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1. Mai: In Berlin-Kreuzberg wieder Straßenrandale befürchtet

1. Mai

Umgestürzte Autos, geplünderte Geschäfte und brennende Barrikaden - das gehört in Berlin-Kreuzberg seit 1987 zum Gewaltritual des 1. Mai. Schaufensterscheiben gehen zu Bruch, Blaulichter überall, Polizeisirenen heulen, und aus Megaphonen werden Parolen geplärrt. Die Anwohner sind es leid, dass ihr Kreuzberger Kiez, der hier nach der alten Postleitzahl SO 36 genannt wird, alle Jahre wieder die Kulisse für Straßenschlachten abgibt. Noch immer sind nicht alle Spuren der Ausschreitungen vom vergangenen Jahr beseitigt. An die Häuserwände ist "Bullen raus aus Kreuzberg" geschmiert. Auch die Parole "Schmeißt Steine auf die Bullenschweine" wurde schon gesichtet.

Bisher konnte die Polizeiführung weder mit einem Deeskalationskonzept noch mit demonstrativer Präsenz oder ihrem AHA-Konzept "Aufmerksamkeit, Hilfe, Appell" die Randale verhindern. Ganz neue Wege wollte in diesem Jahr das Bürgerbündnis "Denk Mai Neu" um den Politologieprofessor Peter Grottian gehen. Mit einer Politgroßveranstaltung wollte er die Spirale der Gewalt stoppen. Letztlich scheiterte Grottian an seiner Forderung nach einem polizeifreien Raum.

Auf jeden Fall aber lösten Grottian und seine Bürgerinitiative eine breite Diskussion aus. "Auch wenn sich jetzt auf beiden Seiten noch eher die alten Handlungsmuster durchzusetzen scheinen, haben wir trotzdem alternative Ansätze ins Gespräch gebracht", tröstet sich der Politologe. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hofft, dass nach der breiten öffentlichen Debatte in diesem Jahr mehr Bürger bei Gewalt nicht einfach wegsehen. Er meint, dass viele Menschen ermuntert seien, sich gegen Gewalt zu engagieren. Die Polizei jedenfalls soll zurückhaltend auftreten und von einer "demonstrativen Präsenz"

absehen, kündigte der Senator an. Die Polizei werde mit starken Kräften vor Ort sein, "aber wir wollen nicht aufmuskeln".

Die autonome Szene bereitet sich derweil auf neuerliche Krawalle vor. Auf einem Wochenmarkt wurden schon Katapulte verkauft, und im Internet gibt es praktische Ratschläge für die Straßenkämpfer: "Geht ihr auf die Straße, ist es verdammt wichtig, sich bei Tätigkeiten gewisser Art zu vermummen, also dein Gesicht möglichst unkenntlich zu machen (Tuch und Basecap oder so)." Die Fahndungsplakate im vergangenen Jahr hätten gezeigt, dass Polizeikameras laufen, "auch wenn du sie nicht siehst (in den Wasserwerfern sind übrigens auch Kameras)".

Die Kreuzberger selbst bereiten sich auf ihre Weise auf den Tag der Arbeit vor. Nirgends sonst in Berlin sind so viele Geschäfte, Supermärkte und Kneipen mit stählernen Gittern und eisernen Rollläden ausgestattet wie in SO 36. Einige Wirte wollen am 1. Mai nur Stammgäste einlassen. Wer einen Wagen hat, parkt ihn möglichst weit weg von Kreuzberg. Und wer irgend kann, verbringt den Tag anderswo, mit einem Ausflug oder einer Kurzreise oder im Kleingarten.

Der Innensenator selbst glaubt wohl auch nicht so recht, dass es in diesem Jahr ausnahmsweise friedlich bleiben könnte. Er vertraute Journalisten an, dass er sich für den 1. Mai "zwölf Stunden Dauerregen" wünscht - in der Hoffnung, dass dies die erhitzten Gemüter abkühlen werde. Der Wetterbericht verspricht dagegen Frühlingstemperaturen von 20 bis 22 Grad und Regen erst am Abend.