Die Grünen erneuerten ihre Aussage, grundsätzlich zum ISAF-Einsatz zu stehen. Der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck hob zugleich hervor, aus "Respekt" gegenüber dem Parteitagsbeschluss werde sich aber "die Mehrzahl" der Abgeordneten bei der anstehenden Mandatsverlängerung der Stimme enthalten. Ein Sonderparteitag der Grünen hatte beschlossen, dass die Parlamentarier dem kombinierten ISAF/"Tornado"-Mandat für Afghanistan nicht zustimmen sollten.
Laut einer Probeabstimmung wollen sich 26 Grünen-Abgeordnete enthalten und 7 mit Nein stimmen. 15 Grünen-Abgeordnete wollen entgegen des Parteitagsbeschlusses dem Bundeswehr-Einsatz zustimmen.
Westerwelle über grüne Parteibasis: Laune eines Parteitags
FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete die Haltung der Grünen als "unverantwortlich". Abgeordnete dürften nicht wegen der "Laune eines Parteitags" gegen ihre "innere Überzeugung" stimmen.
Zugleich forderte Westerwelle ein stärkeres Engagement Deutschlands beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte. Wenn der Polizeiaufbau erfolgreich sein solle, müsse Deutschland mehr tun als "Handschellen und Gummiknüppel" in das Land zu schicken.
Kasdorf: Wir brauchen wesentlich mehr Manöverkräfte
Derweil verlangte der deutsche Stabschef der Nato-geführten ISAF-Schutztruppe, Generalmajor Bruno Kasdorf: "Wir brauchen mit Sicherheit wesentlich mehr Manöverkräfte, wir brauchen Lufttransport, wir brauchen weitere Aufklärungskräfte. Wir brauchen vor allen Dingen auch deutlich mehr Ausbildungsteams."
Mit den derzeitigen 40.000 Soldaten bei Isaf "sind wir tatsächlich nicht in der Lage, landesweit Sicherheit herzustellen".
Schäfer: Durchhalteparolen für langen und brutalen Krieg
Nach Auffassung der Linksfraktion "versuchen Bundesregierung und Bundeswehrführung mit aller Macht, die öffentliche Meinung für einen langen und brutalen Krieg in Afghanistan zu gewinnen: Während Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) Durchhalteparolen ausgeben und angebliche Erfolge feiern, klagt Generalmajor Bruno Kasdorf von der Front über fehlende Unterstützung aus der Heimat. Unbeeindruckt von den immer zahlreicheren Kritikern, von der anhaltenden Erfolglosigkeit und von den Forderungen ziviler Hilfsorganisationen beharren sie auf dem Versuch, die Probleme Afghanistans durch militärische Eskalation zu lösen", so der Linksabgeordnete Paul Schäfer. Kasdorfs Eingeständnis, die so genannte Schutztruppe ISAF sei von den Antiterrorkriegern der OEF kaum mehr zu unterscheiden, bestätige das eindrucksvoll.
Pax Christi: Konzept der zivil-militärischen Kooperation gescheitert
Die katholische Friedensorganisation Pax Christi befürchtet, dass sich die Bundeswehr im Rahmen der ISAF-Verbände zukünftig nicht mehr auf die "militärische Friedenssicherung" konzentrieren und Milizen und "Warlords" entwaffnen werde, "sondern immer stärker in Kriegs-Aktionen hineingezogen wird". Die Verknüpfung von "Krieg gegen den Terror" und zivilem Wiederaufbau in Afghanistan sei mittlerweile eine "politische Falle", die sowohl die "Glaubwürdigkeit des bisherigen Bundeswehreinsatzes" als auch die Arbeit der Entwicklungsorganisationen in Frage stelle.
Damit erweise sich auch das Konzept der zivil-militärischen Kooperation in den "Provincial Reconstruction Teams" als landesweit nicht übertragbar und letztlich gescheitert.
Krämer: Die Überprüfung der humanitären Begründung hält den Tatsachen nicht stand
Die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) forderte die Bundestagsabgeordneten hingegen dazu auf, gegen den Regierungsantrag auf Verlängerung der militärischen Afghanistanmandate (ISAF/Tornadoentsendung sowie Operation Enduring Freedom) zu stimmen.
"Die Mandatierung ist in erster Linie interessenpolitisch motiviert", sagte Christoph Krämer, Sprecher des "Arbeitskreises Süd-Nord" der IPPNW. Die Überprüfung seiner humanitären Begründung "hält den Tatsachen nicht stand: Am Beginn stand die 'uneingeschränkte Solidarität' mit der Politik der US-Regierung, die dort einen als 'Kampf gegen den Terror' deklarierten, ebenso interessengeleiteten Krieg führt, den sie inzwischen auf weitere Länder wie zum Beispiel den Irak ausgedehnt hat."
Krämer möchte "diejenigen, die die NATO-geführte ISAF-Mission als humanitäres Projekt verstehen", darauf hinweisen, dass seit 2002 allein der Bundeswehr-Anteil daran fast 2 Milliarden Euro aus deutschen Steuergeldern gekostet habe, während für den zivilen Aufbau ganze 550 Millionen Euro aufgewendet worden seien. Hinzu komme, dass ein Großteil davon nicht dem Aufbau authentisch-afghanischer Strukturen diene, "sondern die Mitarbeiter westlicher Nichtregierungsorganisationen finanziert".
Nach Meinung führender Militärs und Politstrategen sei ein Ende des Krieges nicht absehbar. Der Krieg würde nun nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten kalkuliert.
"Afghanistan braucht keine Fortführung des Trojanischen Pferdes ISAF, sondern einen Friedensplan", meint Krämer. Dieser Friedensplan müsse mit einer Strategie der Entwicklungszusammenarbeit verbunden sein, die die unmittelbare Not der Bevölkerung lindere und die wirtschaftliche Einbindung zu den Nachbarländern fördere. Ein derartiger Friedensplan mache aber nur Sinn, "wenn alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte Afghanistans daran beteiligt werden".
"Die US-gestützte Karsai-Regierung hat sicher einen Platz darin - aber nur einen von mehreren", so Krämer. "Die Rolle der Bundeswehr dabei ist umgehend mit einem konkreten überschaubaren Zeitplan zu versehen. Wir fordern die Abgeordneten auf, den Antrag der Bundesregierung, der all dies ignoriert, abzulehnen."