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Hartz 4 Regelsatz

"Opfert eine ganze Generation" | Wohlfahrtsverband: "Hartz IV"-Regelsätze für Kinder nachbessern

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat an den Bundestag appelliert, auf Nachbesserungen beim Konjunkturpaket II zu pochen. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" kritisierte Vizechef Eberhard Jüttner die bisher vorgesehene Anpassung der "Hartz IV"-Regelsätze für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren um 35 Euro als völlig unzureichend. "Wer hier Entscheidungen verschleppt, opfert eine ganze Generation", warnte er. Vor den an diesem Montag (9. Februar) im Bundestag stattfindenden Anhörungen verlangte Jüttner von der Bundesregierung sofortige grundlegende Neuberechnungen der Regelsätze, und zwar für alle Altersstufen.

Nach Berechnungen des Paritätischen müssten die Regelsätze für Kinder und Jugendliche je nach Alter um bis zu 40 Prozent angehoben werden. Insbesondere der Regelsatz für die 6- bis unter 14-Jährigen sei gnadenlos unterbewertet und liege um 86 Euro pro Monat unter dem tatsächlichen Bedarf. Der Regelsatz für Erwachsene sei um mindestens 25 Prozent zu niedrig bemessen.

Bundesagentur für Arbeit fordert niedrigere "Hartz IV"-Regelleistungen und treibt Keil zwischen Jugendliche

Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, hat die Höhe der "Hartz IV"-Regelleistungen für Jugendliche unter 25 Jahre in Frage gestellt. "Wenn die Sätze auf Dauer für alleinlebende Jugendliche ohne Gegenleistung gezahlt werden, sind sie zu hoch im Vergleich zu Auszubildenden", sagte Alt der "Rheinischen Post". "Wir brauchen ein vernünftiges Verhältnis zwischen denen, die wenig verdienen und Steuern zahlen, und denen, die ein Transfereinkommen beziehen", so Alt.

Wenn ein Jugendlicher in Ausbildung schlechter gestellt sei, als ein Jugendlicher, der von Grundsicherung lebe, entstehe der Eindruck, "dass der, der nichts tut, von dieser Gesellschaft stärker belohnt wird, als der, der morgens früh aufsteht, zur Arbeit geht und lernen muss."

Am 09-02-2009

Mann wegen Bettelns "Hartz-IV" gekürzt

Anordnung der Stadt Göttingen

In Niedersachsen sorgt eine Anordnung der Stadt Göttingen für Empörung, einem Mann wegen Bettelns die Sozialhilfe zu kürzen. Das Landesozialministerium als Aufsichtsbehörde äußerte am Freitag (27. März) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids und forderte von der Stadt einen Bericht an. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Göttingen nannte die Maßnahme demütigend und will den Fall rechtlich prüfen.

Ein Mitarbeiter des Sozialamts in Göttingen hatte beobachtet, wie ein Mann beim Betteln 7,40 Euro eingenommen hatte. Daraufhin rechnete die Behörde das Einkommen aus Almosen auf 120 Euro im Monat hoch und teilte dem Mann in einem Schreiben mit, dass seine Sozialhilfe um diesen Betrag gekürzt werde. Anders als Empfänger von Arbeitslosengeld II haben Sozialhilfeempfänger keine Freibeträge.

Ein Sprecher des Sozialministeriums in Hannover sagte, die Maßnahme des Sozialamts sei "völlig überzogen". Man dürfe bei der Anrechnung von Almosen nicht "mit Kanonen auf Spatzen schießen". Die Landesregierung habe kein Interesse daran, "dass der Staat ein paar erbettelte Euro wieder wegnimmt".

"So weit unten waren wir noch nie"

Manfred Grönig vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Göttingen zeigte sich erschüttert und kritisierte, dass das Sozialamt dem Mann unterstelle, dass er durch Betteln ein regelmäßiges Einkommen habe. "So weit unten waren wir noch nie", sagte Grönig. Der Wohlfahrtsverband überprüfe nun, ob die Hochrechnung und die damit verbundene Kürzung rechtens sind.

Ein Sprecher der Stadt Göttingen sagte, dass die Stadt "in zwei bis drei Fällen" Bettlern die Sozialhilfe gekürzt habe. "Wenn wir von Zusatzeinkünften erfahren, müssen wir das Gesetz anwenden", sagte er. Mitarbeiter des Sozialamtes würden aber nicht darauf trainiert, Sozialhilfeempfänger aufzuspüren, die ein zusätzliches Einkommen haben. Die Stadt wolle einen Weg finden, wie der Sozialhilfesatz gerecht berechnet werden kann.

Am 27-03-2009

Linke kritisiert Anstieg der Zahl der Hartz IV-Empfänger

"Keine Lobby bei Frau Merkel"

"Wären die Hartz IV-Beziehenden Banken, die Bundesregierung hätte sie bereits gerettet", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Ulrich Maurer, zu dem gegenüber dem Vormonat verdoppelten Anstieg der Zahl der Hartz IV-Bezieher. "Weil sie aber keine Lobby bei Frau Merkel haben, wie Herr Ackermann, werden sie nicht gehört."

Maurer forderte erneut: "Hartz IV muss weg!" Weil CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne dies aber ablehnten, verlange Die Linke "zumindest eine sofortige deutliche Anhebung der Regelsätze. Das wäre ein sofort wirkendes Konjunkturprogramm", so Maurer.

