Januar 2005
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Junge Politiker parteiübergreifend für neue Umverteilungspolitik
Angesichts des dramatischen Anstiegs der Kinder- und Jugendarmut in Deutschland fordern junge Politiker parteiübergreifend eine neue Umverteilungspolitik. Die Vorsitzenden der Jugendverbände von SPD, Union, Grünen und FDP setzten sich in der "Berliner Zeitung" (Samstagausgabe) für eine deutliche Erhöhung der Bildungs- und Familienausgaben ein.
Drei Jahre nach Massaker an Moslems sind Tausende Täter weiter frei
Fast drei Jahre nach den blutigen Ausschreitungen im westindischen Gujarat sind die Verantwortlichen noch immer auf freiem Fuß. Mehr als 2000 Menschen fielen der Gewalt am 27. Februar 2002 und an den folgenden Tagen zum Opfer. Insbesondere muslimische Frauen waren Ziel der Übergriffe. Mehrere hundert Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, schwer verstümmelt und, teilweise lebend, verbrannt. In einem am Freitag veröffentlichten Bericht wirft Amnesty International (ai) der von der Hindu-nationalistischen BJP-Partei geführten Regierung von Gujarat und der damaligen indischen Bundesregierung vor, die Ausschreitungen zum Teil bewusst provoziert zu haben.
Schröder möchte über Steuer auf Finanztransaktionen diskutieren
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Vorschlag des französischen Präsidenten Jacques Chirac unterstützt, eine Steuer auf internationale Finanztransaktionen zu erheben. Der Vorstoß orientiert sich an der von Globalisierungskritikern immer wieder geforderten "Tobin-Steuer", die nach ihrem Erfinder, dem Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin, benannt ist. Wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf Regierungskreise schreibt, befürwortet Schröder, den Vorschlag im Kreise der G-7-Industrienationen "zu diskutieren". Einer sinnvollen Belastung von internationalen Finanzströmen stehe der Kanzler aufgeschlossen gegenüber, um spekulativen Devisenhandel zu bekämpfen, schreibt die Zeitung. Regierungssprecher Thomas Steg und der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Jörg Müller, betonten unterdessen, dass eine solche Steuer nur "eine Möglichkeit" zur Finanzierung globaler Entwicklungsziele darstelle.
"Deutsche müssen sich nicht schuldig fühlen"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hält die Frage nach der Schuld der Deutschen für den Holocaust für falsch gestellt. "Da die meisten in Deutschland lebenden Menschen nach dem Krieg geboren sind, besteht für sie gar kein Anlass, irgendwelche Schuldgefühle zu haben", sagte Spiegel der "Westdeutschen Zeitung" in Düsseldorf.
Schnäppchen-Urlaub auf Kosten fairer Lebenschancen
Tourismusbranche und Medien erwecken den Anschein, dass man den Menschen in Thailand, Indien und Sri Lanka schon mit einem Pauschalurlaub in die Regionen helfen kann, kritisierte der Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), Konrad von Bonin. Diese Debatte sei jedoch nicht ehrlich und schade mehr als sie helfe. Mit Sonderpreisen und Spendenwerbung setze die Reisebranche das Geschäft fort, ohne aus der Krise zum Vorteil von Mensch und Natur zu lernen. Dabei wären die Folgen von Torurismus in vielen Fällen alles andere als unproblematisch. Mit einem überhasteten, unkontrollierten Wiederaufbau von Hotelzentren könnten nun die Chancen für einen sozial verantwortlichen und umweltverträglichen Neuanfang verwirkt werden. Genau dieses vorschnelle Handeln befürchtet der Evangelische Entwicklungsdienst nun angesichts der Ankündigung der Reisebranche, ab 1. Februar wieder alle touristischen Ziele anzusteuern.
Bundeswehr privatisiert Wartung der Waffensysteme des deutschen Heeres
Die Waffensysteme des Heeres werden künftig von einem privat geführten Industriekonsortium gewartet und einsatzfähig gehalten. Einen entsprechenden Großauftrag im Wert von 1,1 Milliarden Euro bestätigte am Donnerstag der Rheinmetall-Konzern in Düsseldorf, der an der neuen Heeresinstandhaltungslogistik GmbH (HIL) maßgeblich beteiligt sein wird. Im Jahr 2002 spendete die Rheinmetall DeTec AG 20.000 Euro an die SPD, 17.000 Euro an die CDU und 14.000 Euro an die FDP. Zahlen aus den Jahren 2003 und 2004 hat der Deutsche Bundestag noch nicht veröffentlicht.
EU-Kommissarin will "Reform" der EU-Beihilfen mit unklarem Ziel
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hat mit Äußerungen zu Beihilfen für Ostdeutschland für Verwirrung gesorgt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums in Berlin betonte am Mittwoch, eine Abkehr von der jetzigen Beihilfepraxis zugunsten der ostdeutschen Länder wäre für die Bundesregierung "nicht akzeptabel". Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, er wolle sich in Brüssel für die Beibehaltung der EU-Beihilfen zugunsten Ostdeutschlands stark machen. Kroes' Sprecher stellte klar, dass entgegen anderslautenden Meldungen keine Einschnitte bei den Beihilfen für die ostdeutschen Bundesländer geplant seien. Kroes hatte gesagt: "Wir müssen uns fragen, ob wir die armen Gebiete in einem reichen Land weiter fördern." Ihr Sprecher stellte klar, Kroes habe damit nicht gesagt, dass Ostdeutschland seine Ansprüche verlieren werde. Geplant sei eine "umfassende Reform" der Beihilfenvergabe.
