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Atomkraftwerk Philippsburg | Rückblende

Gutachter rügen Mängel bei der Atomaufsicht | Baden-Würtembergisches Umweltministerium für Philippsburg-Pannen kritisiert

Das Gutachten über die Atomaufsicht fällt wesentlich kritischer aus als von Umweltminister Ulrich Müller (CDU) bisher dargestellt, schreibt die Stuttgarter Zeitung am Sonnabend. Nicht nur punktuell, sondern in zentralen Fragen beanstanden die Prüfer Mängel in Müllers Ressort, schreibt das Blatt. Dagegen hatte der Umweltminister hoch zufrieden die Ergebnisse der Unternehmensberatung Kienbaum kommentiert, die nach der Pannenserie im Kernkraftwerk Philippsburg eingeschaltet worden war. Insgesamt stelle sie der baden-württembergischen Atomaufsicht "ein gutes Zeugnis" aus. Punktuell empfehle das Gutachten zwar Verbesserungen, aber "in weiten Teilen" fühle man sich bestätigt.

Der Artikel zitiert die Grünen im Landtag, die maßgeblich zur Aufklärung der Atompannen beigetragen haben. "Peinliche Schönfärberei" wirft ihr Abgeordneter Walter Witzel dem Umweltminister vor. Die Gutachter hätten der Aufsichtsbehörde keineswegs überwiegend gute Noten ausgestellt: "Das krasse Gegenteil ist der Fall."

Tatsächlich werden in der Langfassung des Gutachtens, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt, zentrale Punkte kritisiert. Als die zu geringe Borkonzentration im Notkühlsystem des Kernkraftwerks bekannt wurde, hatten sich die Aufseher zunächst der Ansicht des Stromkonzerns Energie Baden-Württemberg (EnBW) angeschlossen: Obwohl die Grenzwerte unterschritten gewesen seien, habe es noch genügend Sicherheitsreserven gegeben. Deswegen drangen sie nicht auf das Abschalten des Atommeilers.

Dies rügt Kienbaum als schwere Fehlentscheidung. "Der technisch-ingenieurmäßige Ermessens- und Beurteilungsspielraum reduziert sich bis auf null, wenn verbindliche Regelwerke Ziel- und Grenzwerte vorgeben." In diesem Fall hätten die Regeln eindeutig Vorrang vor der technischen Bewertung des Einzelfalls. Damit werde dem Umweltminister bescheinigt, dass seine Beamten "gegen elementarste Grundsätze einer sicherheitsorientierten Atomaufsicht verstoßen" hätten, folgern die Grünen.

Kritisch sehen die Unternehmensberater auch das Verhältnis zwischen dem Umweltministerium und dem Tüv. Als Generalgutachter erhielt der Tüv Südwest jährlich etwa 98 Prozent aller Überwachungsaufträge im Volumen von rund 30 Millionen Euro. Die Aktivitäten der Sachverständigen, so Kienbaum, würden allerdings nicht genügend geplant und gesteuert, hier gebe es "deutliche Regelungsdefizite". Zudem fehle es an Transparenz bei der Abrechnung. Dies hatte auch der Rechnungshof bei einer Prüfung der Atomaufsicht bemängelt, die wegen interner Querelen nicht abgeschlossen wurde.

Für stark vernachlässigt halten die Gutachter die Weiterbildung der Atomaufseher. Pro Kopf und Jahr stünden in Baden-Württemberg 740 Euro zur Verfügung. Niedersachsen gebe dagegen 3600 Euro je Mitarbeiter aus. Diese Diskrepanz zeige den "Rückstand und Anpassungsbedarf". Das Ministerium kündigte an, man werde sich nun um höhere Haushaltsmittel bemühen. Verstärkt werden muss nach Meinung der Kienbaum-Leute die Rotation der 45 Mitarbeiter. In Einzelfällen, rügen sie, säßen Mitarbeiter länger als zwölf Jahre am gleichen Platz. Ein häufigerer Wechsel werde in der Abteilung zwar kritisch diskutiert, habe aber klare Vorteile. So begünstige er etwa die "konstruktive Konfliktbereitschaft" gegenüber den Kraftwerksbetreibern.