Die Verdoppelung des Anstiegs der Zahl der Hartz IV-Beziehenden gegenüber März unterstreiche zudem die Notwendigkeit der Forderung, das Arbeitslosengeld I zu verlängern. "Wenn dies nicht geschieht, fallen alle die, die ihren Arbeitsplatz durch die Krise verloren haben, binnen Jahresfrist in Hartz IV", fürchtet Maurer. "Es bleibt ein Skandal der Hartz-Gesetze, dass ein Arbeitsloser nach einem Jahr bereits seine Ersparnisse aufzehren muss und sich den Zumutbarkeitskriterien ausgeliefert sieht."

"Wie soll ein Hartz IV-Bezieher verstehen, dass die Regierung Merkel den Aktionären der Pleite-Bank HRE noch eine Prämie von zehn Prozent auf ihre wertlos gewordenen Aktien zahlt, den am Existenzminimum lebenden Hartz IV-Bezieherinnen und -Beziehern aber keinen Euro mehr zubilligt?", fragt Maurer. Nicht die Diskussion um soziale Unruhen sei verwerflich, "sondern das Handeln von CDU/CSU und SPD, deren Politik dieser Diskussion erst Nahrung gibt".

Am 30-04-2009

Bundesgericht stärkt Rechte von "Hartz-IV"-Empfängern bei Wohnkosten

Kücheneinrichtung

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Donnerstag (7. Mai) mit mehreren Urteilen die Rechte von "Hartz-IV"-Empfängern bei den Unterkunftskosten gestärkt. Die Kasseler Richter entschieden, dass ein vom Vermieter kassierter Zuschlag für Küchenmobiliar als Teil der Miete vom Jobcenter zu bezahlen ist. Sie gaben damit einer 58-Jährigen aus Bochum Recht, die mit ihrem erwachsenen Sohn in einer 67 Quadratmeter großen Wohnung lebt.

Zusätzlich zur Kaltmiete von 367 Euro verlangte ihr Vermieter monatlich 30 Euro für die Benutzung der Kücheneinrichtung. Die für die Bewilligung von Arbeitslosengeld II zuständige Arbeitsgemeinschaft (Arge) wollte diese Gebühr jedoch nicht übernehmen - schließlich seien in der monatlichen Regelleistung zum Lebensunterhalt ja rund 28 Euro für Möbel und Hausrat enthalten. Deutschlands oberste Sozialrichter wollten sich dieser Rechnung wie die Vorinstanzen jedoch nicht anschließen (Az.: B 14 AS 14/08 R).

Außerdem urteilte der Senat, dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger auch dann Anspruch auf Übernahme von Wohnkosten haben, wenn sie bei Eltern oder anderen Verwandten zur Miete wohnen. Entscheidend sei dabei nicht, dass sie einen förmlichen Mietvertrag vorlegen können, sondern dass sie tatsächlich Geld für ihren Wohnraum zahlen. Der 39-jährige Kläger aus Haigerloch in der Schwäbischen Alb bewohnt eine Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern, für die er nach eigenen Angaben jeden Monat 360 Euro Miete zahlen muss. Weil er als Vertrag aber nur einen handschriftlichen Zettel ohne Datum und exakte Mietvereinbarungen präsentieren konnte, wollte die zuständige Arge des Zollernalbkreises nicht zahlen.

Wie im Steuerrecht könnten Mietverträge zwischen Verwandten nur dann akzeptiert werden, wenn sie genauso auch zwischen Fremden geschlossen worden wären, meinte die Behörde. Sonst sei ein "Scheingeschäft" zu vermuten. Das BSG befand jedoch anders als die Vorinstanz, dass dieser sogenannte Fremdvergleich nicht der richtige Maßstab sei. Es verwies den Streit daher zurück ans baden-württembergische Landessozialgericht: Die Stuttgarter Richter müssen nun ermitteln, wie viel Miete tatsächlich jeden Monat geflossen sei (Az.: B 14 AS 31/07 R).

In einer dritten Entscheidung stellte das BSG schließlich klar: Wenn Arbeitslose ihren "Hartz IV"-Antrag erst im Laufe eines Monats stellen, stehen ihnen für den Rest dieses Monats anteilige Unterkunftskosten zu. Das gelte auch dann, wenn die Arbeitslosen die Miete bereits vor der Antragstellung überwiesen haben, als sie möglicherweise noch nicht hilfebedürftig waren (Az.: B 14 AS 13/08 R).

Am 07-05-2009

Hartz IV Urteil gekippt - menschenwürdiges Existenzminimum definiert

Sensationelles Urteil

Es ist eine Sensation: Das wohl umstrittenste Großprojekt des Neoliberalismus ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB II), die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, "nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums" erfüllen. Die Leistungen für die 6,7 Millionen Hartz IV-Empfänger müssen jetzt grundlegend neu berechnet werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt vom Gesetzgeber eine Neuregelung bis zum 1. Januar 2011.

Das Verfahren bezog sich im Kern auf Leistungen des Staates für rund 1,7 Millionen Mädchen und Jungen unter 14 Jahren, die in Hartz-IV-Familien leben. Im Urteil beanstandete das Gericht darüber hinaus aber auch die übrigen Berechnungen von Hartz-IV-Leistungen.

