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Volksentscheide auf Bundesebene sollen noch vor den Wahlen kommen

Rot-Grüne Planungen

Die Bürger sollen künftig die Politik auf Bundesebene direkter mitbestimmen können. Die rot-grüne Koalition stellte am Donnerstag in Berlin einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im Bund vor, der noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Da für diesen Schritt die Verfassung geändert werden muss, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit und damit die Zustimmung der CDU notwenig, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller. Die Union zeigte sich skeptisch über die rot-grünen Pläne.

Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Stufen der Bürgerbeteiligung vor: Mindestens 400.000 Stimmberechtigte können mit einer Volksinitiative einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen. Hat das Parlament diesen Gesetzentwurf nicht innerhalb von acht Monaten verabschiedet, kann ein Volksbegehren eingeleitet werden. Dieses müssen fünf Prozent der Stimmberechtigten (rund drei Millionen Bürger) innerhalb von sechs Monaten unterstützen.

Ist das Volksbegehren erfolgreich, findet innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid statt. Dieser führt zu einem Gesetz, wenn ihm die Mehrheit der Stimmberechtigten bei einer Beteiligung von mindestens 20 Prozent zugestimmt hat. Bei verfassungsändernden Gesetzen ist ein Beteiligungsquorum von 40 Prozent sowie eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorgesehen.

SPD-Fraktionschef Peter Struck bezeichnete es angesichts der Haltung der Union als fragwürdig, ob das Gesetz noch bis zur Sommerpause verabschiedet werden kann. In erster Lesung soll der Entwurf in der kommenden Woche im Bundestag beraten werden.

Müller sagte, Umfragen hätten ergeben, dass 85 Prozent der Deutschen die Einführung dieser repräsentativen Entscheidungsmöglichkeiten befürworten. In anderen Ländern Europas seien Volksentscheide bereits bewährte Praxis. "Wir wollen die Demokratie auf breitere Beine stellen", sagte die Grünen-Fraktionschefin. Sie betonte, dass die Volksgesetzgebung die parlamentarische Demokratie nicht ersetze. Bestimmte Themen wie etwa die Wiedereinführung der Todesstrafe seien ausgeschlossen.

Die Unionspolitiker Erwin Marschewski (CDU) und Norbert Geis (CSU) erklärten indes, "derart einschneidende Gesetzesänderungen" dürften nicht auf den letzten Drücker durchgepeitscht werden. Zudem seien die Eckpunkte des rot-grünen Gesetzentwurfs "völlig inakzeptabel". Da für einfache Gesetze die Zustimmung von nur zehn Prozent der Wahlberechtigten ausreichen sollten, führten die rot-grünen Pläne zu einer "Herrschaft von Minderheiten". Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) hielt den Gesetzentwurf in erster Linie für ein wahltaktisches Manöver. Diese Vermutung äußerte auch FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper.

Dagegen begrüßte das 81 Verbände umfassende Bündnis "Menschen für Volksabstimmung" den Vorstoß. Die Vorstandssprecherin von "Mehr Demokratie", Claudine Nierth, sagte, eine Ablehnung des Volksentscheids "wäre Misstrauensvotum gegenüber den Menschen in unserem Land".