Dem umstrittenen Chefaufseher Dietmar Keil bescheinigen die Gutachter eine "sehr straffe Führungsstruktur". Zugleich stellen sie jedoch fest: "Führungsprinzipien wie Aufgabenteilung, Delegation, Feedback-Prozesse und dezentrale Verantwortung sind deutlich unterrepräsentiert." Dies führe dazu, dass die Mitarbeiter eine "eher abwartende Haltung" einnähmen. Im Zuge der Atomaffäre hatte die Opposition mehrfach die Ablösung Keils gefordert, was Müller aber stets ablehnte.

Für die Grünen ist das Kienbaum-Gutachten "ein Beleg dafür, dass die Atomaufsicht in weiten Teilen ein Eigenleben führte". Dies sei aus Gründen der Sicherheit nicht akzeptabel, rügte Witzel. Nach Ansicht des Ministeriums zeigt die Studie dagegen, dass Baden-Württemberg "den Vergleich mit anderen Ländern nicht zu scheuen braucht". Verbesserungsvorschläge werde man aber aufgreifen.

Am 22-07-2002

Falsche Berechnungen

Wegen neuer Ungereimtheiten beim Betrieb ihres Atomkraftwerks Philippsburg gerät die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) abermals in die Kritik. Das Bundesumweltministerium äußerte am Dienstag in Berlin Zweifel am Sicherheitsmanagement der Betreiber. Der Block 2 des Kernkraftwerks sei trotz unzureichender Störfallbeherrschung wochenlang in Betrieb gewesen.

Das Àtomkraftwerk war bereits 2001 in die Schlagzeilen geraten, nachdem bekannt geworden war, dass im Block 2 die Flutbehälter nicht genügend boriertes Kühlwasser enthielten. Das Bundesumweltministerium hatte damals eine mehrwöchige Abschaltung des Kraftwerks erzwungen. Später wurde der Vorfall von einem Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag aufgerollt.

In der vergangenen Woche kam schließlich ans Tageslicht, dass es trotz Einführung eines neuen Sicherheitsmanagements durch die EnBW weitere Probleme bei der Störfallbeherrschung gibt. Dabei geht es um die Berechnung notwendiger Wassermengen für den Fall eines Lecks in der Hauptkühlmittelleitung, die offenbar nicht korrekt waren. Am Montag kam es deshalb zu einem Gespräch zwischen den Betreibern und der Atomaufsicht des Landes und des Bundes.

Ob die EnBW diese Anforderungen des Sicherheitsmanagements eingehalten habe, werde derzeit durch die Bundesaufsicht überprüft.

Am 19-01-2005

Störfallbeherrschung

Das Atomkraftwerk Philippsburg muss vorerst auch dann seinen Betrieb nicht einstellen, wenn der Betreiber Energie Baden-Württemberg (EnBW) den "Nachweis der Störfallbeherrschung" als gescheitert ansieht. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hob mit einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss die Vollziehbarkeit einer nachträglichen Auflage auf, in der EnBW zu Maßnahmen verpflichtet worden war, wenn dem Unternehmen Zweifel an der "Störfallbeherrschung" des Atomkraftwerks kommen würden. Der damalige Umweltminister Jürgen Trittin hatte das baden-württembergische Wirtschaftsministerium als zuständige Aufsichtsbehörde im Frühjahr per Weisung gezwungen, die vom Wirtschaftsministerium abgelehnte Auflage zu erteilen. Das Gericht entschied jetzt, die nachträgliche Auflage sei voraussichtlich rechtswidrig. Die Auflagen seien nicht genau genug und könnten zudem den Schutz des Atomkraftwerksbetreibers durch die Regelungen des Atomgesetzes umgehen. Eine Einstellung des Betriebs eines Atomkraftwerks sei nur mit einer Einzelentscheidung möglich. Dazu müsse die Aufsichtsbehörde den Sachverhalt im einzelnen aufklären und einen Verstoß gegen die Genehmigung feststellen und nachweisen. Das Bundesumweltministerium bedauerte die Entscheidung. Sie verschlechtere "die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit in Deutschland".