Bundesverfassungsgericht: Recht auf "menschenwürdiges Existenzminimum"

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, legte in der Urteilsbegründung dar, dass mit dem bisherigem Berechnungsverfahren nicht sichergestellt werden könne, dass mit den Sozialleistungen das Recht auf ein "menschenwürdiges Existenzminimum" gesichert wird. Das Existenzminimum müsse auch eine Mindesteilnahme von Leistungsempfängerinnen und -empfängern am gesellschaftlichen Leben berücksichtigen.

Ein konkretes Verfahren zur Neuberechnung der Regelsätze schlugen die Karlsruher Richter nicht vor. Die Leistungen müssten auf Grundlage "verlässlicher Zahlen" und "tragfähiger Berechnungen" erbracht werden. Schätzungen "ins Blaue hinein" seien verfassungswidrig, betonte Papier.

Hartz IV: Monatlich 359 Euro für Erwachsene - Kinder und Jugendliche erhalten noch weniger

Der Hartz IV-Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen liegt derzeit bei monatlich 359 Euro. Der Bedarf für Kinder und Jugendliche wird bislang nicht eigenständig errechnet. Sie erhalten je nach Alter zwischen 60 und 80 Prozent der Hartz IV-Leistungen für Erwachsene. Kindern unter sechs Jahren stehen 215 Euro zu, im Alter bis zu 13 Jahren gibt es 251 Euro. Jugendliche erhalten bis zur Volljährigkeit 287 Euro.

Kläger: Regelsätze willkürlich festgelegt

Geklagt hatten drei Familien im Jahr 2005. Sie hatten argumentiert, dass die Regelsätze für Kinder unter 14 Jahren von damals 207 Euro willkürlich festgelegt seien und das Existenzminimum nicht abdeckten. Außerdem werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da Kinder von Sozialhilfeempfängern einen zusätzlichen Bedarf geltend machen können, Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern jedoch nicht.

Bundessozialgericht: Zweifel an Rechtmäßigkeit der HARTZ IV-Regelsätze für Kinder

Das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt und das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel bezweifelten in den Verfahren die Rechtmäßigkeit der Regelsätze für Kinder und riefen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an. In den vergangenen Jahren hatte das Bundessozialgericht allerdings Hartz IV vielfach gestützt.

Lafontaine: Hier wird fortgesetzter Verfassungsbruch begangen

Der ehemalige Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine zählte jahrelang zu den schärfsten Kritiker von Hartz IV. Für die Linke unter Lafontaine wurde die Forderung nach Abschaffung von Hartz IV zum Programm.

Im Mai 2008 etwa bezeichnete Lafontaine die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich als "Schande für Deutschland". "Dass jeder Achte arm ist und jeder Vierte von Armut bedroht, ist mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes unvereinbar. Hier wird fortgesetzter Verfassungsbruch begangen", so Lafontaine. "Deshalb muss die Richtung der deutschen Politik grundlegend geändert werden."

Lafontaine: Mit einer Besteuerung von Reichtum ist eine Politik machbar, die den Sozialstaat neu begründet

Wer Armut stoppen wolle, ,müsse den Fall der Lohnquote aufhalten und den gesetzlichen Mindestlohn einführen, so Lafontaine 2008. Von 2000 bis 2007 sei der Anteil der Löhne am Volkseinkommen von 72 auf 64 Prozent gefallen – das beschreibe das Versagen der Politik, die mit Hartz IV den Druck auf die Löhne soweit erhöht habe, dass diese in eine beispiellose Rutschbahn nach unten geraten seien. Mit einer Börsenumsatzsteuer von 0,3 Prozent, einer Vermögensteuer im international üblichen Rahmen, einer angemessene Steuer auf große Erbschaften und einem Spitzensteuersatz, der diesen Namen auch verdiene, wäre nach Auffassung von Lafontaine "eine Politik machbar, die den Sozialstaat neu begründet".

Gysi: Mit dem Urteil wird das gesamte Konstrukt der Demütigung, Repression und des massiven Drucks auf die Löhne grundlegend gerügt

Nach Auffassung von Links-Fraktionschef Gregor Gysi hat das Bundesverfassungsgericht "über SPD und Grüne, aber auch über Union und FDP ein vernichtendes Urteil gefällt". Hartz IV sei ein Angriff auf den Sozialstaat und Armut per Gesetz . "Die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder bei Hartz IV sind verfassungswidrig und nicht existenzsichernd. Damit ist neben der Organisation auch der wesentliche Inhalt von Hartz IV für verfassungswidrig erklärt worden", so Gysi. Die Linke sehe sich in ihrer grundlegenden Kritik an den Hartz-Gesetzen bestätigt.

"Es ist ein historisches Urteil", so Gysi. Das Bundesverfassungsgericht habe erstmalig in der deutschen Geschichte höchstrichterlich "festgestellt, dass die Sozialdemokratische Partei Deutschlands mit den von ihr initiierten und beschlossenen Hartz IV-Gesetzen die Menschenwürde verletzt und gegen das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes verstoßen hat. Bei SPD und Grünen, insbesondere bei der SPD, muss nun eine Debatte über die Agenda-Politik der Regierung Schröder/Fischer, über den eigenen Standort und die eigene Strategie beginnen", fordert der Linke-Politiker. "Hartz IV ist endgültig gescheitert. Mit dem Karlsruher Urteil wird das gesamte Konstrukt der Demütigung, Repression und des massiven Drucks auf die Löhne grundlegend gerügt."