Studiengebühren DDR: Studenten hatten keine Finanzsorgen
Studenten in der DDR kannten kaum finanzielle Sorgen. Studiengebühren gab es nicht, ein Stipendiensystem sorgte für das Auskommen. Mit der Stipendienverordnung von 1981 entfiel auch die Orientierung an der sozialen Herkunft und am Einkommen der Eltern. Das Grundstipendium betrug in der DDR 200 Mark im Monat. Wer mindestens drei Jahre Wehrdienst geleistet hatte, bekam 300 Mark. 280 Mark gab es für jene, die schon drei Jahre im Beruf gearbeitet hatten. Studenten mit Kindern erhielten für jedes Kind 50 Mark zusätzlich. Berlin-Studenten konnten sich über 15 Mark Aufschlag im Monat freuen.
Länder dürfen Studiengebühren einführen
Die Bundesländer dürfen künftig allgemeine Studiengebühren an den Hochschulen einführen. Das Bundesverfassungsgericht hob am Mittwoch das von der Bundesregierung erlassene Studiengebührenverbot auf und erklärte die entsprechende gesetzliche Regelung für nichtig. Dem Bund fehle dafür "jedenfalls gegenwärtig das Gesetzgebungsrecht", sagte Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer. Studentenorganisationen kündigten bereits bundesweit massive Protestaktionen an.
Staatliches Museum Schwerin zeigt Sonderschau zu Carel Fabritius
Die Schweriner "Torwache" bekommt Gesellschaft aus Europa und Übersee. Das Gemälde des Rembrandt-Schülers Carel Fabritius ist ein auch international bekanntes Erkennungszeichen des Staatlichen Museums Schwerin. Das Bildnis eines müden Soldaten und eines kleinen Hundes gehört zu den herausragenden Werken des im Alter von nur 32 Jahren bei einem Unglück ums Leben gekommenen Malers (1622-1654). Fabritius zählt zu den bedeutendsten holländischen Künstlern des 17. Jahrhunderts.
Von Siemens bezahlte Politikerin legt wichtigste politische Ämter nieder
Die von Siemens co-finanzierte FDP-Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach legt ihre wichtigsten politischen Ämter nieder. Sie trete wegen der Affäre um Nebenverdienste mit sofortiger Wirkung von ihrem Vorsitz im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie von ihrem Amt als stellvertretende Vorsitzende des FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zurück, teilte Flach am Montag in Berlin mit. In einer Rede hatte sich Flach ganz im Sinne von Siemens für die Förderung deutscher Kraftwerkshersteller und für die Atomenergie eingesetzt.
Freizeitpark soll für Gentechnik werben
Der geplante Freizeitpark "Bioscope" im Elsaß steht bei Naturschutz- und gentech-kritischen Vereinen in Verdacht, nur Fassade für ein Werbezentrum für Gentechnik zu sein. Ein Zusammenschluss aus dem BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein, dem "Basler Appell gegen Gentechnologie" und dem Aktionsbündnis "Gentechnik-freie Region Oberrhein" weist auf eine frühe Projektbeschreibung hin, in der das Ziel formuliert worden sei, "die Sorgen der Bürger über die Fortschritte im Biotechbereich aus dem Weg räumen (wachsende Angst vor den Genmanipulationen)". Der Bau des Freizeitparks hat vor wenigen Wochen begonnen.
Antidiskriminierungsgesetz im Bundestag beraten
Der Bundestag hat am Freitag in der ersten Lesung über das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) beraten. Während die EU nur ein zivilrechtliches Diskriminierungsverbot aufgrund "der Rasse" und der ethnischen Herkunft verlangte, weitete die Bundesregierung in ihrem Entwurf die Verbote auf Diskriminierung wegen Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität und Geschlecht aus. Während der Sozialverband Deutschland und Pro Asyl den Gesetzentwurf begrüßten, kritisierte der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) Anton Börner, die Bundesregierung schieße mit der Umsetzung der EU Richtlinie erheblich über das Ziel hinaus. Pro Asyl forderte die Bundesregierung allerdings auf, auch gegen diskriminierende Gesetzes vorzugehen. Zudem sei der Begriff der "Rasse" im Gesetz nicht akzeptabel.
Primärenergieverbrauch in Deutschland lag 2004 auf Vorjahresniveau
Der Primärenergieverbrauch in Deutschland blieb nach ersten Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im Jahr 2004 - trotz eines gesamtwirtschaftlichen Wachstums von 1,7 Prozent - mit rund 493 Mill. t SKE (14438 PJ) auf dem Niveau des Vorjahres. Der Mineralölverbrauch unterschritt mit rund 179 Mill. t SKE nur knapp die Vorjahresmenge. Die Entwicklung verlief bei den einzelnen Produkten unterschiedlich.