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs erging im Rahmen eines Eilverfahrens und ist unanfechtbar. In der Hauptsache könnte das Gericht die Anordnung jedoch noch bestätigen. Allerdings äußerte das Gericht bereits "erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Auflage".

Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg hatte der EnBW im März 2005 auf Weisung des damaligen Umweltministers Trittin aufgegeben, den Betrieb des Atomkraftwerks Philippsburg unverzüglich einzustellen, sofern "Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten" würden, es sei denn, "das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend".

Darüber sollte EnBW die Aufsichtsbehörde unverzüglich informieren, wenn "der Nachweis der Störfallbeherrschung" im AKW Philippsburg "in Frage gestellt sein könnte" und den Leistungsbetrieb des Atomkraftwerks unverzüglich einzustellen, wenn der Nachweis der Störfallbeherrschung gescheitert ist, es sei denn die Störfallbeseitigung wäre "zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt". Mit dieser nachträglichen Auflage sollte die erteilte atomrechtliche Genehmigung teilweise aufgehoben und der Betrieb des Atomkraftwerks nur noch nach Maßgabe der Auflage gestattet sein.

Die EnBW hatte dagegen eingewandt, dass für diese Auflage keine Rechtsgrundlage bestehe und zudem mit Ausnahme des Kernkraftwerks Biblis kein anderes Atomkraftwerk der Bundesrepublik mit einer solchen Auflage betrieben werde. Das Bundesumweltministerium hat jedoch im November allen deutschen Kraftwerksbetreibern eine solche nachträgliche Auflage angekündigt.

Mit seiner Entscheidung, ergangen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hat der Verwaltungsgerichtshof erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Auflage angemeldet. Die Auflage schreibe für eine Vielzahl von denkbaren Fallkonstellationen ein bestimmtes Verhalten vor, nämlich den Leistungsbetrieb einzustellen und die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu informieren beziehungsweise einen Projektplan zur Behebung der Sicherheitsprobleme vorzulegen.

Diese Auflagen seien jedoch nicht ausreichend genau, so die Richter. Nach Auffassung des Wirtschaftsministeriums solle die in der Auflage genannte Abweichung von einem Grenzwert nur dann zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs führen, wenn "der jeweilige Grenzwert zum Inhalt der atomrechtlichen Genehmigung gehöre und der Störfallbeherrschung diene".

Diese Differenzierung setze aber eine Bewertung von Risiken beziehungsweise die Beurteilung von technischen Vorgängen voraus, über die im jeweiligen konkreten Einzelfall erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen könnten. Dies könne auch nicht durch die Erwägung relativiert werden, der "Betroffene werde schon wissen, was gemeint sei". Denn der Betroffene eines Verwaltungsaktes müsse hinreichend bestimmt vorhersehen können, welches konkrete Verhalten von ihm verlangt werde und welches Verhalten mit Strafe oder Geldbuße bedroht sei. Nach dem Strafgesetzbuch werde nämlich das Betreiben einer kerntechnischen Anlage ohne die erforderliche Genehmigung mit fünf Jahren Haftbedroht; zudem handle er ordnungswidrig, wenn er einer vollziehbaren Auflage nach dem Atomgesetz zuwider handle.

Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachträglichen Auflage bestünden auch deshalb, weil es fraglich erscheine, ob die Behörde in einer abstrakten nachträglichen Auflage für eine Vielzahl von Fallgestaltungen die Einstellung des Leistungsbetriebs vorschreiben und damit die auch dem Schutz des Betreibers dienenden rechtlichen Bindungen nach dem Atomgesetz umgehen könne. Das Atomgesetz sehe für die Einstellung des Betriebs eines Kernkraftwerks eine konkrete Einzelentscheidung vor. Dies setze aber voraus, dass die Behörde im konkreten Einzelfall den Sachverhalt aufkläre und eine Abweichung von der Genehmung feststelle und nachweise. Es erscheine "überaus zweifelhaft", so das Gericht, ob eine andere Bestimmung des Atomgesetzes zum Erlass einer abstrakten Regelung ermächtigen könne, mit der Folge, dass die auch dem Schutz des Betreibers dienenden gesetzlichen Regelungen umgangen würden.