Das Urteil müsse nun genutzt werden, um in dieser Legislaturperiode ein menschenwürdiges, gerechtes, repressionsfreies System der sozialen Sicherung und fairer Löhne zu entwickeln, so Gysi. Die Linke werde eine bedarfsdeckende Mindestsicherung in Höhe von 500 Euro als Regelleistung für Erwachsene, eine eigenständige Kindergrundsicherung und einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro einfordern.

Ypsilanti: Hier muss Hartz IV nachgebessert werden

Auch SPD-Linke wie Andrea Ypsilanti hatten Hartz IV bereits frühzeitig offen kritisiert. In ihrem erfolgreichen Wahlkampf für die Landtagswahl im Januar 2007 trat sie - im Gegensatz zur Bundes-SPD - für Nachbesserungen bei Hartz IV ein. "Es darf nicht sein, dass in einem so reichen Land, Kinder vom Schulessen abgemeldet werden, keine gute Ausstattung für die Schule haben, nicht an Kultur teilhaben können. Hier muss Hartz IV nachgebessert werden", so Ypsilanti damals.

Am 31. Januar 2010 hat Andrea Ypsilanti gemeinsam mit Linken in SPD, Grünen und Linken sowie mit Wissenschaftlern das Institut Solidarische Moderne gegründet. Nach dem "Scheitern des real existierenden Neoliberalismus" wollen Ypsilanti und Mitstreiter mit dem Institut Alternativen zu einem "ungezügelten Kapitalismus" mit "grassierender Armut" entwickeln.

Am 09-02-2010

Kinderarmut in Deutschland

Hartz-IV und gesunde Ernährung

Bundesweit haben die Ergebnisse des 3. Armuts- und Reichtumsberichts (2008) der Bundesregierung und auch die Studien z. B. des Robert-Koch-Institutes zum Ernährungszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt.

Kinderarmut in Deutschland

Es häufen sich Feststellungen in Schulen und Kindertagesstätten, dass Kinder ohne warme Mahlzeit bleiben. Eine häufige Ursache sind finanzielle Schwierigkeiten der Familien.

Das ist für LehrerInnen, ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen nicht mehr zu übersehen.

Denn immer mehr Kinder in der Bundesrepublik kommen ohne Frühstücksbrot in die Schule oder in die Kita und können dort auch kein warmes Mittagessen bezahlen. Wen Hunger quält, der kann nicht unbeschwert lernen und spielen. Und wer nicht mit am gemeinsamen Mittagstisch mit den KlassenkameradInnen oder den SpielgefährtInnen Platz nehmen darf, der oder die gehört auch nicht richtig dazu.

Das Saarland, Rheinland-Pfalz, Niedersachen und Nordrhein-Westfalen haben 2007/ 2008 mit Bundesratsinitiativen Druck auf die Bundesregierung ausgeübt, die Regelsätze für Kinder zu verändern, bezüglich der spezifischen mit Schule und Kita zusammenhängenden Bedarfe und deren Struktur.

Auch viele Kommunen in den Bundesländern haben Initiativen ergriffen, um Kindern eine kostenfreie oder kostengünstige Teilnahme am Schulessen zu ermöglichen.

Und dann sprach das Bundesverfassungsgericht am 09.02.10 zu einer Regelsatzklage ein Urteil: Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen.

Bestimmte Ausgabepositionen, zum Beispiel die Abteilung 10 (Bildungswesen), blieben völlig unberücksichtigt, ohne das dies von der damaligen Bundesregierung begründet worden wäre. Frau von der Leyen glaubt, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts durch die Bildungscard erfüllen zu können, doch sie irrt sich gewaltig. Denn die Bildungscard erfüllt nicht die zentrale Forderung der Karlsruher Richter nach einer Korrektur der Berechnungsgrundlage der Regelsätze. Und sie ändert auch nichts daran, dass die Kinderregelsätze insgesamt viel zu niedrig berechnet worden sind.

Frau Ursula von der Leyen hat die die Chance verpasst, ein neues soziales Denken zu entwickeln. Die Regelsätze für Kinder wurden nicht auf den Prüfstand gestellt. Dabei sind die bisherigen Regelsätze völlig unzureichend, und zwar in allen Lebensbereichen, von gesunder Ernährung über ausreichende Kleidung bis hin zu kultureller Teilhabe. Doch diese Fragen hat die Ministerin mit ihrer Bildungscard nicht gelöst.

Die Regelsätze für Kinder sind insgesamt zu niedrig:

JahreMonat
0-6 Jahre79,55 € /Monat, das sind 2.65 € /Tag
6-13 Jahre92,87 €/Monat, das sind 3.10 € /Tag
Ab 14 Jahre106,91 €/Monat, das sind 3.54 € /Tag

Damit müssen alle Mahlzeiten und auch das Trinken eines ganzen Tages abgedeckt werden.

Wirklich wenig Geld um den Nahrungsbedarf eines heranwachsenden Kindes abzudecken.

Das die Bildungscard insgesamt versagt hat-auch in Bezug auf das kostengünstige Mittagessen für „bedürftige“ Kinder- wird deutlich, weil die Bildungscard wenig beantragt wird.

