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Gebäudereiniger sollen für 6 bis 8 Euro pro Stunde arbeiten

"Noch Hunderte Branchen"

Für die Gebäudereiniger in Deutschland soll künftig ein niedriger Mindestlohn gelten. Das Kabinett beschloss am Mittwoch in Berlin, das Arbeitnehmerentsendegesetz auf das Gebäudereinigerhandwerk auszuweiten. Die Bundesregierung will mit der Ausweitung die rund 850.000 Gebäudereiniger in Deutschland vor Lohndumping schützen. Nach dem Entsendegesetz müssen ausländische Arbeitnehmer nach deutschem Tariflohn bezahlt werden. Bisher gilt die Regelung nur für die Baubranche. Der Tarifvertrag sieht für Gebäudereiniger einen Stundenlohn von mindestens 7,87 Euro im Westen und 6,36 Euro im Osten vor. Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sprach von "Etikettenschwindel". Es mache keinen Sinn, einen Mindestlohn nur für einzelne Branchen einzuführen. Notwendig ein gesetzlicher Mindestlohn für all jene, die keinen Tariflohn erhielten und "für Armutslöhne arbeiten". Ein Mindestlohn nur für die Beschäftigten von einzelnen Branchen schaffe neue soziale Ungerechtigkeiten. Vollkommen unverständlich sei zudem, "dass erneut unterschiedliche Sätze in Ost und West gelten sollen". Die FDP verlangte hingegen "mehr Markt statt Marx".

Die Voraussetzungen für das Gesetz sind nach Angaben der Bundesregierung gegeben, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sich hierfür ausgesprochen hätten und ein bundesweiter Tarifvertrag gelte. Dieser könne damit auch auf Arbeitgeber ausgedehnt werden, die eigentlich nicht tarifgebunden seien.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) will eine Ausweitung auf alle Branchen erreichen, um bundesweit Mindestlöhne sicherzustellen. Müntefering sagte, bei einer Ausweitung des Entsendegesetzes könne die lückenlose Sicherung eines tariflichen Mindestlohns gewährt werden. Es gebe neben den Gebäudereinigern noch Hunderte Branchen, die in vergleichbaren Situationen seien. "Und da muss man jetzt Zug für Zug versuchen, das Feld aufzurollen", meint der Minister. Dies werde allerdings schwierig werden, dämpfte Müntefering sogleich die Erwartungen. Ein gesetzlicher Mindestlohn berge Probleme, weil die Löhne in den einzelnen Branchen sehr unterschiedlich hoch seien.

"Wenn Franz Müntefering nun die Position der Linken übernimmt, dass der Mindestlohn für alle Wirtschaftszweige gelten muss, ist das zu begrüßen", sagte Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine. "Sein Wankelmut", dass dies aber schwierig durchzusetzen sei, zeige jedoch sein mangelndes Vertrauen in die eigene politische Handlungsfähigkeit. "Es kann nicht sein, dass der flächendeckende Mindestlohn, der in anderen europäischen Nachbarländern längst funktioniert, bei uns nicht umsetzbar sein soll. Müntefering mangelt es an politischem Durchsetzungswillen", kritisierte Lafontaine.

Die Linke hatte anlässlich der Kabinettssitzung vor dem Kanzleramt einen gesetzlichen Mindestlohn wie in anderen europäischen Ländern gefordert. Die Partei verwies darauf, dass derzeit in den deutschen Nachbarländern Luxemburg ein Mindestlohn von 8,69 Euro pro Stunde, in Frankreich von 8,03 Euro, in Belgien von 7,48 Euro und in den Niederlanden von 7,96 Euro gesetzlich vorgeschrieben sei. Auch in Irland mit 7,65 Euro und Großbritannien mit 7,36 Euro werde ein Mindestlohn gezahlt.

Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte: "Die Mehrheit der EU-Länder hat einen gesetzlichen Mindestlohn. Die Mehrheit dieser Länder hat auch eine bessere Arbeitsmarktsituation und einen höheren Beschäftigungsgrad, weil sie eben nicht den Weg gegangen sind, die Löhne nach unten zu nivellieren und damit die Binnenkaufkraft und Unternehmensstrukturen zu zerstören, sondern weil sie einen Mindeststandard eingeführt und damit für Stabilität gesorgt und Wachstum ermöglicht haben. Das ist der Weg, den wir in der Bundesrepublik Deutschland gehen müssen." Der von der Linken geforderte generelle Mindestlohn von 8 Euro pro Stunde "entspricht einem Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze, die derzeit bei monatlich 990 Euro liegt".

"In Deutschland sind sechs Millionen Menschen von Dumpinglöhnen betroffen", sagte die stellvertretende Links-Fraktionsvorsitzende Inge Höger. Für ein reiches Industrieland sei das eine Schande. "Es darf nicht sein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit kein anständiges Leben führen können. Schon mehrfach hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern ins Stammbuch geschrieben, Tarifverhandlungen dürfen nicht zur kollektiven Bettelei verkommen." Doch landauf- landab würden Beschäftigte, ihre Betriebsräte und die Gewerkschaften erpresst.

FDP gegen die Sicherung von Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warf der Regierung vor, Ziel sei nicht der Schutz vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland, sondern die Sicherung von Mindesteinkommen im Niedriglohnsektor. Damit würden einfache Tätigkeiten legal oft unwirtschaftlich und deshalb in die Schwarzarbeit abgedrängt.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, bezeichnete jeden Mindestlohn als "maximalen Unsinn". Sein Chredo: "Liegen festgelegte Löhne über dem Marktpreis, vernichteten sie Arbeitsplätze, liegen sie darunter, sind sie wirkungslos. Dieser Grundeinsicht in das wirtschaftspolitische Einmaleins verweigern sich die schwarz-roten Sozialdemokraten weiter stur."

"Deutschland braucht mehr Markt, nicht mehr Marx", so Brüderle. "Lohnintensive Branchen lassen sich nicht durch Lohnmauern vor Konkurrenz schützen." Damit Arbeitsplätze erhalten blieben und neue "Jobs" entstehen könnten, müsse die Bundesregierung betriebliche Bündnisse für Arbeit zulassen. "Jobverhinderer wie der starre Kündigungsschutz und Jobkiller wie die Mehrwertsteuererhöhung gehören endlich aus dem Verkehr gezogen", so Brüderle.

Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks begrüßte die Aufnahme in das Entsendegesetz. Dies eröffne die Chance, den aktuellen allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrag europafest zu machen. Mit der Regelung werde - nach der gesetzlichen Umsetzung - ein unfairer Wettbewerb durch massives Lohndumping verhindert. "Ermöglicht wird eine verschärfte Kontrollmöglichkeit der inländischen und ausländischen Betriebe durch die Hauptzollämter. Das Gebäudereiniger-Handwerk stellt sich diesen Herausforderungen und wird seinen Beitrag dazu leisten, dass gerade im Bereich der gering qualifizierten Tätigkeiten angemessene Arbeitsbedingungen umgesetzt und erhalten werden können", teilte der Verband mit. Der Bundesinnungsverband sprach sich darüber hinaus für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen aus.