NGO DIE Internet-Zeitung

März 2004

Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.

Die vierjährige "Verführerin"

Drastische Plakatkampagne gegen sexuellen Missbrauch und Familiengewalt

"Diese Hure hat ihren Onkel verführt", steht auf dem Kampagnen-Plakat des "Weißen Rings" gegen sexuellen Missbrauch von Kindern. Die vermeintliche "Hure" ist ein vielleicht vier Jahre altes Mädchen, das mit treuherzigem Augenaufschlag in die Kamera blickt. Das schockierende, provozierende Bild ist eines der Motive, die Studierende der Bauhaus-Universität Weimar im Auftrag der Opferschutzorganisation gestaltet haben. Zum jährlichen "Tag der Kriminalitätsopfer" am 22. März meldet sich der "Weiße Ring" diesmal deutlicher und lauter zu Wort denn je.

Pflanzenschutzmittel verwendet

Seeadler sterben an ausgelegten Ködern

In Mecklenburg-Vorpommern sterben Seeadler an illegal ausgelegten Giftködern. Nach Angaben von Ornithologen wurden in den vergangenen zwei Monaten bei Demmin und Bad Doberan vier tote Tiere aufgefunden. Untersuchungen am Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin ergaben, dass die mindestens fünf Jahre alten Greifvögel durch die Aufnahme eines nervenschädigenden Wirkstoffes verendeten.

In Ausbildung statt Studium gedrängt

Hohe Kosten halten Arme von Gymnasium und Uni fern

Das deutsche Bildungssystem verhindert durch seine Kostenverteilung, dass Kinder aus sozial schwachen Familien eine höhere Bildung erhalten. Dies ist das Ergebnis einer am Freitag veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). Während die Kosten der Schulausbildung zu 19 Prozent, die eines Studiums gar zu 49 Prozent privat von Studenten oder Eltern finanziert werden müssen, beträgt dieser Anteil bei der Berufsausbildung nur vier Prozent. Wenn ein Kind also nach der Sekundarstufe I eine Berufsausbildung beginnt, entstehen den Eltern durch die geringeren Lebenshaltungskosten für das Kind und das Kindergeldes, das sie trotzdem erhalten, hohe finanzielle Vorteile. Dies verhindert aber einen stärkeren Zugang einkommensschwacher Schichten zu weiterführender Bildung, zunächst zur gymnasialen Oberstufe, warnte das FiBS. Die Einführung von Studiengebühren, auch in Form von Gutscheinen, sei deshalb kontraproduktiv. Im Gegenteil müsse gerade für bildungsferne Schichten der Zugang zu Kindertagesstätten, gymnasialer Oberstufe und Hochschule stärker gefördert werden.

Trotz voraussichtlicher Rechtswidrigkeit hin

Koblenzer Wehrpflichtige müssen dienen, Kölner nicht

Wehrpflichtige können nicht mit dem Argument gegen ihre Einberufung vorgehen, dass eine Großzahl anderer junger Männer keinen Zivil- oder Militärdienst leisten müssen. Das Verwaltungsgericht Koblenz stellte sich mit diesem Beschluss in einem Eilverfahren gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln, das im Dezember zu Gunsten eines Wehrpflichtigen entschieden hatte. Die Koblenzer Richter vertraten zwar die Ansicht, dass die Praxis der Bundeswehr, nur einen kleinen Teil der Wehrpflichtigen einzuberufen, "aller Voraussicht nach rechtswidrig" sei. Doch könnten Wehrpflichtausnahmen nur mit einem Parlamentsgesetz eingeführt werden, eine Vorschrift der Verwaltung genüge nicht. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass auch er in den Genuss einer rechtswidrigen Praxis komme, da es keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisierte die Entscheidung scharf. Sie öffne "einmal mehr der Wehrungerechtigkeit Tür und Tor". "Von einer allgemeinen Wehrpflicht wollen die Richter in Koblenz nichts wissen", so die Kampagne. Stattdessen billigten sie den Wehrbehörden ein Auswahlermessen zu, das das Grundrecht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz aushöhle.

"Da suchen, wo sie sind"

USA sollen eigene Massenvernichtungswaffen vernichten

Zum Jahrestag des Beginns des Irak-Krieges hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace scharfe Kritik an den USA geübt. US-Präsident George W. Bush solle mit der Suche und Beseitigung der Massenvernichtungswaffen dort beginnen, "wo diese tatsächlich zu finden sind: in den USA selbst". Zehn Greenpeace-Aktivisten stellten vor der US-Botschaft in Berlin eine acht Meter hohe Freiheitsstatue auf. Sie hält eine Landkarte der USA, auf der die Produktions- und Lagerstätten atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen eingezeichnet sind.