Nur etwa jede vierte Familie, die Anspruch auf Unterstützung hätte, beantragte bisher das Bildungspaket der Bundesregierung. Deshalb haben sich am 05.06.2011 die Politiker in Berlin schon zum zweiten Mal getroffen, um darüber zu sprechen, was man unternehmen muss, damit das Bildungspaket auch wirklich bei betroffenen Familien ankommt.

Zum einem sind die Anträge viel zu kompliziert und zum anderen empfinden es viele betroffene Eltern als peinlich, weil sie sich und ihre Kinder dann als Familien in prekären Lebenslagen outen müssen.

Auch das Abrechnen ist nicht einfach: Wenn z.B. ein Kind in einen Sportverein gehen will, dann muss es zum Beispiel sagen: Lieber Verein, meine Eltern beziehen Hartz IV - stell bitte eine Rechnung. Die wird dann von der zuständigen Stelle in der jeweiligen Stadt bezahlt. Und wenn man für sein Kind Nachhilfeunterricht über die Bildungscard beantragt, dann wird nur Nachhilfe gewährt, wenn die Kinder versetzungsgefährdet sind- sonst nicht!

Auch wenn Eltern für ihre Kinder das kostengünstige Mittagessen über die Bildungscard beantragen wollen, müssen sie sich outen.

Das alles führt dazu, dass viele Familien keinen Antrag für das Bildungspaket stellen. Wissenschaftler sollen jetzt herausfinden, welche Familien das sind. Außerdem sollen Schulen, Kindergärten und Vereine besser über das Bildungspaket informiert werden.

Zusätzliche Kosten also!

Fakt ist auch, wenn Eltern z.B. das kostengünstige Mittagessen für einen Euro aus dem Bildungspaket beantragen und Land und Kommune haben sich selbst schon gekümmert (z.B. Sozialpass), dann wird diese Subvention von Land u. Kommune für die betroffenen Kinder als Einkommen angerechnet und konterkariert gesetzlich somit die Hilfen von Land und Kommunen.

Kompliziert für Eltern und Kommunen, der Verwaltungsaufwand enorm!

Keine Frage es gibt es zu den Einzelheiten derartiger Unterstützungsmaßnahmen noch viele Sachverhalte, die zu klären wären und die wahrscheinlich auch so manche Kontroverse auslösen können. Das fängt schon beim Kreis der einzubeziehenden Kinder und Jugendlichen an.

Sollen nur EmpfängerInnen von Transferleistungen bedacht werden oder müssen nicht auch die vielen NiedriglohnempfängerInnen, deren Arbeitseinkommen häufig nur knapp über den Grenzen für staatliche Unterstützung liegt, und die ebenfalls größte Schwierigkeiten haben, ihren Kindern alle für die Schule notwendigen Dinge und das Schulessen zu finanzieren, einbezogen werden. Wenn ja, wo setzen wir die Einkommensgrenzen an? Oder wollen wir für alle Kinder der Bundesrepublik eine Lösung finden?

Sollen die Kosten für das Mittagessen vollständig übernommen werden oder ist ein Zuschuss, der den Familien ein gewisses Maß an Würde und Eigenverantwortung lässt, besser? Sie sehen, liebe Leserinnen und Leser, das Ganze ist ziemlich kompliziert.

Doch Kinder sind die Zukunft eines jeden Landes- ohne Kinder hat kein Land eine Zukunft.

Deshalb sollte wirklich alles getan werden, damit unsere Kinder unbeschwert, gesund und in Würde aufwachsen können. Dabei ist die Mittagessenversorgung für die Kinder, wo es die Eltern aus irgendeinem Grund (meist finanziell) nicht packen- nur eine der vielen Baustellen, die Politik anpacken muß!

Eine weitere Baustelle :

In Deutschland sind laut IKK etwa 37 Millionen Erwachsene und rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig oder sogar fettleibig. Ein Viertel der Erwachsenen leidet an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und es gibt rund vier Millionen Diabetiker und Diabetikerinnen. Die Zunahme so genannter Zivilisationskrankheiten führt zu hohen Kosten im Gesundheitswesen. Allein Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung Behandlungskosten von 35 Milliarden Euro jährlich.

25 Milliarden Euro werden für die Behandlung von Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems gebraucht.

30 Prozent aller Gesundheitskosten gehen auf ernährungsbedingte Krankheiten zurück. Sie betragen jährlich mehr als 70 Milliarden Euro.

Aus diesen Gründen rückt eine gesunde Lebensweise, Esskultur und auch die Ernährungs- und Verbraucherbildung in Kitas und Schulen immer mehr in den Fordergrund.

Zumal wir auch in der täglichen Werbung z.B. des Fernsehens mit ziemlichen irrrelevanten Werbespots zum Thema Ernährung für Kinder zu rechnen haben.

Da wachsen Fruchtsaftflaschen an Bäumen, statt Obst, da sind Gummibärchen so gesund, weil sie nicht tropfen und viele Vitamine enthalten und bestimmte Sorten Schokolade erhalten viele gesunde Zerialien.

Außerdem gibt es immer mehr Menschen in unserem Land die eine defizitäre Bildung im Bereich gesunder Ernährung, das Kennen gesunder Lebensmitteln, gesundes Kochen und Haushaltsführung haben.

Das Fehlen dieser Alltagskompetenzen zieht sich eigentlich durch alle Schichten der Bevölkerung. Jedoch können wirtschaftlich besser gestellte Familien dieses Defizit besser abfangen und kompensieren.

