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"Spätestens seit dem Krieg ist Steinmeier in seinem Amt angekommen"

Süddeutsche Zeitung

"Vom Hinterzimmer zum Hindukusch: Die Wandlungen des Außenministers Frank-Walter Steinmeier - In der Ruhe liegt die Macht - Rastlos umeilt er den Globus und wirkt stets gelassen - auf dem Weg von Krisenherd zu Krisenherd ist er nebenbei in Umfragen ganz oben gelandet." Diese Sätze standen nicht in der "Bild"-Zeitung. Es ist vielmehr der Titel eines Berichts über den deutschen Außenminister in einer der "renommiertesten" Zeitungen dieser Republik. Die Hofberichterstatter des Kaisers hätten die Sätze nicht besser formen können. In herausragender Weise versteht es der Autor Nico Fried, Steinmeier als künftigen Bundeskanzler zu empfehlen. Es geht um Krieg und um Botschaften über Bilder: Steinmeier in der Süddeutschen Zeitung vom 23. August 2006 auf Seite 3 sitzt in einem Flugzeug über Afghanistan, hemdsärmelig mit einem Aktenordner auf den Knien und mit einer armeefarbenen Schutzweste. Nachdem die Leser der Süddeutschen Zeitung längst für den Minister in Uniform eingenommen sind, heißt es auf halber Strecke im Text: "Spätestens seit dem Krieg im Libanon ist Steinmeier in seinem Amt angekommen."

Nach der Landung: "Die schwere Schutzweste über den Schultern, in der rechten Hand einen Aktenordner, die Linke in der Hosentasche, schlendert Frank-Walter Steinmeier über die schräge Plattform aufs Rollfeld. Schon jetzt, am frühen Morgen, hat er Verspätung. Aber von Hektik keine Spur." Steinmeier im Norden Afghanistans "bei den deutschen Truppen". "Atemberaubend ist hier im Nordwesten fast alles", findet der Autor der Süddeutschen Zeitung.

"Schießereien im Kongo" - "Und Deutschland überall dabei"

Neun Monate sei Steinmeier im Amt. Und gerade jetzt habe man den Eindruck, als schnüre eine höhere Macht die außenpolitischen Ereignisse in einem dichten Bündel zusammen: "Afghanistan, der Krieg im Libanon, das Atomprogramm Irans, Schießereien im Kongo. Und Deutschland überall dabei. Mittendrin der Außenminister ..."

In Afrika wird nach Darstellung der renommierten Nicht-Bild-Zeitung selbstredend kein Krieg mit modernen Waffen (aus Deutschland) geführt - da unten gibt es vermutlich so etwas wie "Schießereien". Hauptsache: Deutschland ist wieder überall dabei.

Die Süddeutsche zeichnet das Bild eines Außenministers, der trotz des Arbeitspensums und trotz aller Kriegswirren äußerst gelassen bleibt. Zudem ein Sympathieträger, wie der Autor von "glaubwürdigen Zeugen" aus der Ministerkabine des Airbus gehört hat: "Menschlich" sei er ja "sowieso ganz angenehm". Auch wenn Autor Nico Fried selbst nicht dabei war, in der Ministerkabine, hat er den Außenminister rundum positiv erlebt: "Auch sein Umgang mit Journalisten hat sich gelockert. Steinmeier pflegt Gesprächspartner nicht zu unterbrechen. Auf jede Frage erhält man eine Antwort, wenn auch oft eine sehr diplomatische."

Bei den diplomatischen Antworten geht es natürlich vor allem um das, was Journalisten neben den aufregenden Seiten des Krieges am brennendsten interessiert: die "K-Frage". Wird Steinmeier der nächste Bundeskanzler? Nico Fried wäre wohl dafür. Doch Steinmeier, so weiß er, würde diese Diskussion am liebsten "für nicht existent erklären". Der Minister erscheint schließlich "frei von jeglicher Attitüde". Die Süddeutsche Zeitung widmet der spannenden "K-Frage" dennoch fast eine ganze Spalte.

"Die Truppen sind nicht mehr rot-grün. Nur noch grün"

Die Süddeutsche spricht auch Kritisches an: Die "Aktivitäten" deutscher Geheimdienste im Irak, in Syrien und in Guantanamo sowie der Entführungsfall el-Masri nach Afghanistan "harren noch der endgültigen Klärung in einem Untersuchungsausschuss". Steinmeier sei "in jener Zeit" Kanzleramtschef und insbesondere Koordinator der Geheimdienste gewesen. Diese "andere Seite dieses Mannes" wendet Nico Fried elegant in etwas Aufregendes: "jedenfalls sagen das Leute, die es zu wissen meinen, die zum Beispiel behaupten, das Bündlerische der Geheimagenten, die Exklusivität des konspirativen Kreises der Dienstchefs und ihrer Informationen hätten eine prickelnde Faszination auf Steinmeier ausgeübt". Ging es hier nicht unter anderem auch um die Folterung von Menschen?

Afghanistan ist für die Süddeutsche ein schönes Beispiel für den Wandel in der Wahrnehmung und Bedeutung Steinmeiers. "2001, als deutsche Soldaten erstmals an den Hindukusch geschickt werden sollten, war Steinmeier mit dafür verantwortlich, bei Gerhard Schröders Vertrauensfrage im Bundestag die Mehrheit sicherzustellen. 2006, bei seinem ersten Besuch in Afghanistan kommt er als Außenminister. Die Truppen, für die er jetzt mitverantwortlich ist, sind nicht mehr rot-grün. Nur noch grün."

Präsident Karsai - mitten im "Heuschreckenschwarm"

Im Serena-Hotel in Kabul. Ein prickelndes Erlebnis für den Journalisten: "Schon auf den Fluren begrüßten Sicherheitsleute mit Maschinenpistolen morgens die wegen der Zeitverschiebung noch schlaftrunkenen Gäste."

Die renommierte deutsche Zeitung macht deutlich, welche Bedeutung der afghanische Präsident im Spiel der Mächte hat. Er bewegt sich im Gegensatz zum gelassenen, bedächtigen, nachdenklichen deutschen Außenminister hektisch irgendwo mitten im "Heuschreckenscharm": "Minuten später fielen deren Kollegen in das Foyer ein wie ein Heuschreckenscharm, irgendwo dazwischen bewegte sich Präsident Hamid Karsai, der zu einem Wirtschaftsforum geladen war." War das nicht der Präsident, mit dem die Demokratie kam, nachdem die Taliban ausgedient hatten, der mit den "freien Wahlen" und den Frauen in der Regierung?