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SPD-Fraktionschef Struck nicht gegen Online-Durchsuchungen

Spezifische Software oder Sofortmaßnahme?

Die Diskussion um die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für geheime Online-Durchsuchungen von Computern geht weiter. Während sich die Opposition am 31. August gegen die Einführung der Ermittlungsmethode wandte, erneuerte ein Sprecher Schäubles die Entschlossenheit des Ressortchefs, Online-Durchsuchungen zu ermöglichen. Schäuble sei sich "ganz sicher", dass er dabei den "völligen Rückhalt" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe. SPD-Fraktionschef Peter Struck hielt Schäuble vor, er versuche die Ressortabstimmung mit Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu unterlaufen, indem er eine Verständigung auf Expertenebene anstrebe. Struck stellte zugleich klar, "nicht generell" gegen Online-Durchsuchungen zu sein. Während das Bundeskriminalamt (BKA) bei den Online-Durchsuchungen von einer angeblich sehr zeitaufwendigen und spezifischen Einzelmaßnahme sprach, begründete die CDU die Einführung der Überwachungsmethode nun mit dem Erfordernis polizeilicher Sofortmaßnahmen.

Beratungen von Innenexperten der Koalitionsfraktionen mit Vertretern des Innen- und des Justizministeriums blieben angeblich ohne greifbare "Fortschritte". SPD-Verhandlungsführer Dieter Wiefelspütz sagte, man stehe "ganz am Anfang der Beratungen". In seiner Partei gebe es "massive Vorbehalte" gegen die Schäuble-Pläne. Wiefelspütz gab indirekt zu, dass er heimlichen Online-Durchsuchungen mit richterlicher Genehmigung zustimmen könnte.

Bosbach: Bei Gefahr im Verzug muss die Polizei sofort Online-Durchsuchungen vornehmen können

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warf dagegen den Sozialdemokraten vor, sie wüssten nicht, "was sie wollen". Auch weitere Verhandlungsrunden würden die Koalition "nicht zu dem Ziel bringen, solange die SPD nicht die entscheidende Frage beantwortet, ob sie die Online-Durchsuchungen mitträgt oder nicht".

Bosbach bestätigte, dass nach dem Entwurf des Gesetzes für erweiterte Kompetenzen des Bundeskriminalamtes (BKA) die Behörde für begrenzte Zeit auch ohne richterliche Genehmigung Online-Durchsuchungen vornehmen dürfen soll. Bei Gefahr im Verzug müsse die Polizei sofort handeln dürfen, wenn Menschenleben nicht anders gerettet werden können, sagte er. Dies sei in einem Rechtsstaat selbstverständlich.

BKA: Für eine Online-Durchsuchung

Die Begründung Bosbachs steht in bemerkenswertem Widerspruch zu Äußerungen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, gegenüber dem Hamburger Magazin "Stern". Ziercke hatte erklärt, es gehe "schlicht und einfach um fünf bis maximal zehn solcher Maßnahmen im Jahr". Mehr sei nicht beabsichtigt und auch gar nicht möglich.

Der Aufwand für eine einzige Online-Durchsuchung sei nämlich beträchtlich, "weil wir jeweils eine eigene Software entwickeln müssen". Dabei handele es sich um "eine Software, die immer nur für den Einzelfall erarbeitet wird, ein Unikat, das speziell auf die Rechner-Umgebung eines Verdächtigen zugeschnitten wird".

Sofern diese Darstellung des BKA-Chefs zutreffen würde, wäre die Aussage Bosbachs unsinnig, man wolle Online-Durchsuchungen ohne richterliche Genehmigung als polizeiliche Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr einsetzen.

FDP: Widersprüchliche Informationen der Bundesregierung

Der FDP-Innenexperte Max Stadler monierte, in einem Rechtsstaat sei es "zwingend erforderlich, dass es eine richterliche Anordnung gibt". Zugleich lehnte er heimliche Online-Durchsuchungen generell als "Schritt in den Überwachungsstaat" ab.

