Der Zweite Senat gab damit der Wahlprüfungsbeschwerde von zwei Wählern anlässlich der Bundestagswahl 2005 statt. Der "Wahlfehler" führe jedoch nicht zur Ungültigkeit der Wahl und damit nicht zur Auflösung des 16. Deutschen Bundestages. Denn es überwiege das "Interesse am Bestandsschutz der Volksvertretung", die im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit des Bundeswahlgesetzes zusammengesetzt worden sei.
Eine rasche Änderung des Bundeswahlgesetzes ist nun allerdings nicht zu erwarten. Der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses des Bundestages, Thomas Strobl (CDU), sagte, die Korrekturen könne es erst "für die übernächste Bundestagswahl" geben. "Ich halte es für unmöglich, im laufenden Verfahren die Rechtsgrundlage zu ändern", sagte Strobl, zumal es einen "Königsweg" nicht gebe. Strobl verwies darauf, dass schon erste Nominierungsverfahren der Kandidaten für die nächste Bundestagswahl liefen, die voraussichtlich am 27. September 2009 stattfinden wird.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, das Urteil setze "klare rechtliche Rahmenbedingungen für das Wahlsystem". Zugleich weise das Gericht darauf hin, wie schwierig es für den Gesetzgeber sei, eine angemessene Lösung zu finden.
Der Prozessvertreter der beiden Kläger, Staatsrechtsprofessor Hans Meyer, betonte hingegen, es sei "durchaus möglich", das Bundeswahlgesetz schon bis zur nächsten Bundestagswahl zu ändern. "Die große Koalition wäre auch gut beraten, das zu machen", sagte Meyer. Beschwerdeführer Wilko Zicht hält die bestehende gesetzliche Regelung für "Murks".
Auch die Richter kritisierten die Regelung. Der Wählerwille werde "ins Gegenteil verkehrt", wenn ein Wähler bei der Stimmabgabe für "seine" Partei befürchten müsse, dieser zu schaden. Ein Wahlsystem, das darauf angelegt sei, dass aus einem Zuwachs an Stimmen Mandatsverluste folgen, führe "zu willkürlichen Ergebnissen" und lasse "den demokratischen Wettbewerb um Zustimmung bei den Wahlberechtigten widersinnig erscheinen". Der Effekt des "negativen Stimmgewichts" könne bei Überhangmandaten auftreten und wirke sich dann "regelmäßig" auf das Wahlergebnis aus.
Das paradoxe Phänomen sei etwa bei der Dresdner Nachwahl deutlich geworden, die wegen des Todes der NPD-Direktkandidatin im Wahlkreis 160 in Dresden nötig wurde. Die 219.000 Wahlberechtigten durften erst zwei Wochen nach der Bundestagswahl vom 18. September 2005 wählen und konnten - da sie das Ergebnis der übrigen Wähler kannten - ihre Zweitstimme taktisch einsetzen.
(AZ: 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07 - Urteil vom 3. Juli 2008)