Patent auf Brustkrebsgen teilweise eingeschränkt
Das Patent EP 0705 902 auf das so genannte Gen für Brustkrebs BRCA1 wurde am Donnerstag vom Europäischen Patentamt in München eingeschränkt. Während ursprünglich das gesamte Gen patentiert war, sind jetzt nur noch spezifische Genabschnitte betroffen, die in der Diagnose von erblichem Brustkrebs verwendet werden. Nach Ansicht von beteiligten Humangenetikern führt die Einschränkung dazu, dass die Gefahr einer umfassenden Monopolisierung der diagnostischen Verfahren in Europa dadurch erheblich reduziert ist.
Unabhängige Untersuchung der Folterskandale von Bush gefordert
In einem ausführlichen Schreiben hat amnesty international (ai) den US-Präsidenten anlässlich seiner zweiten Amtseinführung an seine Worte vom 26. Juni 2003 erinnert: "Überall, wo sie vorkommt, tritt Folter die Menschenwürde mit Füßen. Wir wollen eine Welt errichten, in der Menschenrechte respektiert und durch das Gesetz geschützt werden .... Die USA bekennen sich zur Abschaffung der Folter weltweit und wir führen diesen Kampf durch unser Beispiel an."
Ratgeber "Essen ohne Gentechnik" mit Schwerpunkt Molkereiprodukte
Die Kühe der Unternehmensgruppe "Theo Müller" fressen gentechnisch verändertes Futter. Unter anderem das veröffentlicht die Umweltorganisation Greenpeace in einer neuen Auflage ihres Einkaufsratgebers "Essen ohne Gentechnik". Der Ratgeber informiert Verbraucher, ob Lebensmittelhersteller bei der Herstellung von Milch, Eiern und Fleisch genmanipulierte Futterpflanzen einsetzen oder nicht. Neu wurden in dem Heftchen Milchhersteller aufgenommen: Gentechnikfrei sei die Milch von der "Andechser Molkerei Scheitz" und dem Schweizer Milchkonzern "Emmi". Das Unternehmen "Genetic ID" prüfe, ob die Milch völlig Gentechnik frei ist.
Bei Lebensmitteln wird gestrickst und getäuscht
Die "Illusion", sämtliche Lebensmittel seien zu Discount-Preisen zu bekommen, beruht auf weit verbreiteter Verbrauchertäuschung. Das meint der Verbraucherzentralen-Bundesverband (vzbv). Anlässlich der Eröffnung der Internationalen Grünen Woche in Berlin kritisierte vzbv-Vorstand Edda Müller am Mittwoch, viele Kennzeichnungen hielten nicht, was sie versprechen. Eine steigende Zahl von Verbrauchern lege beim Lebensmittelkauf auf besondere Qualitäten Wert. Deshalb versuchten Warenhersteller die Verbraucher in die Irre zu führen. Den Verbrauchern zunehmend wichtige Aspekte seien beispielsweise eine sozial-, tier- oder umweltgerechte Herstellung. Auch Herkunft und regionale Verankerung zählten dazu. Vor allem bei den beiden letzten Kriterien sowie bei der Tierhaltung werde getäuscht, so der Verbraucherzentralen-Bundesverband.
Deutschlands Reichtum nimmt weiter zu
Die in Deutschland produzierten Güter und Dienstleistungen nehmen von Jahr zu Jahr zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent zugelegt. Die Prognosewerte von 1,5 Prozent etwa des Sachverständigenrats (Jahresgutachten 2003) und des Frühjahrsgutachtens 2004 (Gemeinschaftsgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute) wurden damit in der Realität übertroffen, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website. Ausschlaggebend sei ein Anstieg der Exporte von 8,2 Prozent gewesen, der deutlich über den Importzuwächsen (5,7 Prozent) gelegen habe. Der Außenbeitrag (Saldo: Exporte - Importe) habe demnach noch zugenommen.
Arbeitsplätze Einheimischer nur selten durch illegale Zuwanderer gefährdet
Illegale Einwanderer stellen kaum eine Bedrohung für die Arbeitsplätze Einheimischer dar. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Dies liege vor allem daran, dass ilegale Beschäftigung nur in wenigen Bereichen lohnenswert sei. In Deutschland betreffe das vor allem den Bausektor und private Haushalte. Gerade in Privathaushalten würden Illegale jedoch keine einheimischen Arbeitnehmer verdrängen. Internationale Studien legten nahe, dass die volkswirtschaftlichen Effekte illegaler Migration nicht eindeutig negativ seien. Die Wissenschaftler beklagen allerdings einen zu geringen Kenntnisstand über illegale Einwanderung nach Deutschland: "Politik operiert heute auf einer Basis großer Ungewissheit, und es wäre dringend erforderlich, durch klug konzipierte Forschungsanstrengungen unsere Wissensbasis zu erweitern und gleichzeitig politische Interventionen stärker auf ihre Wirkungen hin zu überprüfen", fassen die Autoren zusammen.