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Der Preis der Bomben auf Afghanistan

IPPNW-Hintergrundpapier

Die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) veröffentlichte im Februar 2002 ein Hintergrundpapier mit Zahlen und Fakten zur Zahl der zivilen Opfer und Flüchtlinge in Afganistan. Es beschreibt die Sitution in den einzelnen Regionen des Landes und die Umweltschäden durch die Bombadierungen. Zudem werden die verheerenden Folgen von nicht explodierten Clusterbomben resumiert. ngo-online dokumentiert das IPPNW-Papier im Wortlaut:

1. Verluste in der Zivilbevölkerung

UNICEF nimmt für den schlimmsten Fall an, dass mehr als 100 000 afghanische Kinder an Hunger, Krankheiten und Kälte sterben (UNICEF, 31.12.2001). Eine kürzliche MSF Umfrage in Karai in der Provinz Faryab zeigt, dass eines von sieben Kindern unterernährt ist. Eine weitere aktuelle Umfrage hat gezeigt, dass sich die Sterblichkeitsrate verdoppelt hat (MSF, 18.01.2002).

MSF berichtete am 05.12.2001, dass Dutzende Zivilisten durch das Bombardement in der Tora Bora Gegend (Pachir, Wazir und Agam) getötet worden seien. Seit dem Beginn des Bombardements am 01.12.2001 haben Helfer mehr als 80 Tote und 50 verwundete Zivilisten, darunter insbesondere viele Frauen und Kinder, nach Jalalabad gebracht. darunter befand sich eine Familie, in der der Vater getötet, die Mutter schwer verwundet und vier Kinder verletzt wurden. Ein Sechsjähriger verlor ein Auge, ein Arm und ein Beim wurden amputiert, der andere Arm zur Hälfte abgenommen.

Marc Herold, ein amerikanischer Wirtschaftsprofessor von der Universität New Hampshire, hat eine unabhängige Studie über die Verluste in der Zivilbevölkerung durchgeführt. Herold schätzt mit Hilfe erhärtender Berichte von Hilfsgruppen, der UN, Augenzeugen und den Medien, dass wenigstens 3767 Zivilisten vom Bombardement zwischen dem 07.-10.12.2001 betroffen wurden. Das sind im Durchschnitt 62 Tote pro Tag. Seine Studie beeindruckt nicht nur durch ihre akribisches Spektrum, sondern auch durch seine konservativen Annahmen, die er jedem Zwischenfall entgegenbringt.

Seine Zahl umschließt nicht die, die später an den Folgen des Bombardements gestorben sind, auch nicht die an Hunger oder Kälte Verstorbenen, die unter der Einstellung von Hilfslieferungen zu leiden hatten und flüchten mussten. Ebenso werden Todesfälle im Militär (Experten schätzen diese auf 10 000) und Tote unter den Kriegsgefangen nicht einbezogen (Milne 2001). Es gab Bombenangriffe auf Ziele wie die Kajakai Staudamm-Elektrizitätswerke, Kabuls Telefonanlagen, den al-Jazeera TV Sender, Lastwagen und Busse mit Flüchtlingen und zivile Ölwagen (Milne 2001).

Einge Beispiele Marc Herolds:

Am 11.10.2001 bombardierten zwei US Flieger das Bergdorf Karam und töteten dabei 100-160 Menschen. (Quellen: die englischsprachige pakistanische Zeitung DAWN, The Guardian London, the Independent, International Herald Tribune, the Scotsman, the Observer, the BBC News)

In den frühen Morgenstunden des 13.10.2001 warf eine F-18 2000 Pfund-JDAM Bomben; sie töteten 2 Km südlich vom Kabul Flughafen bei Qila Meer Abas vier Menschen. (Quellen: Afghanic Islamic Press, Los Angeles Times, Frontier Post, Pakistan Observer, the Guardian London, the BBC News).

Am 31.10.2001 warf eine F-18 eine 2000 Pfund JDAM Bombe auf die Roter Halbmond Klinik, 15-25 Menschen wurden getötet. (Quellen: DAWN, The Times of London, the Independent, the Guardian, Reuters, Associated Press, Agence France Presse (Common Dreams 2001)).

2. Flüchtlinge

"Die Militäraktionen gegen Osama bin Laden und sein al Qaida Netzwerk haben die schlimme humanitäre Krise in und um Afghanistan verschlimmert." (Christopher Strokes, MSF, 19.11.2001)

Der drohende Winter ist bedrohlich für die Flüchtlinge und die Vertriebenen, die Hilfsgruppen stehen bereits im Wettlauf mit der Zeit und die Instabilität durch die Bomben behindern alle Fortschritte.

