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Simbabwe

Aids, Hunger, Armut und Korruption bringen Simbabwe an den Abgrund

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Für das christliche Kinderhilfswerk World Vision berichtet Sönke C. Weiss aus dem südafrikanischen Land: Von den zwölf Millionen Einwohnern Simbabwes ist jeder dritte HIV-infiziert. "Die Männer weigern sich, Kondome zu benutzen", sagt Krankenschwester Alice Mazanura (40), die für das Kinderhilfswerk World Vision tätig ist. Sie sagt: "Die Menschen meinen, wenn sie nicht an Hunger oder dem nächsten Krieg sterben, dann soll der Tod doch wenigstens ein wenig Spaß machen." Kein Wunder also, dass die meisten ihrer 10.000 Patienten, die sie in ihrer mobilen Klinik im Dzivarasekwa-Distrikt bei Harare zu versorgen hat, unter Geschlechtskrankheiten leiden.


Besonders betroffen sind junge Mädchen, die sich aus der Not heraus als Prostituierte feilbieten. Mit Kondom verlangen sie umgerechnet 50 Cents, ohne Schutz muss der Kunde einen Euro bezahlen. Die World Vision-Krankenschwester: "Die Menschen sind verzweifelt. Sie haben Hunger. Um diesen zu stillen, tun sie alles, auch wenn er ihnen den Tod bringt." Schon heute hat jede Familie mindestens ein Todesopfer zu beklagen. Beerdigungen dürfen nicht mehr länger als 20 Minuten dauern. Da es kaum noch Särge gibt, werden die Toten in Plastikwannen unter die Erde gebracht.

In Portafarm, etwa 125 Kilometer von Harare entfernt, wird die Verzweiflung der Menschen deutlich sichtbar. Mehr als 2000 Personen warten, um sich eine Schüssel Mais abzuholen. Hier leistet World Vision humanitäre Nothilfe. "Selbst unter den Kolonialherren war es nie so schlimm wie heute", sagt Julia Musiado. Seit Wochen ernähren sie und ihre Familie sich von Blättern, die Musiado in heißem Wasser zu einem Brei kocht, um überhaupt das Gefühl zu haben, satt zu sein.

Dabei ist die Vegetation des Landes gut. Simbabwe könnte sich alleine ernähren. Das Problem: Nach der Bodenreform wurden nicht nur die weißen Farmer vertrieben, nein, mit ihnen ging auch das landwirtschaftliche Wissen, die Maschinen und die Investitionskraft. Da schwarze Farmer vom Wesen und Verständnis her Alleinversorger sind, sind sie nicht in der Lage, das Millionenvolk zu ernähren.

"Dass die Bodenreform notwendig war, bestreitet kaum jemand. Nicht einmal ein Großteil der insgesamt 2900 Landwirte. Nur entbehrt ihre Ausführung jede Vernunft und Gerechtigkeit", sagt Chris Venturas von der Anwaltskanzlei Byron, Venturas und Partner, die sich für die Rechte der weißen Farmer einsetzt. "Nach dem Gesetz soll das Land an die Bauern verteilt werden, die die meiste Erfahrung haben. Was aber passiert? Es geht an die, die die besten Beziehungen zu Mugabe haben", sagt Venturas, der immer wieder neue Korruptionsskandale aufdeckt.

Als die Reform eingeführt wurde, unterstützten die britische Regierung und die Weltbank das Unternehmen sogar mit Millionenbeträgen, die an die weißen Farmer gehen sollten. Das Geld versickerte aber im Korruptionssumpf oder als Sold für Mugabes Soldaten, die er in den Kongo schickte, um dort im Krieg um die Bodenschätze mitzumischen. Seitdem gibt es keine internationale Unterstützung mehr für die Regierung Mugabes. Die Konten sind eingefroren. Mugabe und seine Regierung bekommen keine Einreisegenehmigung für das europäische Ausland mehr.

Die Folge: Das Land steht still. Simbabwe zu Beginn des Jahres 2003 befindet sich am Abgrund. Momentan liegt die Inflationsrate bei 175 Prozent. Nach Auskunft des Internationalen Währungsfonds wird sie in diesem Jahr auf 500 Prozent steigen. Offiziell bekommt man in Simbabwe für einen US-Dollar 50 Simbabwe-Dollar. Auf dem Schwarzmarkt liegt der Tauschkurs aber bei 1700 Simbabwe-Dollar für einen US-Dollar.

Löhne und Gehälter indes bleiben gleich. Mit weiter schwindender Kaufkraft. Auch verfügt Simbabwe über keine Devisen. Von daher gibt es auch keine Importe. Seit Wochen schon fehlt es dem Land an Benzin. Vor jeder Tankstelle warten die Menschen auf die nächste Lieferung. In kilometerlangen Warteschlangen. Tag und Nacht. Wann es die nächste Füllung gibt? Keiner weiß es.

Die einzige Freiheit, die die Menschen Simbabwes noch haben, ist die freie Wahl der Warteschlange. Wer noch Arbeit hat, gelangt nicht in die Fabriken, weil keine Busse mehr fahren. Die Textilindustrie, die gut ein Viertel des Bruttosozialproduktes erwirtschaftet, ist zusammen gebrochen. "Wir haben Fehler gemacht", sagte kürzlich Landwirtschaftsminister Joseph Made. Dass er immer noch im Amt ist, überrascht viele. Wer aufmuckt, verschwindet. Das gilt für die politische Opposition wie für Journalisten, die unbequeme Fragen stellen. Die Gefängnisse sind hoffnungslos überfüllt. Der Geheimdienst CEO ist allgegenwärtig. Es wimmelt von Spitzeln.

Und auf den Straßen wüten die sogenannten "Green Bombers", arbeitslose Jugendliche, die aus der Gosse aufgegriffen und in Lagern umerzogen werden, um anschließend die Zivilbevölkerung zu tyrannisieren. Schlägertrupps, die das langsam ungeduldig werdende Volk unter Kontrolle zu halten versuchen. "Fragt sich nur, wie lange noch. In den nächsten Monaten wird es hier explodieren", sagt ein internationaler Beobachter.

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