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Einstellung der Spritzenvergabe in Haft wird teuer

AIDS und Hepatitis

Durch die Beendigung des Spritzentauschprogramms in niedersächsischen Haftanstalten muss dort mit einem Anstieg der HIV- und Hepatitisinfektionen gerechnet werden. Zu diesem Ergebnis kamen letzte Woche die Teilnehmer/innen einer Podiumsdiskussion, die gemeinsam von der Niedersächsischen Aids-Hilfe (NAH) und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) in Hannover veranstaltet wurde. Hauptargument des Justizministeriums sind die Ergebnisse einer Untersuchung, die seit 5 Jahren existieren soll. Diese Untersuchung soll belegen, dass durch die Spritzentauschprogramme nicht mehr Infektionen vermieden werden als ohne dieses Angebot. "Schleierhaft bleibt, wie solche Ergebnisse erzielt wurden", erklärte Brigitte Litfin, Vorstandsmitglied der NAH. "Seit 20 Jahren sind die Infektionswege von HIV bekannt, der Gebrauch bereits benutzter Spritzen gehört dazu. Der Fachöffentlichkeit wurde diese Untersuchung auch nie präsentiert - die Gründe liegen auf der Hand."

Der Einladung waren Vertreter/innen des Justizministeriums, aus Medizin und Wissenschaft, vom Bundesverband der Eltern für akzeptierende Drogenarbeit und der AIDS-Hilfen gefolgt. Mit der Einstellung der Programme werden nicht nur - wie die Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe e.V., Hannelore Knittel, feststellt - den Gefangenen wichtige Schutzmöglichkeiten entzogen, die ihnen im Strafvollzugsgesetz garantiert sind; zu erwarten sind auch erhebliche finanzielle Konsequenzen, die auf eine kurzsichtige politische Entscheidung schließen lassen:

"Jede HIV-Infektion, die durch infizierte Nadeln weitergegeben wird, kostet die Gesellschaft pro Jahr und Patient etwa 25.000 Euro an Behandlungskosten, jede chronische Hepatitis C durch infizierte Spritzen 30.000 bis 50.000 Euro", erklärte Dr. Jörg Gölz, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin. "Die Entscheidung geht zu Lasten der Versicherten, die die Kosten jeder weiteren HIV- und Hepatitisinfektion über ihre Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren haben", so Dr. Konrad Cimander, Vorsitzender der KVN-Bezirksstelle Hannover und Vorsitzender der Qualitätssicherungskommission der KVN. "Warum diese Entscheidung auf Landesebene getroffen wurde, bleibt unverständlich, da sie zu keinerlei Einsparungen im Landeshaushalt führt."

Auch der Bundesvorsitzende des Elternverbandes für akzeptierender Drogenarbeit, Jürgen Heimchen, ist empört: "Das erfolgreiche Spritzentauschprojekt in Niedersachsen hat unsere Hoffnung gestärkt, dass Politik die Gesundheitsfürsorge auch für unsere Kinder in Haft ernst nimmt. Als Eltern erleben wir täglich aufs Neue ein grausames Wechselbad der Gefühle, nun kommt durch einen Gefängnisaufenthalt auch noch die erhöhte Angst vor einer HIV- oder Hepatitisinfektion hinzu. Unsere Kinder haben das Recht auf ein Überleben in Menschenwürde!"