Damit überwiege das Interesse der EnBW, vom Vollzug der nachträglichen Auflage vor einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Die Auflage müsse auch nicht wegen des außergewöhnlich hohen Risikopotentials von Atomkraftwerken sofort umgesetzt werden. Denn auch ohne die angefochtene Auflage stehe der für die Atomaufsicht zuständigen Behörde das im Atomgesetz vorgesehene aufsichtsrechtliche Instrumentarium zur Verfügung. Der Gesetzgeber sei bei Änderung des Atomgesetzes davon ausgegangen, dass diese Handlungsermächtigungen einen ausreichenden Schutz vor den mit dem Betrieb eines Atomkraftwerkes verbundenen Risiken böten.

Das Bundesumweltministerium bedauerte die Gerichtsentscheidung. Der Inhalt der Auflage sei zum Schutz der Bevölkerung weiterhin erforderlich. Ähnliche Regelungen gebe es auch in anderen Staaten wie den USA, der Schweiz und Schweden. Die Entscheidung verschlechtere die "Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der nuklearen Sicherheit" in Deutschland.

Das Ministerium forderte die für den Vollzug des Atomgesetzes zuständigen Bundesländer auf, "die vom Gericht ausdrücklich bestätigten aufsichtlichen Mittel" wie Anordnungen im Sinne der vom Gericht ausgesetzten Auflage einzusetzen.

(Az: 10 S 644/05)

Am 08-12-2005

Inspektionen auf Wunsch der Betreiber

Mehr als fünf Jahre nach der Pannenserie im Atomkraftwerk Philippsburg hat die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) der Anlage zum wiederholten Mal ein gutes Zeugnis ausgestellt. Das baden-württembergische Kernkraftwerk sei sicherheitstechnisch im internationalen Vergleich "eine sehr gute Anlage", sagte der zuständige IAEA-Verantwortliche Miroslav Lipar am Mittwoch in Philippsburg. Das Atomkraftwerk habe sich in den vergangenen zwei Jahren noch einmal "positiv weiterentwickelt". Die Internationale Atomenergieorganisation setzt sich traditionell gemäß ihrer Satzung für die Förderung der so genannten zivilen Nutzung der Atomenergie ein. Die Inspektionen deutscher Atomkraftwerke erfolgen auf Wunsch der Betreiber der Atomkraftwerke.

Lipar zeigte sich "sehr beeindruckt" vom Atomkraftwerk Philippsburg. Die Korrekturmaßnahmen seien in vielen Bereichen "über unsere Empfehlungen hinausgegangen". Es gebe jetzt beispielsweise zwei Notfallübungen pro Jahr statt früher nur einer. Es sei ein "neues Notfallteam" gebildet worden. Die etwa 1000 Mitarbeiter von Fremdfirmen im AKW würden zudem nun besser überwacht.

Kraftwerksleiter Hans-Josef Zimmer sagte, er sei "sehr stolz" auf die Ergebnisse. "Ich glaube, wir haben nach 2001 an Reputation zurückgewonnen." In dem Kraftwerk war es im Sommer 2001 zu einer Pannenserie im Block 2 gekommen. Das Personal hatte wiederholt gegen Betriebsvorschriften verstoßen.Die Grünen kommentierten die Ergebnisse skeptisch. "Auch noch so gute Technik nützt wenig bis nichts, wenn der Faktor Mensch versagt", erklärte der energiepolitische Sprecher der Grünen im baden-württembergischen Landtag, Franz Untersteller. Bei allen "schwerwiegenden kerntechnischen Vorkommnissen" der Vergangenheit - von der Atomkatastrophe in Tschernobyl, dem Beinahe-Gau in dem US-amerikanischen Reaktor Harrisburg "bis hin zu den schweren Störfällen der jüngsten Vergangenheit in den Reaktoren Brunsbüttel, Forsmark oder der Anlage Philippsburg II im Jahr 2001" habe menschliches Versagen eine entscheidende Rolle gespielt.

