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Datenschützer kritisieren Biometrie-Pässe ab November als "Großversuch"

Unsicher

Reisepässe sollen ab 1. November biometrische Daten enthalten. Das kündigte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am Mittwoch in Berlin an. Die Pässe sollen in einem kontaktlos auslesbaren Chip zunächst Gesichtsmerkmale speichern. Ab 2007 sollen zusätzlich zwei Fingerabdrücke auf dem Chip gespeichert werden. Der Preis der Pässe steigt von jetzt 26 auf 59 Euro. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder warnten vor einer überstürzten Ausgabe der neuen Pässe. Wesentliche Fragen der technischen und organisatorischen Sicherheit sowie des Datenschutzes seien noch nicht geklärt. Erst wenn hierzu befriedigende Antworten gefunden würden, eine Änderung des Passgesetzes erfolgt sei und dort eine strenge Zweckbindung der Passdaten festgelegt wurde, dürfe mit der Ausgabe von Biometriepässen begonnen werden. Der geplante frühzeitige Start sei ein "Großversuch" an der Bevölkerung. Scheinbar besonders sichere Ausweisdokumente würden durch den Einsatz unsicherer biometrischer Verfahren gar zu einem Risikofaktor.

Schily will mit den neuen Pässen besser gegen Fälscher vorgehen. 2002 habe der Bundesgrenzschutz bei 7700 Kontrollen 290 gefälschte und 400 manipulierte EU-Pässe entdeckt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 will Schily durch die Aufnahme biometrischer Daten dem Terrorismus vorbeugen. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass sich einerseits Terroristen in der Regel legal und mit ordnungsgemäßen Papieren bewegen und es andererseits recht einfach ist, an Original-Ausweisdokumente auf falschen Namen zu kommen.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder kritisierte die Pläne Schilys zur Einführung biometrischer Ausweisdokumente massiv. Es sei bedauerlich, dass die Einführung dieser Pässe beschlossen worden sei, ohne die Chancen und Risiken der Technik ausreichend zu diskutieren.

Die Datenschützer stellten fest, dass die Einführung biometrischer Merkmale nicht automatisch zur Verbesserung der Sicherheit führe. Noch immer wiesen manche biometrische Identifikationsverfahren hohe Falscherkennungsraten auf und seien oft mit einfachsten Mitteln zu überwinden. Scheinbar besonders sichere Ausweisdokumente würden durch den Einsatz unsicherer biometrischer Verfahren somit plötzlich zu einem Risikofaktor. Fehler bei der Erkennung von Personen hätten zudem erhebliche Konsequenzen für die Betroffenen, weil sie einem besonderen Rechtfertigungsdruck und zusätzlichen Kontrollmaßnahmen ausgesetzt würden.

"Die Einführung weiterer biometrischer Merkmale in europäischen Reisepässen ist ein Großversuch an unserer Bevölkerung, ohne dass bisher Chancen und Risiken ausreichend diskutiert worden sind", kritisierte Thilo Weichert, Vorsitzender der Datenschützer-Konferenz und der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein .

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten wende sich gegen die undifferenzierte Gleichstellung von Biometrie und Sicherheit, wie sie derzeit teilweise erfolge. "Der Missbrauch der Biometriedaten muss verhindert werden", forderte Weichert. "Dies bedeutet, dass diese Daten weder zentral oder dezentral behördlich registriert werden dürfen." Es genüge für Identifikationszwecke bei Grenzkontrollen, die Biometriedaten ausschließlich auf dem Ausweisdokument abzulegen. Die Pläne von Innenminister Schily kommen den Datenschützern in diesem Punkt ein Stück weit entgegen: Zumindest eine bundesweite und EU-weite Zentraldatei zur Speicherung der biometrischen Daten werde es nicht geben, kündigte Schily an.

"Die Vereinbarkeit mit modernen IT-Sicherheitsstandards und mit dem Datenschutz sollte dringend von unabhängigen Stellen geprüft und zertifiziert werden", forderte Weichert außerdem. Der Umstand, dass die neuen elektronischen Pässe weltweit zum Einsatz kommen werden, mache es erforderlich, international grundlegende Datenschutzstandards bei der Durchführung biometrischer Grenzkontrollen zu gewährleisten.