Da die Bombardements vor allem auf urbane Zentren wie Kunduz (die letzte Stellung der Taliban im Norden) stattfinden, "strömen die Flüchtlinge aus der Stadt". (McKenzie und Blanchfield, 2001)

Aufgrund der instabilen Lage im September mussten sich viele Hilfsgruppen in die umliegenden Länder Afghanistans zurückziehen. Einige konnten bis Mitte November nicht zurückkehren. Während ihrer Abwesenheit wurden die UNHCR Lagerhäuser und die Büros in Jalalabad, Mazar-i-Sharif und Kandahar geplündert. MSF konnte die Hilfsmaßnahmen in afghanischen Städten bis Oktober fortsetzen, aber ihre Fortschritte waren begrenzt wegen der Instabilität und den Plündereien (MSF, 24.10.2001).

"ich bin mir nie einer anti-amerikanischen oder anti-westlichen Haltung in den Flüchtlingslagern bewusst geworden. Sie kümmern sich wirklich nur ums tägliche Überleben. Ihre Energie und ihre Gedanken drehen sich nur um Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinische Betreuung." (Nicki Smith, MSF, 07.11.2001).

Ländliche Gebiete bekommen wenig oder gar keine Unterstützung, da sie schlecht erreichbar sind, erst recht im Winter. Die Unterstützung der ländlichen Gebiete ist zur Zeit die größte Sorge der IRC, sie hat ein paar Bergdörfern Hilfe zukommen lassen können. (ICRC, 28.12.2001)

Die humanitäre Lage in entlegenen Gebieten verschlechtert sich sehr schnell, da die Nahrungsverteilung unzureichend ist und nicht die Bedürftigsten erreicht. MSF hat eine beträchtliche Zunahme an ernsthaft unterernährten Kindern beobachtet, die zu den Nahrungsmittelcentern in der Provinz Faryab kommen. Dies sind alarmierende Anzeichen für eine Lebensmittelkrise. Eine kürzliche Umfrage zeigt, dass die Familien nur noch Weizen für fünf Tage haben und nur 23% der Familien Nahrung bei der letzen Nahrungsverteilung erhielten. (MSF, 18.01.2002).

"Wir teilen das gleiche Schicksal", sagte eine geflüchtete Afghanerin in Peshawar. "Es ist eine Geschichte des Verlustes." Zwei Dekaden Krieg haben Afganistan verwüstet, die Bevölkerung schrumpfen lassen und die Überlebenden körperlich und geistig erschöpft. Laut dem ICRC Bericht "Menschen im Krieg" hat der Krieg in 20 Jahren 1,7 Millionen Menschen getötet und zwei Millionen Menschen zu Behinderten gemacht, viele von ihnen Frauen und Kinder. Fünf Millionen mussten aus ihrem Land fliehen. (ICRC, 11.10.2001)

Schätzungen der UNHCR zufolge, leben vier Millionen Flüchtlinge außerhalb Afghanistans, mehr als 1,3 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben worden, vor den Konflikten, der Dürre und der zerrütteten Wirtschaft fliehend.

Seit November sind Flüchtlinge aus den Nachbarländern Pakistan und Iran zurückgekehrt und Tausende Vertriebener sind auf dem Weg nach Hause. Es können jedoch nur wenige ohne internationale Hilfe zu Hause überleben, um die verwüstete Infrastruktur, das Land und die Arbeit wieder aufzubauen. (UN News Centre, 21.01.2002)

Situation in den einzelnen Gebieten

Nordafghanistan: Vertriebene sind im kriegsgeschüttelten Norden verstreut, mit 41 Flüchtlingslagern in der Mazar Gegend, die schätzungsweise 50 000 Familien (ungefähr 250 000 Menschen) Zuflucht gewähren, hauptsächlich tadschikischen und usbekischen Ursprungs. Diese Flüchtlingslager wie auch andere Lager in Afghanistan ziehen nicht nur die durch Krieg oder Dürre Vertriebenen an, sondern auch Familien aus nahegelegenen, armen Dörfern, außerdem Menschen, die aus den Hilfsgütern Gewinn schlagen wollen.

Ostafghanistan: Die Sicherheitssituation im Osten bleibt problematisch, hauptsächlich durch Stammesstreitereien. UNHCR Kräfte beschränken sich auf einen 10km-Radius in Jalalabad und die nahegelegenen Provinzen Paktia, Paktika und Khost bleiben Sperrgebiet.

