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Gehen oder bleiben - Entscheidungsprozesse in der Paartherapie

Frankfurt Paartherapie: Die wesentlichen Entscheidungsprozesse

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Goethe: „Sonne kann nicht ohne Schein, Mensch nicht ohne Liebe sein“ Wenn Menschen „ Ich liebe dich“ sagen, meinen sie unterschiedliche Dinge. Sie werden am glücklichsten mit jemandem, der mit diesen Worten etwas Ähnliches meint wie Sie. Ein glückliches Paar ist ein Paar, das ein gemeinsames Leben aufbauen, einen Platz in der Welt finden kann, denn wir brauchen einen Platz in der Gemeinschaft der Menschen, wo wir uns beschützt und angenommen fühlen. Sollen wir unseren Platz in unserer Liebesbeziehung aufgeben, weil er zu wenig von dem Leben beinhaltet, das wir uns vorstellen? Oder sollen wir stattdessen Ansprüche und Vorstellungen aufgeben? Und bleiben. Den Schmerz über den verlorenen Platz nennen wir Liebeskummer.


Wir haben ein Ideal der modernen Liebesbeziehung:

Wir sind nicht mehr dieselben, wenn wir lieben, Liebe verändert uns, bringt das Beste in uns hervor, macht uns mutig und stark. Es ist ein Glücksfall, den Menschen zu finden, mit dem man auf einzigartige Weise kompatibel ist. Den Menschen zu finden, der mich für wertvoll hält -und umgekehrt. In diesem Zustand kommen wir unserem idealen Selbst, so, wie wir sein möchten, ganz nah. Wir sind in Höchstform.

Wahre Liebe schließt Verantwortung und Verpflichtungen ein, man übernimmt Verantwortung für die Entscheidung zu lieben. Commitment ist ein moderner Begriff und bedeutet Bekenntnis. Der Leitsatz lautet: Ich bin glücklich, dass du glücklich bist. Es gilt als abgemacht, dass wir zwei jetzt die wichtigsten Menschen füreinander sind.

Eine Liebesbeziehung, lange, vertraute Zweisamkeit, liegt im Zentrum des Lebensentwurfs, den wir uns geschaffen haben. Ihn versuchen wir zu erhalten. Durch Loyalität, Berechenbarkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit. Indem wir an der Beziehung festhalten und nicht an unseren Wünschen. Liebe ist nicht Erfüllung, Liebe ist das Unerfüllte auszuhalten. Eine glückliche Beziehung ist eines der wichtigsten Lebensziele, den richtigen Partner zu finden, ist eines der wichtigsten Projekte in unserem Leben, denn Beziehungen sind der stärkste Vorhersagefaktor für Freude und Zufriedenheit. Nicht umsonst werden in der Partnervermittlungsbranche Millionen umgesetzt.

Liebe ist eine emotionale Beziehung, ein schützender Hafen, eine sichere Basis, in der wir Trost, Fürsorge und Bestätigung finden. Bist du für mich da? Ein deutliches Ja ist die Antwort eines sicher gebundenen Partners. Wir achten darauf, ob wir den Partner erreichen können, denn Rückzug verunsichert, macht uns Angst. Wenn wir uns sicher gebunden fühlen, nennen wir das Liebe.

Was lässt Paare glücklich miteinander leben?

Es gibt ein paar einfache Rezepte: Meinungsverschiedenheiten aushalten, Unterschiede respektieren, mehr Komplimente und Lob äußern, dafür weniger Kritik, eher angenehme Emotionen ausdrücken als unangenehme, Wünsche und Bedürfnisse äußern statt Vorwürfe, Kompromisse bilden, d.h. jeder gibt auf, worauf er verzichten kann, setzt durch, was ihm besonders wichtig ist.

Die meisten Konflikte, circa 70 %, sind nach Untersuchungen des amerikanischen Paarforschers John Gottmann ohnehin unlösbar. Also geht es darum, Lösungen zu finden, um mit Problemen leben zu können. Und manchmal gibt es Zeiten, wo nur aushalten möglich ist, warten, bis der Andere wieder bereit ist, am gemeinsamen Beziehungswerk mitzuarbeiten.

