Hartz IV
- Hausbesuche und Anrufaktionen bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern
- Arbeitsagentur plant neue Telefonanrufe bei Arbeitslosen
- Jedes achte Kind unter 15 soll auf Sozialhilfeniveau leben
- Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt bei unbezahlter Tätigkeit
- "Hartz IV"-Empfänger darf zu viel gezahlte Bezüge behalten
- "Hartz IV"-Empfänger sollen teilweise zu kostenloser Arbeit gezwungen werden
- "Hartz IV"-Fragebogen in Hamburg sorgt für Empörung
- ALG II darf bei Verletzung der Meldepflicht gekürzt werden
- "Hartz IV"-Empfänger fühlen sich laut Studie als Bürger zweiter Klasse
- Jeder neunte Arbeitslose braucht laut DGB Arbeitslosengeld plus "Hartz IV"
"Dies würde die Kündigungskosten kalkulierbar machen und Einstellungen erleichtern", sagte Walwei. Überdies solle der Arbeitgeber wie bisher die Möglichkeit haben, etwa betriebs- oder "verhaltensbedingt zu kündigen". Sofern der Arbeitnehmer Zweifel an der Rechtmäßigkeit habe, könne er weiterhin juristisch dagegen vorgehen.
Am 25-01-2005
Hausbesuche und Anrufaktionen bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern
Hartz IV
Angesichts einer "Kostenexplosion" bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV plant Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) offenbar verstärkte Hausbesuche und Anrufaktionen. Nach dem Plan soll offenbar vor allem kontrolliert werden, ob Leistungsbezieher in eheähnlichen Verhältnissen wohnen und daher von ihrem Partner unterstützt werden müssten. Außerdem sollen die Behörden die Daten aller Arbeitslosengeld-II-Bezieher in einer Telefonaktion überprüfen. Auch ein Datenabgleich mit den Finanzämtern und verschärfte Kontrollen der Arbeitsbereitschaft durch Trainingsprogramme mit Anwesenheitspflicht seien geplant, berichteten die "Berliner Zeitung" und das Nachrichtenmagazins "Focus". Außerdem wolle Clement verhindern, dass etwa junge Arbeitslose nur aus dem Elternhaus ausziehen, um mehr Sozialleistungen zu erhalten.
Der Minister begründete seinen Plan mit dem Titel "Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, 'Abzocke' und Selbstbedienung im Sozialstaat". "Wir wollen keine Gesellschaft sein, in der die Ehrlichen sich als Dumme fühlen", sagte Clement: "Jeder Euro, der am Arbeitsmarkt 'abgezockt' wird, steht für eine sinnvolle Unterstützung nicht mehr zur Verfügung." Mehr als 280.000 angebliche Langzeitarbeitslose bezögen zu Unrecht Leistungen, behauptete Clement.
Linkspartei: Arbeitsplatzverlust - Demütigung - Verfolgung
Die Linkspartei-Abgeordnete Petra Pau kritisierte Clements Vorhaben mit den Worten: "Erst verloren Millionen Betroffene ihren Arbeitsplatz, dann wurden sie gedemütigt, nun sollen sie verfolgt werden."
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will unterdessen in Köln gravierende Mängel bei der Auszahlung des Arbeitslosengeldes II "entdeckt" haben. Nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" wurde rund die Hälfte von 300 geprüften Einzelfällen bemängelt. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Berechnung des Arbeitslosengeldes II erfolgt sei.
Der BA-Vorstandsvorsitzende Frank-Jürgen Weise strebt eine Halbierung der Zahl der Fördermaßnahmen auf 40 an. Die Personal Service Agenturen für die zeitweise Beschäftigung von Arbeitslosen etwa hätten sich als wenig hilfreich erwiesen.
Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge explodieren derweil die Kosten für die so genannten Ich-AGs. Nach dem aktuellen Finanzbericht der BA lägen die Kosten der Existenzgründungszuschüsse mit 1,04 Milliarden Euro um mehr als 40 Prozent über dem Haushaltsansatz für das gesamte Jahr.
Die Arbeitgeber fordern eine rasche Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung. Es könne und müsse schnell viel mehr getan werden als es die Bundesagentur plane, sagte der Vorsitzende des BA-Verwaltungsrats und Vertreter des Arbeitgeberverbandes BDA, Peter Clever. Die BA will Mitte 2006 den Beitrag um 0,5 Prozentpunkte drücken.
Die Zeitung "Welt am Sonntag" berichtete, der Bund werde in diesem Jahr 29 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II ausgeben, im nächsten Jahr sogar 31,5 Milliarden Euro. Ursprünglich seien nur 14,6 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2005 eingeplant gewesen.