UNHCR Mitglieder in Jalalabad versuchen die Verteilung von Hilfsgütern für 14 000 in der Region verstreuten Menschen zu organisieren, aber es fehlt einfach an angemessenen NRO um die Hilfsgüterlieferungen zu koordinieren und an verlässlichen afghanischen Stellen und lokalen Gesprächspartnern um umfangreiche Operationen zu ermöglichen. (UNHCR, 18.01.2002)

Die Population des Hesarshari Flüchtlingslagers bei Jalalabad ist von 500 Familien am 01.12.2001 auf über 2000 Familien am 04.12.2001 angestiegen. (MSF, 2001 a).

Westafghanistan: Die Vertreibung der Bevölkerung um die westafghanische Stadt Herat ist seit Jahren ein Problem gewesen, das durch die Dürre der 1990er Jahre verschärft wurde.

Die Mehrheit der westafghanischen Flüchtlingen lebt in sechs Flüchtlingslagern verstreut um Herat, die 300 000 Menschen Zuflucht gewähren. Die meisten von ihnen sind Bauern, die ursprünglich wegen Dürre und Armut geflohen sind. Gottseidank gibt es aufgrund der relativ stabilen Situation der Region wenige Menschenrechtsverletzungen aufgrund ihrer Flucht, und die meisten von ihnen können und sollen zu ihren Feldern zurückkehren, wenn der Regen anhält und umfassende Unterstützung angeboten wird. Die Vertriebenen von Herat verabscheuen das Leben in den riesigen Zeltlagern und notdürftigen Baracken, aber da sie von ihrem Land abgetrennt sind und viele ihrer Habseligkeiten verkauft haben, sind sie völlig abhängig von dieser Hilfe. (UNHCR, 18.01.2002)

Südafghanistan: Die Bomben und die Instabilität in Südostafghanistan hat zur starken Zunahme der Flüchtlinge aus diesen Gebieten geführt. Dort hat sich die Möglichkeit zur Hilfe für die Hilfsorganisationen aufgrund der instabilen Lage verringert. (UNHCR, 07.01.2002)

Die Sicherheit in Kandahar bleibt prekär. Die UNHCR plante, Mitarbeiter am 19.01.2002 nach Spin Boldak zu senden, was gegenüber der pakistanischen Grenzstadt Chaman liegt. Zehntausende vertriebener Afghanen lebten in Notunterkünften bei Spin Boldak im Dezember, so dass die UNHCR vermutet, dass mehr als 13 000 Menschen kürzlich wegen mangelnder Unterstützung und der bedenklichen Sicherheitslager in den Notunterkünften nach Pakistan geflohen sind. (UNHCR, 18.01.2002).

3. Umweltschäden

Die Bomben haben Waldbrände um Tora Bora entfacht, die bis zum 05.12.2001 nicht unter Kontrolle waren. (MSF, 2001)

Die Bombardierung im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg und der Dürre führt zu einer kritischen Umweltlage. Eine UN Delegation wird im Februar die Schäden der Region begutachten. Weniger als zwei Prozent des Landes machen jetzt noch Waldflächen aus. "Die schlimmste Rodung fand während des Taliban Regimes statt, wenn die Nutzholz-Mafia die Wälder für den pakistanischen Markt ausraubte", sagt Usman Qazi, ein Umweltbeauftragter in Qetta, Pakistan. Die Bombardements stifteten die verbleibenden Talibantruppen dazu an, die Reste zu verbrennen und zu zerstören.

Die Flüchtlingskrise trägt auch zu einer ernsthaften Umweltdegeneration bei, viele Schäden sind irreversibel. Die Wälder und die Vegetation werden für die nötigen Anbauten zerstört, aber die Ausbeute ist von kurzer Dauer.

"Wahrscheinlich wird das Land sogar für den einfachsten Anbau untauglich sein", warnt Hammad Naqi vom WWF in Pakistan. Die nach letzten Schätzungen vier Millionen Flüchtlinge zerstören den Wald auch, um Feuerholz zu bekommen.

Die Bomben hinterlassen mehr Spuren als nur die sichtbaren Krater. Verteidigungsexperten sagen, dass zwar in Afghanistan nicht soviel angereichertes Uran wie im Kosovo verwendet wurde, aber die herkömmlichen Explosionsstoffe das Land verschmutzen werden. Sie enthalten giftige Bestandteile wie das Karzinogen Cyclonit. und die Raketen enthalten Treibstoffe Perchlorate, die die Schilddrüse angreifen. (Pearce, 2002).