Zu Beginn einer Beziehung sehe ich meinen Geliebten als Ehrengast in meinem Leben, um den ich mich liebevoll kümmere, an dem ich Anteil nehme, dessen Bedürfnisse sich genauso wichtig anfühlen wie die eigenen. Ein kraftvoller Zustand positiver Resonanz entsteht, wenn man gute Gefühle, positive Emotionen wie Freude, Interesse, Inspiration teilen kann. Die Wahrnehmung von Einheit, Fürsorge, Trost, Schutz und Unterstützung vermittelt Geborgenheit. Diese Bindungsliebe kann bestehen bleiben, selbst wenn Romantik und Erotik nachlassen. Soweit die ideale Beziehungs-Vorstellung. Und warum können wir uns dann nicht einfach immer weiter lieben und glücklich sein, wenn es doch so einfach klingt? Und am Anfang so einfach schien?

Vereinfacht ausgedrückt: weil Paarbeziehung, Partnerschaft, Ehe nicht gleichzusetzen sind mit Liebesbeziehung. Ganz im Gegenteil sogar!

Wie sollen leidenschaftliche, erotische, romantische Liebe und aushandelnde, faire Partnerschaft eins werden? Wir stehen vor der wundersamen Aufgabe , unsere leidenschaftliche Sexualität mit einer langdauernden, alle Lebensbereiche umfassenden, vernünftigen, gleichberechtigten Partnerschaft zu vereinigen, womöglich sogar noch mit Kindern.

Fast jeden Tag seit zwölf Jahren treffe ich mich mit Paaren in meiner Praxis zur Paartherapie. Es ist ein Privileg, dabei zu sein, wie Liebespartner darum ringen, ein Paar zu bleiben oder wieder ein Paar zu werden. Eine langjährige Liebesbeziehung gleicht einem zwischenmenschlichen Hindernisparcours, der so schwierig werden kann, dass manche Partner dann und wann an Ausstieg denken.

Liebesbeziehungen sind komplex und es gibt weder eine richtige Art zu lieben noch eine ewig glückliche Beziehung. Lieben bleibt eine Kunst.

Paartherapie kann dabei helfen, eine andere Perspektive einzunehmen, eine andere Sicht auf die Beziehung und auf den Partner zu finden. Sobald wir etwas anders sehen, ist es schon nicht mehr das Gleiche .

Klassische Themen, die Paare zu mir führen, sind:

  • Nähe-Distanz-Konflikte, d.h. das Bedürfnis nach Selbstentfaltung und Autonomie versus Bindungs-Nähe und Sicherheit müssen ausgehandelt werden.
  • Der Anspruch auf Optimierung: Eigentlich wartet eine viel großartigere Beziehung auf mich irgendwo - stattdessen mache ich faule Kompromisse.
  • Die anfängliche Romantik ist verloren gegangen.
  • Die sexuelle Leidenschaft ist weg. Mein Partner hat weniger Lust, bestimmt dadurch meine Sexualität.

Es gilt herauszufinden, welches die Elemente der Liebesbeziehungen sind, auf die einer der Partner nicht verzichten will: Treue, Bindung, Fürsorge, Sexualität, Leidenschaft, Intimität, Verbindlichkeit, Unterstützung in der Kindererziehung.

  1. Häufig geht es um Liebeskummer wegen Betrug, Untreue, Eifersucht oder unerfüllte Sehnsucht und Einsamkeit, Entfremdung.
  2. Es gibt Machtkämpfe in der Beziehung.
  3. Manche Paare kämpfen mit Ängsten, Sucht-Erkrankungen, psychischen Störungen.