Das Wirtschaftsministerium wies den Bericht zurück. "Für das Jahr 2005 gehen wir von Kosten für den Bund in Höhe von etwa 26 Milliarden Euro aus", sagte ein Sprecher. Außerdem gebe es noch das Revisionsverfahren mit Rückforderungen an die Kommunen. Auch die Zahl von 31,5 Milliarden Euro für 2006 sei "aus der Luft gegriffen und falsch".
Am 10-10-2005
Arbeitsagentur plant neue Telefonanrufe bei Arbeitslosen
Datenschutz-Kritik
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will erneut mittels Telefonbefragungen die Daten der Empfänger des Arbeitslosengeldes II überprüfen. Diese sollen auf "eventuelle Veränderungen in ihrer Arbeitslosigkeit befragt werden", teilte die Bundesagentur am Donnerstag in Nürnberg mit. Die BA hatte bei einer Telefonaktion im Sommer vergangenen Jahres festgestellt, dass sieben Prozent der befragten ALG-II-Empfänger wegen persönlicher Veränderungen nicht mehr arbeitslos waren. Datenschützer hatten diese telefonische Abfrage sensibler Sozialdaten jedoch scharf kritisiert.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) im August aufgefordert, die Befragung von Empfängern von Arbeitslosengeld II durch ein privates Call-Center sofort zu stoppen, bis die Betroffenen vorab schriftlich über die geplanten Anrufe informiert wurden. Offizielle Ziel der Befragung von 1,2 Millionen Betroffenen sollte es sein, die bei der BA gespeicherten Daten im Gespräch mit den Betroffenen abzugleichen und weitere Vermittlungsaktivitäten vorzubereiten.
Die ALG-II-Empfänger können die Auskunft am Telefon verweigern, müssen aber dann mit einer Einladung zu einem persönlichen Gespräch rechnen. Die Telefonanrufe sollten das persönliche Gespräch mit dem Fallbetreuer nicht ersetzen, sondern der "passgenauen" Vorbereitung zu diesen Gesprächen dienen, hieß es.
Zu Beginn des Gesprächs müssen die ALG-II-empfänger auf ihr Recht ausdrücklich hingewiesen werden - was allerdings häufig nicht geschehe, so Beschwerden von Betroffenen, die der Bundesdatenschutzbeauftragte der Arbeitsagentur vorhielt.
Der Datenschützer hatte kritisiert, dass die Befragung im Vorfeld nicht mit ihm abgestimmt worden sei, "so dass wesentliche datenschutzrechtliche Grundsätze nicht berücksichtigt wurden". Problematisch sei insbesondere, dass die Betroffenen vorher nicht schriftlich über die Befragung informiert würden. Schließlich sei offen, wie die Anrufer gegenüber den Betroffenen ihre Berechtigung zur Befragung nachweisen.
Schaar kritisierte, bei der Telefonaktion würden sensible Sozialdaten erhoben, die einem besonderen Schutz unterlägen. Eine Vorabinformation ermögliche es dem Betroffenen, sich nach gründlicher Abwägung für oder gegen eine Teilnahme zu entscheiden. Zudem würde hierdurch erschwert, dass sich "Trittbrettfahrer" unter Berufung auf die Telefonaktion der BA missbräuchlich Daten beschafften.
Am 12-01-2006
Jedes achte Kind unter 15 soll auf Sozialhilfeniveau leben
"Hartz IV"
Durch die Einführung der Arbeitsmarktreform "Hartz IV" ist nach Darstellung der Wohlfahrtsverbände die Armut in Deutschland größer geworden. Allein die Anzahl der Kinder unter 15 Jahren, die auf Sozialhilfeniveau leben, habe sich 2005 von einer Million auf 1,5 Millionen erhöht, sagte Hans-Jürgen Marcus, Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, am Dienstag in Berlin. Die Dunkelziffer schätzt er auf rund 200.000 Kinder. "Wo ein Kinderwagen als Darlehen gewährt oder mit Krediten finanziert werden muss, werden Kinder bereits mit Schulden geboren", so Marcus. Der "Hartz IV"-Regelbetrag reiche vielen Betroffenen nicht aus, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
"Als Reaktion auf diese Not hat sich die Zahl der Tafelangebote bundesweit explosionsartig von 350 auf 580 erhöht", gab Marcus zu bedenken. Auch die erhoffte Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt gelinge durch "Hartz IV" nicht. Grund seien fehlende Arbeitsplätze und die Fixierung auf Ein-Euro-Jobs.