Eine starke Ausprägung eines gestörten Essverhaltens und fehlende Grundkompetenzen bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit niedrigem Sozialstatus und Migrationshintergrund wird in vielen Analysen herausgestellt.

Die Gesundheitsziele der einzelnen Bundesländer, diverse bundesweite Projekte und die Unterstützung der Schulen bei der Umsetzung der Qualitätsstandards der Schulverpflegung, sind zwar Schritte in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus.

Wir brauchen eine gezielte Ernährungsberatung von Anfang an- Kinder und Eltern müssen von Anfang an spielerisch einbezogen werden. Gesundheitsförderung muss als ganzheitliche Aufgabe und Prävention verstanden werden.

Die Kinder und auch die Eltern müssen wieder lernen ihren eigenen Körper positiv wahrzunehmen

Kinder und Eltern können in verschiedenen geförderten Projekten gesunde Ernährung lernen, ohne es selbst zu bemerken, nämlich spielerisch. Dadurch sind sie dann durchgängig mit Freude bei der Sache. Beiläufige Lernprozesse wirken am nachhaltigsten und können Verhaltensweisen grundlegend ändern. Das ist besonders wichtig mit Blick auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung.

Kinder und auch Eltern müssen gerade in Sachen gesunder Ernährung heutzutage neu lernen, weil eben in dieser Frage häusliche oder zivilisatorisch bedingte Defizite vorliegen. Hier bietet sich ein pädagogisch verantwortungsvoller Medieneinsatz an, um Themen der Gesundheitsförderung spielerisch und kindgerecht umzusetzen:

  • Was macht mich krank
  • Was erhält mich körperlich und geistig fit
  • Rohkosterlebnisse
  • Wie schmeckt ein Apfel
  • Trinkerlebnisse
  • Kräutersammeln und gesund verwerten

können durch verschiedene Projekte unter Einbeziehung der Eltern, Kitas und Schulen zu einer neuen und gesunden Sichtweise führen.

Nur wenn sich der Kreis Gesunde Ernährung, Bewegung, Eltern Kinder, Kitas und Schule schließt, werden Synergieeffekte erzeugt die langlebig sind und zukunftsweisend Prävention für ein gesundes langes Leben einschließen.

Charme hätte es natürlich, nicht nur projektbezogen in den einzelnen Bundesländern finanziell zu fördern, sondern die Förderung bundesweit für alle Schulen und Kitas auszuweiten, um so eine bundesweite Prävention in Sachen Gesunder Ernährung und Bewegung von Anfang an zu erreichen.

Und zum Schluss noch ein Kommentar Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2011

„Jammern auf hohem Niveau, könnte man meinen, wenn man den UN-Bericht zur sozialen Lage in Deutschland überfliegt. Schließlich ist die reiche Bundesrepublik nur eines von 192 UN-Mitgliedern. Und wenn man an Armut und Diskriminierung denkt, fallen einem zuerst Staaten wie Afghanistan, Burkina Faso oder Ruanda ein. Aber Deutschland?

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Die Armut hier hat andere Gesichter. Dennoch gibt es sie. Armut hierzulande ist nicht Unterernährung, sondern Fehlernährung. Ungesundes Junk Food statt Bio-Lebensmittel. Armut hierzulande ist nicht unbedingt Analphabetismus. Armut hier heißt Hauptschule oder Schulabbruch. Und Diskriminierung macht sich hier nicht in Form von Vertreibung oder Bürgerkrieg bemerkbar. In Deutschland erfolgen Benachteiligung und soziale Ausgrenzung von Minderheiten viel subtiler. Jeder türkischstämmige Deutsche in der zweiten oder gar dritten Generation kann ein Lied davon singen. Mal ist es eine Hauptschulempfehlung, die trotz guter Noten ausgesprochen wird. Mal ist es eine Polizeikontrolle, in die man gerät, weil man irgendwie anders aussieht.

Sicher kann man die Zustände in Deutschland nicht mit denen in Burkina Faso vergleichen. Es ist eine andere Art von Armut, deren Auswirkungen hier jeden Tag Millionen Kinder zu spüren bekommen. Aber Armut muss in all ihren Formen bekämpft werden. Hier und in Burkina Faso.“

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, liebe Leserinnen und Leser.

Heidelinde Penndorf

Am 11-07-2011

Hartz - IV hat mich geprägt

Hartz -IV muß weg

Im Sommer 2004 habe ich entsetzt und fassungslos die Medienberichte zur Hartz-IV Gesetzgebung verfolgt. Erst dachte ich, das ist das finanzielle Ende für deine Familie und dich. Ich wollte resignieren, mich in unseren Garten zurückziehen-abwarten-. Doch dann habe ich mir gesagt, das ist der falsche Weg. Du darfst dich nicht hängen lassen, du hast Familie, du musst etwas unternehmen.

Hartz-IV und mein Leben

Da hörte ich von der ersten Montagsdemo in meiner Heimatstadt, las von der Wut der Menschen, von ihrer Entschlossenheit, etwas zu tun. Und ab der zweiten Demo waren dann meine Tochter und ich immer dabei.