Jedes Paar wird auf seine Weise glücklich, mit oder ohne Sex, getrenntem oder gemeinsamem Schlafzimmer, Kindern. Probleme existieren nicht einfach sondern sie sind unsere Sicht der Dinge, auf unser Paar-Sein. Leider ist es unsere Tendenz, dem Negativen mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Positiven. Wir befinden uns ständig in einem Kreislauf der Interaktion. Jeder hat Anteil an dem, was in einer Beziehung geschieht. „Ich bin ja nur so, weil du so bist“ Diese eigenen Anteile anzuerkennen, die Verantwortung dafür zu übernehmen und nachzuvollziehen, was unser Verhalten im Anderen auslöst, das ist es , wonach wir gemeinsam suchen. Der Andere ist nie der Andere, sondern immer unser Bild vom Anderen. Wir müssen Sorge tragen, unseren Partner nicht hinter unseren Vorstellungen verschwinden zu lassen. Das gelingt uns durch Achtsamkeit und Neugier.

Heute greife ich das mit Abstand häufigste Konflikt -Thema, die Untreue, exemplarisch heraus. Ich werde versuchen, die Komplexität eines Konflikts und mögliche „Heilungsprozesse“ an diesem Beispiel darzustellen.

Warum betrügen wir? Und wenn wir von Untreue sprechen, was genau ist damit gemeint? Eine Liebesgeschichte, bezahlter Sex, ein Chatroom, Pornos im Internet schauen?

  • Ist eine Affäre immer das Ende der Beziehung?
  • Ja, denn die Beziehung wird nicht mehr wie zuvor sein.
  • Nein, denn auch wenn die Beziehung so, wie sie war, vorbei ist, gibt es eine Chance auf einen Neu-Anfang. Deshalb kommt ein Paar zu mir - um Klarheit und Antworten zu finden und im Schutz der Therapie nach Gefühlen forschen zu dürfen.

Wir brauchen in der Liebe ein denkendes Herz, wenn wir nicht den Verstand verlieren wollen. Ein Paar kann lernen, wieder ein Paar zu sein.

Ein kleiner Exkurs zum Thema Affäre:

Eine Affäre ist eine Grenzüberschreitung, die ein Paar seiner Beziehung, seines Glücks und seiner Identität berauben kann. Warum hat Treue so eine existenzielle Bedeutung für uns?

Der Seitensprung existiert seit Erfindung der Ehe und ist das einzige Gebot, dass zweimal in der Bibel wiederholt wird: einmal für die Tat selbst und einmal nur für das Denken an sie. Durch die Geschichte hinweg hatten Männer praktisch eine Lizenz zum Betrügen mit wenigen Konsequenzen. De facto trennen sich bis heute nur wenige Frauen, wenn sie von der Untreue ihres Mannes erfahren. Verständlich, wenn biologisch-evolutionäre Theorien Erklärungen bereithalten, warum Mann nicht treu sein kann - bei aller Liebe. Er ist so nicht geplant! Die Natur hat uns allerdings nicht darauf festgelegt, polygam oder monogam zu sein. Und Frauen betrügen ähnlich häufig wie ihre männlichen Partner. Monogamie hieß einst: Eine Person für das ganze Leben. Heute heißt Monogamie: Immer nur eine Person. Man nennt das serielle Monogamie. Viele von uns haben wahrscheinlich schon mal gesagt: „ Ich bin in all meinen Beziehungen monogam gewesen.“ Tatsache ist, dass Monogamie nichts mit Liebe zu tun hat. Männer bauen auf die Treue der Frauen, um zu wissen, wessen Kinder sie versorgen. Es ist schwierig, statistisch zu erfassen, wie viel Prozent der Menschen betrügen, denn die Definition von Untreue erweitert sich noch durch Pornos schauen, auf Dating-Portalen aktiv zu sein, heimliche Flirts. Weil es also keine Definition gibt, der jeder zustimmt, was Untreue heute überhaupt bedeutet, variieren Schätzungen zwischen 25 und 75 %.

Darüber hinaus sind wir lebende Widersprüche: 95 % von uns werden sagen, es sei schrecklich falsch, wenn unser Partner eine Affäre verleugnen würde -aber ungefähr genauso viele von uns würden sagen, dass es genau das wäre, was wir tun würden, wenn wir eine Affäre hätten.

