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Awacs-Einsatz der Bundeswehr über der Türkei war verfassungswidrig

Rot-grüne Kriegs-Unterstützung

Der Einsatz deutscher Soldaten bei den Awacs-Aufklärungsflügen über der Türkei vor und während des Irak-Krieges im Jahr 2003 war verfassungswidrig. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hätte dafür die Zustimmung des Bundestages einholen müssen, entschied das Bundesverfassungsgericht am 7. Mai in Karlsruhe. Die Bundesregierung müsse immer dann die Zustimmung des Parlaments einholen, wenn "die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist". Nach diesem Maßstab sei der Einsatz deutscher Soldaten bei den Awacs-Aufklärungsflügen der NATO über der Türkei vor und während des Irak-Krieges im Frühjahr 2003 verfassungswidrig gewesen. Wegen der "politischen Dynamik eines Bündnissystems" sei es umso bedeutsamer, dass die "größer gewordene Verantwortung für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte in der Hand des Repräsentationsorgans des Volkes liegt", heißt es in dem Urteil. Dem Bundestag obliege "die Verantwortung für den bewaffneten Außeneinsatz der Bundeswehr". Es bestehe hier gerade kein eigenverantwortlicher Einscheidungsspielraum der Bundesregierung. Der Parlamentsvorbehalt sei Teil der Gewaltenteilung. Insofern sei die Bundeswehr ein "Parlamentsheer".

Damit hatte eine Klage der FDP-Bundestagsfraktion Erfolg. Der Zweite Senat stellte fest, dass die rot-grüne Regierung mit ihrem eigenmächtigen Vorgehen "das Recht des Parlaments verletzt" hat. Der Awacs-Einsatz dauerte vom 26. Februar und bis 17. April 2003. Der Irak-Krieg begann am 20. März 2003.

Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte für den Einsatz nicht die Zustimmung des Bundestages eingeholt, weil die Flugzeuge über der Türkei "nur Routineflüge" unternähmen. Der Einsatz sei "keine Beteiligung an einer bewaffneten Auseinandersetzung" gewesen, sondern habe verhindern sollen, dass die Türkei in den Irak-Krieg hineingezogen werde, argumentierte die Regierung. Nach Auffassung der FDP-Fraktion war der Awacs-Einsatz jedoch "bewaffneter Beistand".

Nach Auffassung der Karlsruher Richter bestanden "greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine drohende Verstrickung in bewaffnete Auseinandersetzungen". Der Einsatz habe nicht nur der Abschreckung gedient. Die Überwachung des türkischen Luftraums habe "von Beginn an einen spezifischen Bezug zu einer möglichen militärischen Auseinandersetzung mit dem Irak" gehabt.

Das Gericht präzisierte, dass ein zustimmungsbedürftiger Einsatz bewaffneter Streitkräfte dann vorliegt, "wenn deutsche Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind". Dabei komme es nicht darauf an, ob es schon ein Kampfgeschehen gebe. Es müssten lediglich greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Einsatz "in die Anwendung von Waffengewalt münden" könne und dies "unmittelbar zu erwarten" sei. Das sei etwa der Fall, "wenn deutsche Soldaten Waffen mit sich führen und ermächtigt sind, von ihnen Gebrauch zu machen".

"Eskalationspotenzial"

Der Einsatz bewaffneter Gewalt berge auch "ein politisches Eskalationspotenzial", heißt es in dem Urteil. "Jeder Einsatz kann von der begrenzten Einzelaktion in eine größere und länger währende militärische Auseinandersetzung münden, bis hinein in einen umfänglichen Krieg", betonte der Zweite Senat.

In dem Urteil heißt es, dass ohne parlamentarische Zustimmung ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte "grundsätzlich nicht zulässig" sei. Nur ausnahmsweise - bei Gefahr im Verzug - sei die Bundesregierung berechtigt, "vorläufig den Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu beschließen", um die Wehr- und Bündnisfähigkeit Deutschlands nicht in Frage zu stellen. Die Regierung müsse dann aber "das Parlament umgehend mit dem so beschlossenen Einsatz befassen und die Streitkräfte auf Verlangen des Bundestages zurückrufen".

(AZ: 2 BvE 1/03 - Urteil vom 7. Mai 2008)

Van Essen: Die FDP-Bundestagsfraktion hätte den Awacs-Einsatz "uneingeschränkt mitgetragen"

"Diese Entscheidung dient unserem Land, sie dient vor allem aber unseren Soldaten", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Jörg van Essen am 7. Mai in Karlsruhe. Mit dem Urteil sei sichergestellt, dass auch in Zweifelsfällen Einsatzentscheidungen der Bundeswehr sorgfältig begründet und behandelt werden müssten, so van Essen. "Die FDP hat damit zum zweiten Mal nach 1994 mit einem Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht für die Stärkung der Bundeswehr als Parlamentsarmee gesorgt."

Die Beteiligung des Parlaments an dem damaligen Einsatz wäre nicht nur eine Frage des Vertrauens der Soldaten in die Verfassungsorgane gewesen, sagte van Essen. Ein positives Parlamentsvotum, "das von der FDP-Bundestagsfraktion uneingeschränkt mitgetragen worden wäre", hätte vielmehr für die nötige Rechtssicherheit gesorgt. "Es darf bei Kampfeinsätzen keine rechtlichen Grauzonen geben", so van Essen.

Für die Liberalen sei die Entscheidung Karlsruhes auch deswegen so wichtig, weil insbesondere aus den Reihen der Union immer wieder Vorstöße kommen, welche das Parlament in seiner Mitwirkung zurückdrängen sollen, so van Essen. Dazu gehöre auch der aktuelle Vorschlag zur Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates, bei dem nach US-Vorbild das Entscheidungs- und Kompetenzzentrum bei der Regierung angesiedelt werden soll. Auch sollten nach dem neuen Sicherheitskonzept der Unions-Fraktion kurzfristige Auslandseinsätze auch ohne Bundestagsbeschluss ermöglicht werden.

Westerwelle: Absage an Überlegungen, aus der Parlamentsarmee eine Regierungsarmee zu machen

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, dass damit auch allen Überlegungen eine Absage erteilt wurde, aus der Parlamentsarmee eine Regierungsarmee zu machen. "Das Prinzip der Parlamentsarmee ist durch das Verfassungsgericht zwingend geschützt", so Westerwelle. Damit hätten auch die Unionspläne für ein neues Sicherheitskonzept eine klare Abfuhr erhalten.

"Militärische Einsätze im Ausland sollen nicht zum täglichen Geschäft einer Regierung werden", so Westerwelle. Tendenzen wie unter Rot-Grün und jetzt seitens der Union, den Parlamentsvorbehalt "aufzuweichen" sei mit der Entscheidung der Karlsruher Richter ein klarer Riegel vorgeschoben. Diese "positive Hürde" binde die gesamte Staatsgewalt auch für die Zukunft.