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Krankenkassen sparen an künstlicher Nahrung für krebskranke Kinder

Gesundheitsreform

Krebspatienten, die sich auf natürlichem Wege nicht mehr ausreichend ernähren können, droht künftig eine lebensbedrohende Zwangsdiät. Sie müssen erst einmal kräftig abhungern, bevor ihr Arzt ihnen mit künstlicher Ernährung wieder auf die Beine helfen darf, kritisierte der Vorsitzende von der Patientenvertretung Recht auf Essen und Leben e.V., Armin Nentwig, am Freitag in Amberg. Schuld seien neue Erstattungsregelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, in dem Vertreter von Ärzten und Krankenkassen festlegen, was die Kassen den Versicherten künftig in der Pflege zu Hause oder in Heimen noch erstatten dürfen. "Noch schlimmer sieht es für mangelernährte krebskranke Kinder aus", betonte Monika Boeckmann, Sprecherin der Selbsthilfegruppe "Eltern mit neurologisch kranken und behinderten Kindern". Der Gemeinsame Bundesausschuss habe die Kinder bei der Neuregelung der künstlichen Ernährung in der vierzigseitigen Vorschrift schlichtweg vergessen.

In der Neuregelung sei ausdrücklich nur von Erwachsenen die Rede. "Die Widersprüche und Fehler in der Vorlage des Gemeinsamen Bundesausschusses sind sehr bedenklich", unterstreichen Nentwig und Boeckmann. Gehe es nach dem Willen des Gemeinsamen Bundesausschusses darf der Arzt künftig Krebskranken erst bei einem Body-Mass-Index (BMI) unter 21 - nach Ausschöpfung aller anderen Mittel - Trink- oder Sondennahrung verordnen.

Was dies bedeutet, macht ein Beispiel deutlich: Wenn ein 65 Jahre alter, 1,70 Meter großer und 80 Kilogramm schwerer Mann an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt, hat er einen BMI von 27,7. Verliert er etwa infolge von Appetitlosigkeit und Übelkeit während einer Chemotherapie rasch an Gewicht, darf er erst mit künstlicher Ernährung stabilisiert werden, wenn er fast 20 Kilogramm abgenommen hat. Ein Gewichtsverlust von 25 Prozent ist nach übereinstimmender Auffassung von Ernährungsmedizinern in dieser Situation untragbar.

Bei vielen Krebspatienten wird die Erkrankung erst aufgrund eines unerklärlichen Gewichtsverlustes diagnostiziert. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 20 Prozent der Krebskranken nicht an der Grunderkrankung, sondern an Folgen einer Mangelernährung sterben. Oft ist der Energie- und Eiweißumsatz derart gesteigert, dass Fettspeicher und insbesondere Muskelmasse abgebaut werden - was später kaum noch rückgängig gemacht werden kann. Umso wichtiger sei es, frühzeitig gegenzusteuern - was den Ärzten nun verwehrt ist, betonte Nentwig.

Ungeklärt sei auch, wie sich ein Arzt verhalten soll, wenn der Patient mit Hilfe der Ernährungstherapie wieder zunimmt und über Grenzwert von BMI 21 rutscht. Muss der Arzt dann die Therapie abbrechen und warten bis der Patient wieder abgenommen hat? Wegen all dieser ungeklärten Fragen hofft der Verein "Recht auf Essen und Leben" auf die Hilfe des Bundesgesundheitsministeriums. "Das Ministerium hat bereits zwei Mal Angriffe der Krankenkassen auf unsere Patientengruppen abgewehrt. Wir appellieren an Ministerin Ulla Schmidt und ihren Staatssekretär Klaus Theo Schröder, erneut hart zu bleiben!", unterstrichen Nentwig und Boeckmann.