Die Definition von Affäre vereint drei Elemente:

eine geheime Beziehung, eine emotionale Verbindung bis zu einem gewissen Grad und eine sexuelle Chemie. Nie ist es einfacher gewesen, zu betrügen und nie zuvor schwieriger, es geheim zu halten durch unsere ständige Erreichbarkeit. Und niemals zuvor hat Untreue so ein psychologisches Opfer gefordert. Als die Ehe noch keine Romantik-überfrachtete Beziehung war sondern ein wirtschaftliches Unternehmen - also zu vor-industrialisierten Zeiten - bedrohte Untreue die wirtschaftliche Sicherheit eines Paares. Aber nun, da die Ehe ein romantisches Arrangement ist, bedroht Untreue unsere emotionale Sicherheit. Ironischerweise bot der Seitensprung früher den Raum, in dem man nach Liebe suchte. Aber heute, da wir Liebe in der Ehe suchen, zerstört der Seitensprung die Partnerschaft. Denn Untreue tut heute anders weh. Wir haben ein romantisches Ideal, mit dem wir uns einer Person zuwenden, die unsere Bedürfnisse erfüllen soll, dem Traumpartner: Sei mir Liebhaber, bester Freund, Vertrauter, emotionale Gefährtin , Ersatz -Elternteil, intellektuell auf meiner Wellenlänge, Mutter meiner Kinder, ein toller Papa. Und umgekehrt: Ich bin auserwählt von dir, einzigartig, unverzichtbar, unersetzbar. Untreue aber sagt: Ich bin es nicht. Das ist der ultimative Betrug. Untreue zerstört das große Streben der Liebe, weil sie unser Selbstgefühl bedroht. So bedeutet Untreue eine Verletzung des Vertrauens, eine Identitätskrise für den betrogenen Partner: Kann ich jemals wieder vertrauen ?

Dennoch waren wir nie mehr geneigt, fremdzugehen, und das nicht, weil wir heute neue Verlangen haben, sondern, weil wir in einer Zeit leben, in der wir uns berechtigt fühlen, unsere Wünsche zu verfolgen, weil unsere Kultur uns vermittelt, dass wir es verdienen, glücklich zu sein. The Pursuit of Happiness ist bei den Amerikanern sogar im Gesetz verankert. Wenn früher Ehen geschieden wurden, weil man unglücklich miteinander war, lassen wir uns heute scheiden, weil wir noch glücklicher sein könnten. Während früher Scheidung eine Schande war, ist heute bleiben in einer belasteten, sub- optimalen Beziehung die neue Schande. "Warum schmeißt du ihn/ sie nicht raus? Das hast du nicht nötig." Oder vielleicht doch?

Warum aber haben wir noch immer Affären, wenn wir uns doch scheiden lassen können? Was ist, wenn sogar glückliche Leute betrügen, die von Liebe zu ihren Partnern erzählen? Um was geht es denn da? Affären sind Betrug, aber auch ein Ausdruck von Sehnsucht und Verlust. Im Kern einer Affäre findet man oft ein Sehnen und Verlangen nach einer emotionalen Verbindung, Neuheit, Freiheit, Selbstbestimmung, sexueller Intensität. Vor allem den Wunsch, verlorene Teile unseres Selbst zurückzugewinnen, Lebendigkeit zu spüren. Wenn wir den Blick des Anderen suchen, ist es nicht immer der Partner, von dem wir uns abwenden, sondern es ist die Person, die wir selbst geworden sind.

Es geht also nicht so sehr darum, sich nach einer anderen Person umzusehen, sondern nach einem anderen Selbst zu suchen. Die Frage, ob das schon alles gewesen sein soll, ob es nicht mehr gibt in der ehelichen Beziehung, ob man noch 25 Jahre so weiter machen will, ob man jemals wieder die alte leidenschaftliche Empfindung fühlen kann, treibt die Betrüger oft gleichermaßen um wie das Verlangen nach Aufmerksamkeit, Bestätigung der Attraktivität, Bedeutung. Und die eigentliche Struktur einer Affäre, die Tatsache, dass man den Liebhaber, die Geliebte, niemals ganz haben kann, den banalen Alltag nicht teilt, hält das Verlangen wach. Die Unvollständigkeit hält uns an, zu wollen, was wir nicht haben können. Die Macht des Verbotenen, der Reiz des Tabubruchs, machen die außereheliche Affären -Beziehung so interessant.