Charles Cutshaw, ein ehemaliger Nachrichtenoffizier der Armee und Vietnamveteran: "Selbst herkömmliche Munitionen sind mit Giften gespickt, die mit dem Wind der Detonation fortgetragen werden. Die Metallbestandteile enthalten Schwermetalle wie Eisen, ein Nervengift und Kadmium, das Lungenleiden und Organschäden verursacht." (Activist San Diego, 04.12.2001)

4. Infrastruktur

Von dem 20 Jahren andauernden Konflikt erschüttert, fehlt Afghanistan die moderne Infrastruktur des Vorkriegs-Jugoslawiens, was ein geringeres Ausmaß an Schäden in der Zivilgesellschaft ausmacht. Anfang November jedoch berichtete die BBC, dass amerikanische Bomben eines der größten Kraftwerke Afghanistans getroffen haben, und in Pressemitteilungen des Pentagons hieß es, dass nach den Ölreserven und Benzinlagern der Taliban gesucht werde. (Activist San Diego, 04.12.2001)

Einwohner Nordafghanistans beschreiben die vorhandene Infrastruktur der Region. "Es gibt viele Annehmlichkeiten, die Westler vermuten, die es aber überhaupt nicht gibt, z.B.:

  • Versand: Händler tragen manchmal ihre Ware von Markt zu Markt.
  • Eisenbahnverbindungen und feste Straßen
  • Elektrizität: Ghulam Nabi Emani, ein Chirurg am vom Iran errichteten Krankenhaus im nahegelegenen Khoja Bahauddin Dorf, betreibt einen Generator, bevor er das Skalpell ansetzen kann. Es ist eines der Handvoll von Krankenhäusern, die die 100 000 Menschen des Distrikts versorgen.
  • Telefon und Radio. Die wenigen importierten Satellitenschüsseln und Kurzwellenradios, die BBC, Voice of America und andere ausländische Sender empfangen, sind nur wenigen Menschen beschieden.
  • Luftlinien und kommerzielle Flughäfen.
  • Bildung. Die meisten Männer und fast alle Frauen sind Analphabeten. Im Gegensatz zu den Taliban erlaubten die nördlichen Alliierten den Mädchen den Schulbesuch, aber weniger als zehn Prozent lernen jemals Lesen und Schreiben. (Komarow)

Laut Talibanbeamten haben die amerikanischen Bomben eines der größten Kraftwerke Afganistans getroffen, wodurch die Energieversorgung zu den stärksten Stellungen der Taliban in Kandahar und der Stadt Lashkargah unterbrochen wurden. Der Botschafter der Taliban in Pakistan sagte, dass ein Roter Halbmond Krankenhaus in Kandahar von den Bomben getroffen wurde. Jedoch wurden beide Berichte nicht unabhängig bestätigt. das Pentagon sagte, es wäre ein Gebäude 30 m vom Krankenhaus entfernt getroffen worden. Simon Ingram von der BBC, einer der ausländischen Journalisten, die von der Taliban das Gebiet um Kandahar betreten durften, kam zu einem von den Bomben getroffenen Dorf. "Wir fanden eine Szene totaler Zerstörung vor. Eine Anzahl Häuser, alles in allem 40 bis 50 Stück, war komplett zerstört", berichtete er von Choker Kariz. Bewohner sagten, dass 90 Menschen gestorben seien - fast die gesamte Bevölkerung des Dorfes. (BBC News, 01.11.2001)

Blindgänger (UXO)

Clusterbomben stellen ein zusätzliches Problem dar, da einige von ihnen nicht explodieren und die Flächen mit Einschlägen überziehen, die erst später ihre Wirkung zeigen. Sie können gegen Personen, gegen Panzer gerichtet oder brandstiftend sein. (Thompson, 10.10.2001)

Auf militärische und zivile Ziele abgeworfene Clusterbomeben hatten eine Misserfolgsrate von 20 Prozent. Das bedeutet, dass Hunderte von Blindgängern überall im Land verstreut liegen und eine gefährliche Bedrohung für die Zivilbevölkerung darstellen.

Das Hauptproblem mit den nicht explodierten Ladungen der Clusterbomben ist, dass sie unberechenbar sind. Es ist nicht einzuschätzen, wann sie explodieren. Faktoren, die ihre Explosion beeinflussen, sind z.B. Extremtemperaturen, Temperaturschwankungen (wenn der Blindgänger den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt ist, kann der Schatten einer vorbeikommenden Person eine Explosion auslösen), Erschütterungen und Radiowellen.

