "Volkszählungsurteils".

Atomkonzern RWE stellte Antrag Stillgelegtes Kernkraftwerk Lingen soll ab 2013 rückgebaut werden

Das bereits 1977 stillgelegte Kernkraftwerk Lingen soll abgebaut werden. Einen entsprechenden Antrag hat die KWL GmbH, eine Tochter der RWE Power, am Montag (15. Dezember) beim niedersächsischen Umweltministerium eingereicht. Dort sei der Antrag begrüßt worden, sagte eine Ministeriumssprecherin in Hannover. Mit dem Abbau könnte nach Prüfung und Genehmigung durch die Atomaufsicht 2013 begonnen werden. Das Kernkraftwerk war weniger als zehn Jahre in Betrieb. Während des Betriebs hatte es zahlreiche Störungen in dem Siedewasserreaktor gegeben.

200-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket EU einigt sich bei Konjunkturprogramm und EU-Vertrag

Die Europäische Union hat zum Abschluss der französischen EU-Ratspräsidentschaft ihre größten Streitpunkte beigelegt. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel billigten die 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag (12. Dezember) ein 200 Milliarden Euro umfassendes europäisches Konjunkturpaket. Außerdem einigten sie sich wie erwartet darauf, dass die Iren ein zweites Mal über den neuen EU-Vertrag ("Lissabon-Vertrag") abstimmen sollen, den die irische Bevölkerung in einer Volksabstimmung abgelehnt hatte. Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen, dass der Vertrag nach dem zweiten Referendum Ende 2009 mit einjähriger Verspätung in Kraft tritt.

"Kein hinreichender Tatverdacht" Todesschütze bei Buback-Mord laut Bundesanwaltschaft weiter unklar

Die Frage nach dem Todesschützen der RAF beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback im Jahr 1977 bleibt nach Darstellung der Bundesanwaltschaft weiter ungeklärt. Die bisherigen Ermittlungen gegen den früheren RAF-Terroristen Stefan Wisniewski hätten zwar "einige Anhaltspunkte für eine mittäterschaftliche Beteiligung Wisniewskis" bei dem Attentat ergeben, "mehr aber nicht", sagte der Leiter der Terrorismus-Fahndung der Bundesanwaltschaft, Bundesanwalt Rainer Griesbaum, am Freitag (12. Dezember) in Karlsruhe. Die Wahrscheinlichkeit einer Beteiligung Wisniewskis sei nach den bisherigen Erkenntnissen relativ gering.

"Sensationelle Startbedingungen" Ärzteorganisation IPPNW klagt auf Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis B

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW will das RWE-Atomkraftwerk Biblis B per Gerichtsbeschluss zügig stilllegen. Am Freitag (12. Dezember) wurde eine insgesamt 383 Seiten umfassende Klagebegründung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel eingereicht. Die Organisation spricht von "sensationellen Startbedingungen" vor Gericht. IPPNW-Anwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach erläutert warum: "Es dürfte einzigartig in einer atomrechtlichen Auseinandersetzung sein, dass der zentrale Vorwurf der Kläger von der beklagten Atomaufsichtsbehörde ausdrücklich zugegeben wird." Da das hessische Umweltministerium in einem Vermerk vom 19. September 2005 selbst eingeräumt habe, dass das Atomkraftwerk Biblis "selbstverständlich" nicht dem heutigen aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche, die Anlage also sicherheitstechnisch veraltet und faktisch auch nicht nachrüstungsfähig sei, liegen nach Angaben der Rechtsanwältin "die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Widerruf der Genehmigung von Biblis B laut Atomgesetz unstreitig vor".

Ermordung von 29.000 Menschen vorgeworfen NS-Kriegsverbrecherprozess gegen Demjanjuk in München

Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher Iwan John Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe übertrug das Strafverfahren gegen den 88-Jährigen dem Landgericht München II, wie es in einem am Donnerstag (11. Dezember) veröffentlichten Beschluss des BGH heißt. Zur Begründung hieß es, Demjanjuk habe sich 1951 mehrere Monate in einem Lager im heutigen Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts aufgehalten.

"Abstimmen, bis es passt" Brüssel stellt Weichen für Lissabon-Vertrag

Mit gewissen Zusagen an Irland will die Europäische Union den "Vertrag von Lissabon" retten und diesen mit einjähriger Verspätung möglichst zum Ende 2009 in Kraft setzen. Auf einen solchen Fahrplan will sich der EU-Gipfel in Brüssel verständigen. Damit könnte die EU ab 2010 einen Präsidenten bekommen, einen europäischen Außenminister und das erstmalige Recht eines Landes zum Austritt aus der EU. Die Iren hatten den neuen Grundlagenvertrag in einem Referendum abgelehnt.

"Der umfangreichste Militarisierungsschub" Pflüger warnt vor Militärmacht EU

Im Vorfeld des EU-Ratsgipfel warnt der EU-Abgeordnete Tobias Pflüger (Linke) vor einer entstehenden "Militärmacht EU". So solle auf dem Gipfel eine "Erklärung zum Ausbau der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)" verabschiedet werden, die - so Pflüger - "die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich einer weiteren Militarisierung der EU bestätigt". Die Kombination mit einem Beschluss für ein erneutes Referendum in Irland zum "Lissabon-Vertrag" wäre "gleich ein doppelter Schlag ins Gesicht der irischen Bevölkerung und aller Menschen in der EU, die ihre Hoffnung auf die Entwicklung einer zivilen und demokratischen EU setzen", meint der Europaabgeordnete. Umfragen bezüglich der Motive des Neins der irischen Bevölkerung am 12. Juni 2008 hätten bestätigt, dass die Furcht vor einer noch mehr auf Militärpolitik orientierten EU, von der Irland Teil wäre, zu den zentralen Motiven der breiten Ablehnung gehört habe. Nun solle "der umfangreichste Militarisierungsschub in der Geschichte der EU" in engster Zusammenarbeit mit der NATO eingeleitet werden.

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