Wenn Sie in Ihre Beziehung ein Zehntel der Fantasie und Begeisterung bringen würden, die Sie in Ihre Affäre stecken, müssten Sie wahrscheinlich nie zu mir kommen.

Wie heilen wir also von einer Affäre?

Sexualität ist Teil unserer Paarkommunikation, unsere Verbundenheit wird vertieft durch erotische Begegnungen, ist Ausdruck unserer Nähe, wehrt Trennungsängste ab. Sexualität in der Paarbeziehung kann niemals nur Sex sein, existiert nicht getrennt von unserer emotionalen Beziehung. Durch eine Affäre ist Sexualität als verbindende Sicherheit verlorengegangen. Deshalb geht Betrug tief. Aber er kann geheilt werden. Einige Affären sind allerdings tatsächlich Toten-Glocken für Beziehungen, die schon am Sterben waren. Dann geht es ums Auseinandergehen. Aber Fakt ist, die Mehrheit der Paare, die Affären erfahren haben, bleiben zusammen. Und einige werden tatsächlich fähig sein, eine Krise in eine Chance zu verwandeln. Vielleicht sogar für den betrogenen Partner mehr, denn er traut sich, Sätze zu sagen wie: "Du denkst, ich wollte nicht mehr ? Aber ich war nicht derjenige, der es getan hat."

Wir können als Paar wieder zusammenwachsen, wenn wir mit unserer Wut und unserem Schmerz nicht alleine bleiben. Wenn der betrogene Partner zu uns gehalten hat, obwohl wir ihn unglaublich verletzt haben. Krisen bilden die Wurzeln, die unsere Beziehungen stärken können. Nun, da die Affäre aufgedeckt ist, können auch die betrogenen Partner mehr beanspruchen, müssen nicht länger den ohnehin nicht gut funktionierenden Status quo aufrechterhalten. Viele Paare führen bei mir im Nachspiel einer Affäre tiefgründige Gespräche voller Ehrlichkeit und Offenheit, die sie in Jahren nicht hatten. Paare, die sexuell den kleinsten gemeinsamen Nenner gelebt hatten, finden sich plötzlich in unersättlicher Lust wieder, von der sie nicht wissen, woher sie kommt. Etwas von der Verlustangst kann das Verlangen wiedererwecken und den Weg für eine komplett andere Art von Wahrheit, Klarheit und Intensität freimachen.

Welche speziellen Dinge können Paare also tun, wenn eine Affäre aufgedeckt ist?

Wer den Mut hat, Betroffenheit, Zweifel, Hilflosigkeit zu zeigen, schafft Verbindung. Wer sich nur wehrt, liebt verkehrt. Sich nur zu verteidigen , schadet. Zur Bitte um Verzeihung gehört niemals ein Aber, eine Rechtfertigung. Heilung beginnt, wenn der Partner den Vertrauensbruch eingesteht, seine Verantwortung für den Schmerz, den die Affäre im betrogenen Partner ausgelöst hat, spürbar ausdrückt. Die Wahrheit ist, dass viele Leute, die Affären hatten, sich schrecklich schuldig fühlen für das Verletzen des Partners - aber nicht für die eigentliche Affären-Erfahrung. Diese Unterscheidung ist wichtig.

Der untreue Partner muss nun für eine Weile über die Beziehung wachen, präsent sein, ein Beschützer der Grenzen sein, es liegt in seiner Verantwortung, die Beziehung voranzubringen und sicherzustellen, dass die Affäre nicht vergessen wird und sich das Vertrauen wieder herzustellen beginnt. Wiedergutmachung ist notwendig. Und die Maßnahmen dazu können ausgehandelt werden.