Mehrere Clusterbomben sind versehentlich auf Wohngebiete abgeworfen worden, was Tote und Verwundete unter den Zivilisten hervorrief. MSF hat in Herat viele Zivilisten erlebt, die von Minen oder Blindgängern verletzt wurden.

Offiziellen Berichten von lokalen Entminungsgruppen und dem regionalen Krankenhaus in Herat zufolge, wurden bislang 38 Tote und eine unbekannte Anzahl von Verletzten durch Clusterbomben registriert. Einige Ärzte des regionalen Krankenhauses in Herat vermuteten, dass die Zahlen höher liegen. Allein in dem Dorf Qala Shaker bei Herat starben 12 Menschen und mehr als 20 Menschen wurden durch die Clusterbomben verletzt.

Laut Mine Action Center wurden die Nahrungsmittel und die Clusterbomben in den gleichen Gebieten abgeworfen. Obwohl sie sich in Größe und Form unterscheiden, sind beide gelb, so dass Kinder Blindgänger für Nahrungsmittel oder andere Hilfslieferungen halten könnten.

Die UN EODs und die lokalen Entminungsgruppen in Herat leisten großartige Arbeit, aber es ist offensichtlich, dass so viele Flächen von Minen und Blindgängern verseucht sind, dass nicht alles zur gleichen Zeit bewältigt und geräumt werden kann. Es werden mehr Experten benötigt, um die lokalen Entminungsgruppen zu schulen und sie in ihren Aktivitäten zu unterstützen.

MSF ruft auf zum Verzicht auf den Einsatz von Clusterbomben. Die Bomben können als willkürliche Waffen klassifiziert werden, durch die Genfer Konvention ist ihr Einsatz also verboten (Zusatzprotokoll I, Art. 51, 4 und 5b).

Bericht vom 14jährigen Abdulmasir aus Herat: "Vor zwei Tagen gab es eine religiöse Zeremonie, und wir gingen zu einem Schrein auf einem Hügel im Norden der Stadt. Es gab ein paar Dosen auf der Spitze des Hügels, und ich dachte, dass sie Nahrungsmittel enthalten. Ich nahm eine und zeigte sie einem Freund, wir bemerkten, dass sie dabei merkwürdige Geräusche machte. Er fragte mich: 'Was ist das für ein Geräusch? Lass mich mal schauen.' ich warf die Dose zu ihm herüber, er schaute sie sich an, warf sie weg, dann explodierte die Dose. Mein Freund starb und ich wurde schwer verletzt. Es war eine Dose mit einem Pappdeckel und innen war Plastik. Es war auch ein gelber 15cm langer Stock mit vier Flügeln am Ende, wir vermuten also, dass es eine Clusterbombe war." (MSF, 18.01.2002 b)

Vor den Bombardements wurden wöchentlich zwischen 40 und 100 Afghanen durch Blindgänger verletzt. Die Hälfte von ihnen starb auf dem Weg ins Krankenhaus und der Rest wurde entstellt. Die Bombardements werden zu weiteren unerwarteten Zwischenfällen führen. Die Weltbank schätzt die Kosten der Entminung auf 500 Millionen US-Dollar. (Raphaeli, 02.11.2001)

5. Wiederaufbau

Die vorbereitenden Maßnahmen zur Erholung und zum Wiederaufbau zwischen 2002 und 2006 gehen davon aus, dass der Wiederaufbau Afghanistans über 15 Milliarden US-Dollar verschlingen wird. Dies wurde von dem UN Entwicklungsprogramm, der Asian Development Bank und der Weltbank nach intensiver Beratung und Berechnung mit Vertretern der afghanischen Zivilbevölkerung und der Übergangsregierung und internationalen Entwicklungspartnern veranschlagt.

Die Berechnung bezieht vor allem Gebiete ein, die von vielen Menschen in Afghanistan als Priorität zur Rückgewinnung ihres Lebens und ihres Landes angesehen werden nach so vielen Jahren in Not und massiver Vertreibung.

Das UN Sofort- und Zwischenhilfe Programm für die afghanischen Menschen 2002, abgefasst nach Beratung mit der Übergangsregierung und NRO Partnern, geht von 1,33 Milliarden US-Dollar aus, die von Oktober 2001 bis Dezember 2002 benötigt werden, um sofortige Hilfe, Erholung und Wiederaufbau leisten zu können. (UN News Center, 18.01.2002)