Bürokratische Hürden, fehlende Ansprechpartner und ein fehlerhaftes EDV-System erschwerten zudem die Hilfesuche arbeitsloser Menschen. Derweil bleibe das System der Arbeitsverwaltung "auf Milliarden von Fördermitteln sitzen, mit denen eigentlich Arbeitslose durch Aus- und Weiterbildung gefördert werden sollten", warf Marcus der Bundesregierung vor.
Am 30-03-2006
Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt bei unbezahlter Tätigkeit
"Für Arbeitsagentur nicht erreichbar"
Arbeitslose können ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann verlieren, wenn sie eine unbezahlte Tätigkeit aufnehmen. In einem am Dienstag bekannt gewordenen Urteil wies das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel die Klage eines Busfahrers ab, der ohne Lohn mehrtägige Fahrten nach Wien und Rimini übernommen hatte. Der Mann bezeichnete seinen Einsatz für eine Reiseagentur als "unentgeltliches Praktikum zum Sammeln von Berufserfahrung".
Deutschlands oberste Sozialrichter befanden jedoch, dass ihm die Arbeitsagentur zu Recht für zwei Monate die Leistungen gestrichen hatte. Denn mit der Tätigkeit als Reisebusfahrer sei der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen. "Hierfür ist die Zahlung von Arbeitsentgelt nicht maßgebend", befanden die Richter. Zudem sei der Mann während der Fahrten nicht für die Arbeitsagentur erreichbar gewesen. (Az.: B 7a AL 16/05 R)
Am 18-07-2006
"Hartz IV"-Empfänger darf zu viel gezahlte Bezüge behalten
160 Euro zurückgefordert
Wenn einem "Hartz IV"-Empfänger mit Nebenjob versehentlich zu viel Geld ausgezahlt wird, muss dieser die Bezüge nicht in jedem Fall zurückerstatten. Das Sozialgericht Koblenz entschied in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil, dass ein Leistungsbezieher mit geringem Nebeneinkommen zu viel überwiesenes Geld nur dann zurückzahlen muss, wenn er selbst die Höhe seines Nebenverdienstes nicht korrekt angegeben hat. Liegt der Fehler dagegen auf Seiten der Verwaltung, darf der Betroffene das Geld behalten.
Im konkreten Fall hatte ein Leistungsbezieher die ARGE darüber informiert, dass er im Juli und August vergangenen Jahres eine geringfügige Beschäftigung ausübte. Sein daraus entstehendes Einkommen musste er auf die "Hartz IV"-Bezüge anrechnen lassen. Durch einen Berechnungsfehler zahlte die ARGE dem Mann aber rund 160 Euro zu viel aus. Den Irrtum bemerkte die Behörde erst im September und wollte im Nachhinein die zu viel bezahlte Summe in den folgenden Monaten auf die "Hartz IV"-Bezüge anrechnen.
Nach Auffassung des Sozialgerichts hat jedoch die Sicherung des Lebensunterhalts des Mannes Vorrang. Zu einer Rückerstattung des zu viel gezahlten Geldes könne ein Leistungsempfänger nur gezwungen werden, wenn er den Fehler selbst mitverursacht habe, weil er falsche oder unvollständige Angaben gemacht und dabei vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe. (AZ S 11 AS 635/06)
Am 25-04-2007
"Hartz IV"-Empfänger sollen teilweise zu kostenloser Arbeit gezwungen werden
Auf regulären Arbeitsplätzen
Arbeitslosengeld-II-Empfänger werden nach Recherchen des ARD-Magazins "Report Mainz" im Rahmen von Praktika zu kostenloser Arbeit gezwungen. Der Sender berichtete am 27. August, die Betroffenen müssten unter Androhung einer Kürzung ihrer Bezüge oft monatelang auf regulären Arbeitsplätzen arbeiten, ohne dafür zusätzlich entlohnt zu werden.
Die gesetzlichen Grundlagen sehen vor, dass diese Praktika im Regelfall vier bis acht Wochen dauern dürfen, im Ausnahmefall bis zu zwölf Wochen. Dem Magazin liegen den Angaben nach jedoch zahlreiche Praktikanten-Verträge vor, die deutliche Überschreitungen dieser Grundlagen zeigen. Praktikanten wurden demnach zum Beispiel neun Monate als Autoputzer, sechs Monate als Lagerarbeiter oder vier Monate als Gärtner beschäftigt.