Lipar kündigte unterdessen an, dass im Oktober 2007 auch das Atomkraftwerk Neckarwestheim auf Wunsch des Betreibers EnBW von der IAEA inspiziert werde. Der Energiekonzern will eine längere Laufzeit für das 30 Jahre alte Kernkraftwerk Neckarwestheim-1 bis 2017 durchsetzen, das ansonsten spätestens 2009 vom Netz gehen müsste. Hierfür sollen Strommengen vom jüngeren Reaktor Neckarwestheim-2 auf den deutlich älteren Block übertragen werden. Ein entsprechender Antrag wurde beim Bundesumweltministerium eingereicht.

Am 11-04-2007

Weiterbetrieb bei Zweifeln an der Störfallsicherheit

Atomkraftwerks-Betreiber können bei kleineren Sicherheitsbedenken ohne konkrete Gefahrenlage nicht gezwungen werden, ihre Anlagen unverzüglich vom Netz zu nehmen. Im Fall des badischen Kernkraftwerks Philippsburg erklärte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch (2. Juli) eine entsprechende Auflage der Atomaufsicht in weiten Teilen für rechtswidrig. Der Energiekonzern EnBW und das baden-württembergische Umweltministerium begrüßten die Entscheidung, während Umweltorganisationen Kritik äußerten.

Die sogenannte Biblis-Auflage war 2004 auf Weisung des damaligen Bundesumweltministers Jürgen Trittin (Grüne) erstmals für das gleichnamige hessische Kernkraftwerk erlassen worden und sollte ursprünglich auf alle deutschen Meiler übertragen werden. Für Philippsburg erging 2005 eine solche Auflage.

EnBW wurde darin verpflichtet, bei Zweifeln an der Störfallsicherheit das Kernkraftwerk sofort abzuschalten. Anlass war ein Sicherheitsmangel im Bereich des Notkühlsystems von Philippsburg. Der Bund hatte den Betreibern vorgeworfen, Block 2 über Monate hinweg weiter betrieben zu haben, obwohl er nicht gänzlich beherrschbar gewesen sei.

In dem Rechtsstreit hatte der EnBW-Konzern gegen das Land Baden-Württemberg geklagt, das die Auflage damals auf Weisung des Bundes erlassen musste. Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun, wie 2007 bereits der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, dass die Auflage "zu unbestimmt" sei. Der Betreiber könne "nicht hinreichend deutlich erkennen", wann genau die Anlage abgeschaltet werden müsse. Die Pflicht zur Abschaltung verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die mit der Auflage ebenfalls angeordnete Melde- und Informationspflicht hatte jedoch vor Gericht Bestand. Demnach müssen Betreiber die Aufsichtsbehörden sofort unterrichten, wenn Bedenken an der Beherrschung von Störfällen bestehen.

Ein Sprecher des baden-württembergischen Umweltministeriums sah die Haltung des Landes bestätigt und begrüßte die beibehaltene Informationspflicht, die "der gängigen Praxis" entspreche. Eine EnBW-Sprecherin zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. "Das Urteil bestätigt letztinstanzlich unsere Auffassung", sagte sie.

Das unterlegene Bundesumweltministerium sah sich trotz Niederlage zumindest "zum Teil bestätigt". Die verbindliche Informationspflicht stärke die Atomaufsicht, hieß es in Berlin. Dies begrüßte auch der baden-württembergische Grünen-Energieexperte Franz Untersteller. Es sei nunmehr sichergestellt, dass bereits bei begründeten Zweifeln die Atomaufsicht umgehend informiert werde.

Kritik kam sowohl von Greenpeace als auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital warf dem Landesministerium vor, die Auflage "absichtlich" nicht konkretisiert zu haben. Die baden-württembergische BUND-Chefin Brigitte Dahlbender sagte, mit dem Urteil würden Bürokratie und Betreiberinteressen vor die Sicherheit der Bevölkerung gestellt.

(AZ: BVerwG 7 C 38.07 - Urteil vom 2. Juli 2008)

Am 02-07-2008