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Über Bad Bank und Hinterlassenschaften der Atomwirtschaft

Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt erklärt

Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt erklärt zu bisherigen Erfahrungen mit der Finanzierung von Hinterlassenschaften der Atomwirtschaft: „Wenn jetzt über eine ‚Bad Bank‘ mit beschränkter Haftung der Stromkonzerne diskutiert wird, dann ist es hilfreich, sich einmal die bisherigen Erfahrungen mit der Abwicklung von Atomprojekten anzusehen. Wir stellen fest: Üblich ist, dass die Kosten explodieren. Üblich ist auch, dass die Atomwirtschaft nur sehr begrenzt oder gar nicht haftet und die Abrisskosten auf den Staat abgewälzt werden. Deshalb warnen wir davor, jetzt eine Rechtskonstruktion zu wählen, die die Haftung der AKW-Betreiber begrenzt und am Ende für die Steuerzahler teuer wird.“

Drei Beispiele als Hintergrund zur Debatte um eine „Bad Bank“

Beispiel 1: Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK)

Im Hardtwald bei Karlsruhe probte die Atomindustrie von 1971 bis 1990 die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente. Die dabei anfallende hochradioaktive „Atomsuppe“ wurde in Tanks auf dem Gelände gelagert, die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wanderten ins „Versuchsendlager“ Asse oder liegen im benachbarten Zwischenlager.

Für den Rückbau der WAK und die Entsorgung der hochradioaktiven Atomsuppe veranschlagten die Betreiber 1991 Kosten von 1,9 Milliarden DM (970 Mio. Euro). Offiziell übernahm die Industrie mit 1 Milliarde DM (511 Mio. Euro) davon sogar den größeren Teil – allerdings als Festpreis. Alle Kostensteigerungen fallen somit allein zu Lasten des Staats und damit der SteuerzahlerInnen.

Schon Mitte der 1990er Jahre war klar, dass die 1,9 Milliarden DM bei Weitem nicht ausreichen. Denn allein um bloß die „Atomsuppe“ transport- und lagerfähig zu machen, musste eine eigene Verglasungsanlage errichtet (und nun wieder abgerissen) werden. Bis heute ist unklar, was mit dem hochradioaktiven Bodensatz passieren soll, der beim Abpumpen der Atomsuppe in den Tanks zurückblieb. Und weder für die verglaste Atomsuppe, die nun im Zwischenlager Lubmin vor sich hin strahlt, noch für die Unmengen schwach radioaktiver Abfälle gibt es ein Endlager.

2005 wurden die Kosten für den Abriss der WAK und die Lagerung des Atommülls bereits auf 1,9 Mrd. Euro (!) geschätzt. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium konstatierte damals nach erfolglosen Nachverhandlungen: „Eine Veränderung der Kostenbeteiligung der Industrie über den 1991 vertraglich vereinbarten Rahmen hinaus lässt sich nicht durchsetzen“. 2007 waren die Kosten bereits auf 2,63 Milliarden Euro, 2011 dann auf knapp 2,9 Milliarden Euro gestiegen – also mehr als das Dreifache des ursprünglich angenommenen Betrags. Der Abriss soll noch bis 2023 dauern. Wie viele Milliarden die SteuerzahlerInnen am Ende für die radioaktiven Hinterlassenschaften des Wiederaufarbeitungs-Experiments zahlen müssen, ist offen. Klar ist nur: Die Atomindustrie ist fein raus.

Beispiel 2: Thorium-Hochtemperaturreaktor Hamm-Uentrop (THTR)

Der Thorium-Hochtemperaturreaktor im nordrhein-westfälischen Hamm, gedacht als Prototyp eines kommerziellen Kugelhaufenreaktors, war von 1983 bis 1989 in Betrieb, aber wegen technischer und wirtschaftlicher Probleme lediglich sporadisch. Die Betreibergesellschaft HKG, ein Zusammenschluss mehrerer Energieversorgungsunternehmen unter Führung von VEW (heute RWE), drohte 1989 zunächst erfolgreich mit Insolvenz, um weitere Millionenzuschüsse des Staates zu erpressen. Kurz darauf beschlossen die Anteilseigner die Stilllegung des Reaktors. Die Rücklagen für den Abriss der Anlage und die Lagerung des Atommülls waren niemals ausreichend, ein Haftungsdurchgriff auf die Eigentümer die Rechtskonstruktion der Gesellschaft ist aber so gut wie ausgeschlossen, weil die HKG als Rechtsform eine GmbH gewählt hat.

2030 soll mit dem Abriss begonnen werden. Wenn alles gut läuft, soll er 2045 abgeschlossen sein. Ende 2012 wurden die Kosten für den Rückbau der Anlage und die Atommüll-Lagerung auf 735 Millionen Euro geschätzt. Die HKG verfügte damals noch über Eigenmittel in Höhe von 41,5 Millionen Euro.

Beispiel 3: „Versuchsendlager“ Asse II

Im ehemaligen Salzbergwerk „Asse II“ bei Wolfenbüttel liegen rund 125.000 zum Teil undichte Fässer mit Atommüll. In die Stollen dringt Wasser ein, Salzlauge kommt mit Atommüll in Kontakt, das einst als „säkular sicher“ bezeichnete gut 40 Jahre alte „Versuchsendlager“ ist akut einsturzgefährdet. Das Bundesamt für Strahlenschutz rechnete 2009 mit Kosten von bis zu 2,5 Milliarden, 2010 dann mit bis zu 4 Milliarden Euro für die Sicherung und Bergung des Atommülls sowie eine ordnungsgemäße Stilllegung der Grube.

Die Atomindustrie nutzte das sogenannte „Versuchsendlager“ jahrelang als billige Müllhalde; unter anderem erfand sie dort das besonders kostengünstige „Abkippverfahren“, bei dem die Fässer nicht mehr gestapelt, sondern einfach einen Hang hinabgekippt wurden.

75 Prozent der in der Asse lagernden Radioaktivität stammt aus Atomkraftwerken. SPD und CDU schrieben dennoch 2009 ins Atomgesetz, dass für die Bergungs-, Stilllegungs- und Sanierungskosten allein der Bund aufkommen soll, also alle SteuerzahlerInnen.