Sanktionen gegen drei Prozent der arbeitslosen "Hartz IV"-Empfänger
Rund drei Prozent der arbeitslosen Hartz IV-Empfänger müssen Kürzungen ihrer Bezüge hinnehmen, weil sie ihren Pflichten nicht nachkommen. Die berichtet das Nachrichtenmagazin "Focus" unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Demnach waren im März knapp 114.000 Personen betroffen. Die höchste Sanktionsquote hatte Bayern (4,5 Prozent), die niedrigste Sachsen (2 Prozent).
Die Kürzungen schwanken den Angaben zufolge zwischen zehn Prozent der Geldleistung und ihrem völligen Wegfall. Sanktionsgründe können versäumte Termine oder Arbeitsverweigerung sein.
Am 27-08-2007
"Hartz IV"-Fragebogen in Hamburg sorgt für Empörung
435.000 Euro
Ein von der Hamburger Wirtschaftsbehörde in Auftrag gegebener Fragebogen für "Hartz IV"-Empfänger sorgt für Empörung bei Opposition und Gewerkschaften. 435.000 Euro habe der Senat für "seine skandalöse Fragebogenaktion locker gemacht", kritisierte der SPD-Landeschef in der Hansestadt, Ingo Egloff, am 28. August. Fragen an arbeitslose Hamburger, ob jemand gern exotisch isst oder Börsenkurse verfolgt, seien einfach nur bizarr.
Kritik kam ebenfalls von der GAL-Bürgerschaftsfraktion, die den sofortigen Stopp des "Forschungsprojekts" forderte. "Die Fragen sind eine ungehörige Ausforschung des privaten Lebens, mit Arbeitsmarktförderung hat das nichts zu tun", erklärte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin, Gudrun Köncke.
Für die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau, sind die Fragebogenaktionen in Hamburg - wie auch in weiteren Städten - "maßlos und demütigend". Mit ihnen würden Hartz-IV-Betroffene offenbar als "Versuchskarnickel für Marktprofile" missbraucht. Für Hartz-IV-Betroffene werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ohnehin schon nahezu komplett ausgesetzt, kritisiert Pau. So müssten sie 150 bis 180 persönliche Daten über sich und ihr Umfeld Preis geben, um überhaupt ALG-II beziehen zu können. "Kurzum: Wer arm dran ist, verliert auch noch seine Bürgerrechte", so Pau.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bemängelte die Frageaktion. Fragen, die die Privatsphäre berührten und nichts mit der Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu tun hätten, seien unzulässig, sagte ein DGB-Sprecher.
In dem Fragebogen werden von "Hartz IV"-Empfängern unter anderem Erkundigungen über Spiritualität, Ernährung, Weltanschauung und Politik eingeholt. Die Antworten der Befragten sollen in einer Studie verwertet werden.
Am 28-08-2007
ALG II darf bei Verletzung der Meldepflicht gekürzt werden
Gespräch bei der Arbeitsagentur
Das Arbeitslosengeld (ALG) II darf bei einer Verletzung der Meldepflicht gekürzt werden. Eine zehnprozentige Kürzung ohne "wichtigen Grund" sei zulässig, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt. (Az. L6 AS 279/07/ER).
Im konkreten Fall war eine Arbeitslose aus Rüsselsheim der Einladung zum persönlichen Gespräch bei der Arbeitsagentur nicht nachgekommen. Sie hatte dies damit begründet, dass sie ihren zwölfjährigen Sohn von der Schule abholen müsse.
Die daraufhin erfolgte Kürzung des ALG II sei rechtens, da es einem zwölfjährigen Schüler grundsätzlich möglich sei, den Schulweg ohne Unterstützung der Eltern selbstständig zurückzulegen, urteilten die Darmstädter Richter. Der Beschluss sei nicht anfechtbar, hieß es weiter.
Am 11-02-2008
"Hartz IV"-Empfänger fühlen sich laut Studie als Bürger zweiter Klasse
Würde
Die finanzielle Situation vieler "Hartz IV"-Empfänger verletzt einer neuen Studie zufolge das "Grundrecht auf ein würdiges Leben". Rund 90 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld II befänden sich in einer "finanziellen Notlage, die ihre Teilhabemöglichkeiten unzumutbar einschränkt", heißt es in der Erhebung, deren Ergebnisse am Donnerstag (6. November) auf einer Fachtagung in Bad Boll vorgestellt wurden. Verschärft werde die Lage vielfach durch "fehlerhafte Berechnungen, unrealistische Obergrenzen bei der Anerkennung von Wohnkosten und Leistungskürzungen als Sanktionen für mangelnde Mitwirkung".
Die Studie wurde von der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung, dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Auftrag gegeben. In dem Bericht wird zudem der Verdacht geäußert, dass sich der Regelsatz für die Grundsicherung "nicht am tatsächlichen Bedarf für das Existenzminimum" orientiere.