Die FDP-Bundestagsfraktion wirft der Bundesregierung vor, sie gebe widersprüchliche Antworten zum Stand der Entwicklung. So gehe einerseits aus einem "Antwortschreiben des Bundesinnenministeriums" hervor, dass der Bundes-Trojaner angeblich bereits einsatzfähig und aufspürsicher sei. Andererseits habe die Bundesregierung noch Anfang April auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zum Entwicklungsstand geantwortet: "Im BKA wird derzeit die technische Umsetzbarkeit einer Online-Durchsuchung im Rahmen eines Entwicklungsprojektes geprüft." Ob diese Maßnahme als polizeiliches Mittel tauglich sei, könne noch gar nicht bewertet werden.

Piltz: Richtervorbehalt ist "zahnlose Luftnummer"

Den diskutierten Richtervorbehalt bezeichnete die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, als "zahnlose Luftnummer". Wenn das BKA auch drei Tage lang ohne Richtererlaubnis die Festplatten über das Internet durchsuchen könne, dann dürfte der Richterspruch in der Mehrzahl der Fälle schlicht überflüssig sein. Denn: Drei Tage seien immer ausreichen, um eine Festplatte vollständig zu durchforsten.

Schubert: Die Versicherungen des BKA-Chefs erscheinen schon fast lächerlich

Die stellvertretende Parteivorsitzende der Linken, Katina Schubert, sagte, Schäuble scheine in seinem "Überwachungswahn" keine Grenzen mehr zu kennen. Unabhängig von der Frage, ob es technisch möglich sei, was sich der Bundesinnenminister wünsche, sei eines klar: "Er will offensichtlich sämtliche staatlichen Behörden in die Pflicht nehmen, bei der elektronischen Kommunikation die Bürgerinnen und Bürger zu überwachen und ihnen Trojaner in den Computer zu pflanzen. Das stellt den Rechtsstaat auf den Kopf, führt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ad absurdum und wird das ohnehin nicht besonders ausgeprägte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in staatliche Institutionen weiter beschädigen."

Die Versicherungen des BKA-Chefs, es werde sich um rund zehn Fälle pro Jahr handeln, "erscheinen schon fast lächerlich", so Schubert. "Deutschland ist Weltmeister in der Telefonüberwachung, es wird auch Weltmeister in der online-Überwachung, wenn diese Pläne nicht vorher gestoppt werden. Wir bleiben bei unserer Forderung: keine online-Überwachung. Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages auf, Schäuble auf seinem Weg in den totalen Schnüffelstaat zu stoppen."

Korte zu BKA-Gesetz: Bundesregierung soll endlich Maß halten

Der Innenpolitiker der Linksfraktion, Jan Korte, forderte die Koalitionsfraktionen vor dem Hintergrund des geplanten neuen BKA-Gesetzes auf, "endlich Maß zu halten und die Pläne zum BKA-Gesetz auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen." Natürlich seien alle für die Bekämpfung des Terrorismus. "Der Umbau des BKA zu einem geheimen Sicherheitsamt mit exzessiven Schnüffel-Befugnissen ist jedoch nicht der richtige Weg, denn Bespitzelung betrifft immer vor allem Unschuldige. Zudem verträgt eine Demokratie keine Geheimpolizei", so Korte.

Eine große Mehrheit der Bevölkerung sei strikt dagegen, "dass der Innenminister seine Nase künftig in die private Schlafzimmer und Computer steckt". Statt die berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger um ihre Freiheit und Privatsphäre als "Angsmacherdiskussion" zu diskreditieren, habe die Koalition die Ängste der Menschen ernst zu nehmen.

Es sei unverhältnismäßig und maßlos überzogen, wenn das BKA zu einem weiteren Geheimdienst mit Polizeibefugnissen ausgebaut werde, so Korte. "Die Trennung von Polizei und Geheimdiensten hat aus gutem Grund Verfassungsrang. Genau diese Trennung zerstört Schäuble aber mit dem Gesetzentwurf, wenn das BKA künftig den Großen Lauschangriff, Rasterfahndung und Online-Durchsuchung anwenden darf."