Die damalige Bundesregierung hatte Angst vor diesem spontanen Protest, der von den Bürgerinnen und Bürgern selbst organisiert war. In unserer Stadt gingen zu dieser Zeit mehr als 500 Menschen auf die Straße. In einem sicherlich manchmal schmerzhaften Prozess mussten wir aber erkennen, dass wir Hartz - IV und die Agenda 2010 nicht so einfach wegdemonstrieren können und dass der soziale Protest nur in kleinen Schritten im Zusammenspiel mit vielen anderen sozialen Organisationen bewirken kann, dass Hartz - IV aufgeweicht und schließlich nach vorn aufgelöst werden kann.

Nach vorn auflösen bedeutet, nachhaltige versicherungspflichtige Arbeitsplätze im öffentlichen Beschäftigungssektor schaffen und eine Grundsicherung erreichen, von der man in Würde leben kann. Nach vorn auflösen bedeutet auch, sich einzusetzen für einen gesetzlichen Mindestlohn, damit Menschen, die zu Niedriglöhnen arbeiten, nicht mehr dadurch unter Druck gesetzt werden können, von Hartz - IV betroffen zu werden.

Seit der Wende erlebten wir die größte spontane Protestwelle gegen die Schröder-Regierung, gegen Hartz IV. Wir lassen uns das nicht gefallen, wir bieten Hartz IV die Stirn, wir wehren uns! – So war damals die Stimmung. Und aus dieser Stimmung heraus entstand die ,,Bürgerinitiative für soziale Gerechtigkeit" in meiner Heimatstadt.

In Berlin wurden die Demonstrationen gegen den Sozialabbau heruntergespielt, fast totgeschwiegen.

Wir wollten aber nicht beim Protest gegen den Sozialabbau stehen bleiben und organisierten ab November 2004 die Hartz-IV-Sprechstunden. Mit einem, von meinem ehemaligen Dozenten gesponserten PC, und einem gekauften Drucker, für den wir unser letztes Geld zusammenlegten, begannen wir. Ich nahm an Schulungen teil, um mir das Wissen für die Sprechstunden anzueignen.

Was dann folgte, war nicht immer leicht. Ich hatte keine Routine und war überhaupt ungeübt im Lesen von Gesetzestexten. Die Sprechstunden waren übervoll, und jedes Schicksal, jeder Bescheid war anders. Sich in die Hartz- IV Bescheide einlesen, das war schon schwer genug.

Aber wenn die Betroffenen dann vor Verzweiflung weinten, Ehepaare sich stritten, wer denn nun die Schuld von ihnen trägt, dass sie jetzt eine Bedarfsgemeinschaft bilden – das war oft schwer wegzustecken, zumal wir ja selbst Hartz- IV-Betroffene waren und es uns unter diesen Umständen nicht leicht fiel, anderen zur Seite zu stehen.

Denn auch wir persönlich hatten alle Probleme, es fehlte auch uns oft am Nötigstem- und auch unsere Familien lernten kennen, was Hunger ist oder dass man den Winter in Halbschuhen überstehen muß.

Meine Familie war zu dieser Zeit mein Auffangbecken, meist sah nur sie meine Verzweiflung und Tränen wegen so vieler Hartz-IV-Schicksale. Bisher waren in der Sozialsprechstunde mehr als 2 600 Leute, denen ich helfen konnte. Nicht alle Betroffenen kommen zurück und berichten über Misserfolg oder Erfolg der Widersprüche.

Anhand der Rückmeldungen und Entscheidungen – auch beim Sozialgericht – ergibt sich immerhin eine Erfolgsquote von 60 bis 70 Prozent der mit unserer Hilfe eingereichten Widersprüche.

Durch Sachlichkeit und offene Gespräche haben meine Beratungssprechstunden auch beim Geschäftsführer des Jobcenters Akzeptanz gefunden. Dadurch habe ich Ansprechpartner, die bei kritischen Fällen schnell helfen, auf dem kurzem Dienstweg!

Mein Fazit:

Sozialer Widerstand tut not. Er ist bitter nötig, selbst wenn viele Menschen, viele Hartz-IV-Betroffene resigniert haben. Sie hatten keine Ausdauer. Als sie merkten, dass der Spruch "Hartz IV muss weg" sich nicht so schnell umsetzen lässt, handelten sie nach dem Motto "Es ändert sich sowieso nichts".

Derzeit gibt es einen ruhigen Aufstand gegen Hartz-IV - die vielen Klagen vor den Sozialgerichten. Zum Beispiel haben sich die Anzahl der Klagen Berlin seit 2005 fast verfünffacht. Ähnlich sieht es in allen Bundesländern aus. Ja, Hartz -IV hat Arbeitsplätze geschaffen: * in den Jobcentern, Sozialgerichten und in den Schuldnerberatungen*, aber kaum für die Betroffenen selbst!

Am 16.07.2011 kritisierte das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, die häufigen Änderungen der Hartz-IV-Gesetze. Seit Einführung der Reform vor sechseinhalb Jahren seien die betreffenden Gesetze 60 mal geändert worden. Das bedeute für die Mitarbeiter der Bundesagentur durchschnittlich eine Änderung in 1,3 Monaten, sagte Alt der "Frankfurter Rundschau" (Freitagausgabe). Das beweißt, dass das SGB II mit der heißen Nadel gestrickt wurde.

Da blicken schon oftmals die Mitarbeiter der Jobcenter nicht mehr durch und deshalb ist es für mich verwunderlich, dass immer noch in den Bescheiden steht : ,,Sie hätten an Hand der Berechnungen erkennen müssen, dass sie (z.B.) überzahlt worden sind". Wie denn nur, wenn in den Berechnungen die Zwischenschritte fehlen und einzelne Berechnungsposten gar nicht im Bescheid zu finden sind!