Gut zu wissen: Hinter den wütendsten Attacken des Betrogenen steht der verzweifelte Wunsch nach Nähe. Misstrauen wird die erste Zeit nach dem Aufdecken der Affäre prägen. Aber misstrauisch ist nur, wer den Wunsch hat, vertrauen zu können. Misstrauen gibt die Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu bleiben, distanziert zu betrachten, um Vertrauen wieder wachsen lassen zu können. Für den Partner bedeutet das, Misstrauen auszuhalten und es hoffnungsvoll zu bewerten: „ Ich vertraue dir, dass du mir wieder vertrauen möchtest.“

Genauso wichtig ist es Dinge zu tun, die den Selbstwert des betrogenen Partners zurückbringen, wie zum Beispiel sich mit Freunden und Aktivitäten zu umgeben ,die Freude, Bedeutung und Identität zurückgeben. Noch wichtiger allerdings ist es, die Neugierde nach den schmutzigen Details der Affäre zu zügeln. Stattdessen helfen Fragen, die nach der Bedeutung und den Motiven fragen. Was hat diese Affäre für dich bedeutet? Was warst du in der Lage, dort auszudrücken oder zu erleben, das du nicht mit mir tun konntest? Wie war es für dich, nach Hause zu kommen? Was schätzt du an uns? Bist du froh, dass es vorbei ist? Hast du dabei an mich gedacht?

Über der Verbindung zu unserem Partner schwebt von der ersten Sekunde an die Trennung als Möglichkeit. Je mehr wir bereit sind, uns vom Partner abhängig zu machen, desto größer wird bewusst oder unbewusst unsere Verlustangst. Die Angst vor Trennung. Und deshalb versuchen wir immer wieder, uns der Liebe unseres Partners zu versichern. Doch sobald alles in Frage steht, können wir auch wahrnehmen, was uns aneinander bindet. Liebe ist eine Entscheidung. Sollen wir uns wirklich anstrengen müssen, damit die Liebe weiterlebt? Commitment ist die Entscheidung, auch in schlechten Zeiten zu bleiben, auch die Zeiten der kleinen Liebe zu teilen, ja sogar die der verschwundenen Liebe. Commitment ist der Wille, das Nicht-Aufgeben, immer-wieder-Versuchen, das Dranbleiben. Commitment gibt Sicherheit und offenbart die reife Einsicht in die Grenzen des Paarglücks, die Hoffnung auf zufriedenes Miteinander, das weitergeht, die Umarmung auch der Schattenseiten der Liebe. Die Idee, dass wir lieben können, ohne dass es uns auch wehtun wird , ist unrealistisch. Wir brauchen auch die Fähigkeit zu vergeben, zu verzeihen. Verzeihung ist eine emotionale Begegnung: Ich erkenne an, dass ich dir wehgetan habe. Ich fühle mit dir und stelle mich deinem Schmerz. Es tut mir leid, dich verletzt zu haben. Es geht darum, sich wieder füreinander zu öffnen, wenn wir wissen, dass uns der Andere verstehen möchte.

Jede Affäre wird eine Beziehung neu definieren und jedes Paar mitbestimmen, was das Vermächtnis dieser Affäre sein wird. Und es gilt zu berücksichtigen, dass emotionaler Rückzug in vielen Formen erscheinen kann: durch Verachtung , Vernachlässigung, Desinteresse, Gewalt. Eine sexuelle Affäre ist nur eine Weise, den Partner zu verletzen.

Ich schaue deshalb in zweierlei Hinsicht auf Affären:

Schmerz und Betrug auf der einen Seite, Wachstum und Selbstentdeckung auf der anderen. Was hat es für dich getan hat und was es für mich bedeutet hat. Wenn die Bedürfnisse, deren Befriedigung in einer Affäre gesucht wurden, wirklich von beiden Partnern verstanden werden, kann eine Affäre überlebbar sein.

Aus diesem Grunde sage ich Paaren oft: Ihre Beziehung ist vorbei, so wie sie war, wollen Sie zusammen eine neue erschaffen?

Ich schließe mit einem Zitat von Herrmann Hesse aus seinem berühmten Gedicht „Stufen“: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“

In Liebesbeziehungen wohnt jedem Ende der Zauber eines Neu-Anfangs inne.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse und stehe Ihnen gerne für Fragen zur Verfügung.

Monica Link, M.A., Heilpraktikerin für Psychotherapie Oberursel im November 2015

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