Dies setze eine "Negativ-Spirale in Gang", die die körperliche und seelische Gesundheit der Betroffenen "stark in Mitleidenschaft zieht". "Hartz IV"-Empfänger nähmen ihre Situation oft als zunehmend perspektivlos wahr. "Sie fühlen sich abgekoppelt von der gesellschaftlichen Entwicklung und als Bürger zweiter Klasse." Der Verdacht, sie seien wenig arbeitswillig und meist unzureichend qualifiziert "wird durch die Studie nicht bestätigt".
Am 06-11-2008
Jeder neunte Arbeitslose braucht laut DGB Arbeitslosengeld plus "Hartz IV"
Arbeitsagenturen geben weniger Geld aus
Die Arbeitsagenturen haben im vergangenen Jahr so wenig Geld für Lohnersatzleistungen ausgegeben wie seit 18 Jahren nicht mehr. Wie der "Tagesspiegel" am Montag (6. April) unter Berufung auf eine Analyse des DGB berichtete, trägt die Arbeitslosenversicherung immer weniger zur Sicherung Arbeitsloser bei. Leiharbeitern drohe beim Verlust ihrer Arbeit direkt Hartz IV, wie das Arbeitslosengeld II auch genannt wird. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sprach sich daraufhin für eine Überprüfung und Begrenzung der Leiharbeit aus, damit es nicht zu "sozialpolitisch sträflichen Folgen" komme.
Dem DGB zufolge hat nur noch eine Minderheit der Arbeitslosen überhaupt Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Zudem sei die Höhe der ausgezahlten Beträge seit 2004 oft so stark gesunken, dass bereits gut jeder neunte Erwerbslose zusätzlich "Hartz IV"-Leistungen beantragen müsse. Den Grund hierfür sieht der DGB in der Kürzung der Bezugsdauer des Geldes für Ältere im Rahmen der "Agenda 2010". Oft liege das Arbeitslosengeld unterhalb des Existenzminimums.
Insgesamt erhielten laut DGB nicht einmal 30 Prozent der Arbeitslosen das Arbeitslosengeld I. Die meisten Menschen ohne Arbeit hätten nur Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder bekämen gar nichts. 1992 hätten noch gut 56 Prozent der Arbeitslosen Lohnersatzleistungen erhalten. 2008 habe ein Erwerbsloser im Schnitt 733 Euro im Monat bekommen - 17 Euro weniger als 2007 und 30 Euro weniger als 2006.
Während die Bundesagentur für Arbeit 2004 noch 29 Milliarden Euro an Arbeitslosengeld I ausgezahlt habe, seien es nach den Kürzungen anlässlich der "Agenda 2010" im vergangenen Jahr noch 13,9 Milliarden gewesen. Auch bei einer weiteren Eintrübung am Arbeitsmarkt werde das Ausgabevolumen für Arbeitslosengeld immer noch niedriger liegen, als in den ersten sieben Jahren dieses Jahrzehnts, prognostiziert der DGB.
Der Gewerkschaftsbund fordert deshalb Änderungen bei den Anspruchsfristen. Bislang bekomme Arbeitslosengeld I, wer in den vergangenen zwei Jahren zwölf Monate beschäftigt war. Diese Frist müsse auf drei Jahre erweitert werden, um Leiharbeitern die Versorgung mit dem Arbeitslosengeld I besser zu gewährleisten.
Steinmeier sagte nach einer SPD-Präsidiumssitzung am Montag in Berlin, man müsse die Praxis der Leiharbeit überprüfen. Die Regierung habe sich zwar "aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zur Flexibilisierung von Zeitarbeit bekannt". Jedoch sei es auch die Pflicht der Politiker, den Einsatz solcher als "außergewöhnlich" zu betrachtenden Arbeitsverhältnisse zu kontrollieren. "Wenn hier sozialpolitisch sträfliche Folgen eintreten, dann müssen wir uns auch über Begrenzungen unterhalten", sagte der Vize-Kanzler.
Verd.di-Chef Frank Bsirske und Steinmeier forderten nach einem gemeinsamen Treffen am Montag zudem die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns. Bsirske hob dabei vor allem auf die ungerechte Verteilung des Einkommens ab: In den letzten Jahren sei die Schere zwischen hohen und geringen Einkommen auseinandergegangen. Es müsse verhindert werden, dass Spitzengehälter "in maßlose Höhen steigen", während immer mehr Beschäftigte immer weniger verdienten.
Am 06-04-2009