Zu Beginn der Montagsdemos gegen den Sozialabbau im Sommer 2004 hofften die Menschen auf den Effekt der Montagsdemos 1989 – doch der Effekt trat nicht ein, sie waren enttäuscht und blieben zu Hause. Andere wiederum versuchten, sich einzurichten mit Hartz IV, und merkten bald, dass das kaum möglich ist, und bleiben resigniert der Demo fern.

Es ist auch so, dass es ein gezieltes Schweigen der Medien gibt und keiner weiß, ob und wo überhaupt noch Demos stattfinden. Das macht es ziemlich schwierig, die Montagsdemo über 7 volle Jahre am Laufen zu halten und sie zu organisieren. Und es ist verdammt schwer, jeden Montag immer wieder die Menschen zu mobilisieren, sie auf den Marktplatz zu holen, und immer entsprechende Rednerinnen und Redner zu finden. Im Moment ist es so, dass meine Freundin und ich, über bestimmte Medieninhalte und auch über das Internet, Informationen holen und dann die politischen Inhalte jeden Montag den Leuten rüberbringen. Kein prominenter Redner, auch nicht von den Gewerkschaften, ist mehr bei den Montagsdemos zu Gast.

Ab dem 1. April 2006 bis zum April 2011 war ich dann ich Landtagsabgeordnete in meinem Bundesland Ich gab meinen Wähler/innen und Wählern ein Wahlversprechen: Ich werde nie vergessen, dass ich bis März 2006 Jahres selbst Hartz-IV-Betroffene war, und werde an ihrer Seite sein, wenn sie meine Hilfe brauchen. Das Wahlversprechen habe ich immer eingehalten. Ich bin weiterhin Mitglied unserer ,,Bürgerinitiative für soziale Gerechtigkeit" und unterstütze auch immer noch die Demos gegen den Sozialabbau in meiner Heimatstadt.

Nur im Landtag bin ich nicht mehr. Begehrlichkeiten acht Anderer, gepaart mit Intrigen, Rufmord und anderen unschönen Dingen, sorgten dafür, dass ich auf einen hinteren Listenplatz landete.

Es kam, was kommen musste, ich war auf das Direktmandat angewiesen und verlor gegen die SPD und CDU Kandidaten, holte aber das beste Ergebnis für meine Partei im Landkreis- ohne dass mich das Ergebnis in den Landtag brachte.

Keiner von den Menschen, die von Hartz- IV betroffen sind und auch viele anderen BürgerInnen konnten das begreifen. Und ich muss zugeben, dass ich schon jetzt gespaltene Gefühle habe, wenn ich daran denke, dass ich Ende diesen Jahres vielleicht Hartz-IV neu beantragen muss. Denn ich kann mir durchaus vorstellen, dass man mich im Jobcenter spüren lassen würde, dass ich mit Erfolg in so manchen Überprüfungsantrag und Widerspuch für die Betroffene, fehlerhafte Berechnungen nachgewiesen und Erfolge für die Betroffenen eingefahren habe.

Nun, das Leben geht weiter! Ich bin eine Kämpferin und werde mich auch dieser Lebenssituation stellen. Halte derzeit Abstand zur parteilichen Arbeit und bin seit kurzem im sozialen Netzwerk Facebook aktiv. Dort begegnete ich Detlev Lengsfeld. Er sprach mich an, ob ich nicht Lust hätte für ngo-online zu schreiben. Ich hab es ausprobiert und es macht mir sehr viel Spaß. Es gibt auch ein gutes Feedback der LeserInnen.

Auf viele Dinge hab ich mittlerweile einen anderen Blick, einen weiteren Horizont und eine erweiterte Sichtweise. Und deshalb ist es mir ungemein wichtig, Ihnen liebe Leserinnen und Leser Ihnen folgendes zu sagen.

Mir ist klar geworden, dass kleine soziale Bewegungen sich die Beine wegrennen. In meiner Heimatstadt organisieren nur noch meine Freundin und ich die Demos gegen den Sozialabbau – und das Montag für Montag. Es kommen im Durchschnitt noch 30 Menschen. Da bewegt man nicht viel!

Alle sozialen Bewegungen in Deutschland müssen sich bündeln - auf einer Plattform! Ich spreche auch die Mobbingopfer und ihre Organisationen an. Wir alle brauchen ein großes Sprachrohr bzw. eine Plattform, auf der wir uns alle wiederfinden und richtig stark werden können. Und das kann ngo-online sein. Hier können alle zu Wort kommen und wir können gemeinsam gegen Mobbing, gegen Sozialabbau und andere Missstände kämpfen. Ich rufe alle Leserinnen und Leser auf, die sich dafür interessieren uns zu kontaktieren. Die Kontaktdaten finden sie im Impressum

Gern stellen wir Ihnen unsere Idee im Einzelnen vor. Ich rufe auch Künstlerinnen und Künstler, Medienstars und SchriftstellerInnen auf, uns zu unterstützen.

So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen! Setzen wir uns alle gemeinsam ein für ein besseres Deutschland, in welchem wir alle miteinander in Würde leben können.

Heidelinde Penndorf

Am 16-07-2011