Vorbild Eltern

Familienministerin warnt vor ausuferndem TV-Konsum bei Kindern

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) warnt vor einem ausufernden Fernsehkonsum vieler Kinder. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp rief sie die Eltern zu einem kindgerechten Umgang mit Fernsehangebot und Computerspielen auf.

Negative Überzeichnung

Gibsons "Passion Christi" weckt Angst vor Antisemitismus

Die evangelische und katholische Kirche sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland befürchten, dass der Kinofilms "Die Passion Christi" antisemitischer Propaganda Vorschub leistet. Die Produktion von US-Regisseur Mel Gibson erwecke den Eindruck einer negativen Überzeichnung etwa des Hohen Rates und des jüdischen Volkes, erklärten Bischof Wolfgang Huber, Karl Kardinal Lehmann und Paul Spiegel am Donnerstag gemeinsam in Hannover. Dies berge die Gefahr, dass antisemtische Vorurteile wieder auflebten. Angesichts erstarkender antisemtischer Tendenzen in Europa sei dies "besonders brisant". Das Erzbistum Freiburg dagegen empfiehlt den Film.

Kuba

Fidel Castro soll alle politischen Gefangenen sofort freilassen

Ohne angemessene medizinische Versorgung und unter unwürdigen Bedingungen befinden sich 75 kubanische Dissidenten seit einem Jahr in Haft. Ihre schlechte Behandlung verletzt internationale Standards. Viele der Inhaftierten befinden sich in einem kritischen Gesundheitszustand. Viele haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zu diesen Ergebnissen kommt ein heute veröffentlichter Bericht von Amnesty International, der die Situation der 75 Dissidenten detailliert dokumentiert. ai betrachtet die Inhaftierten als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre sofortige Freilassung. Bis dahin müssen die Behörden die internationalen völkerrechtlichen Standards für die Behandlung Inhaftierter beachten.

Hundehalter in der Pflicht

Bundesverfassungsgericht kippt Kampfhundegesetz

Das Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunderassen ist unzulässig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe heute entschieden. Damit ist das Zuchtverbot, das für bestimmte Hunderassen galt, rechtswidrig. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes unterstreicht einmal mehr die Position des Deutschen Tierschutzbundes, dass die Rassezugehörigkeit eines Hundes nicht als Indikator für dessen eventuelle Gefährlichkeit stehen darf", kommentiert Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, das Urteil. "Die charakterlichen Eigenschaften eines jeden Hundes liegen in der Verantwortung von Züchter und Halter. Ein bundeseinheitliches Heimtiergesetz, das Zucht, Haltung, Handel sowie Im- und Export von Tieren regelt, ist daher mehr als überfällig!"

Indien

Tödliche Vergiftungen durch BAYER-Pestizide im Baumwollanbau

Im südindischen Baumwollgürtel kommt es zu einer hohen Zahl von Vergiftungen durch Pestizide der Firma BAYER. Da die Landarbeiter nicht über die Risiken des Gifteinsatzes aufgeklärt werden und keine Schutzkleidung besitzen, kommt es täglich zu tödlichen Vergiftungen. Allein im Krankenhaus der Provinzhauptstadt Warangal müssen monatlich bis zu eintausend Fälle behandelt werden. Dies belegen Recherchen der TV-Journalistin Inge Altemeier.

Medizinische Ethik

"Bürgervotum" fordert: Forschung mit adulten Stammzellen verstärken

Mehrheitlich für die Verstärkung der Forschung mit adulten Stammzellen haben sich 12 durch Zufallsprinzip ausgewählte Bürger der ersten "Bürgerkonferenz zur Stammzellforschung" in Deutschland ausgesprochen. Zum Abschluss der knapp sechs Monate dauernden Konferenz überreichten sie dem Schirmherrn der Tagung, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, am 15. März 2004, in Berlin ihr "Bürgervotum. In ihrem Gutachten votiert eine Hälfte zudem für die Beibehaltung des Embryonenschutz- sowie des Stammzellgesetzes und spricht sich dafür aus, dass "diese gesetzgeberische Entscheidung in internationalen Gremien entschlossen vertreten" wird.

Urwaldschutz

Holzindustrie will Schwindel mit Scheinsiegeln stoppen

Sieben deutsche Baumärkte haben falsch gesiegelte Holzprodukte aus russischer Urwaldzerstörung aus den Regalen geräumt. Damit reagiert der Handel auf den von Greenpeace in den vergangenen Wochen aufgedeckten Missbrauch von Holz-Siegeln. Das Sägewerk Rettenmeier aus Wilburgstetten hatte billiges Fichtenholz aus russischem Raubbau mit dem Logo des deutschen Holzabsatzfonds, "Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft - Gewachsen in Deutschlands Wäldern", etikettiert und den Baumärkten verkauft. Rettenmeier hat die Skandalware inzwischen zurück genommen und will zukünftig kein Holz aus russischer Urwaldzerstörung beziehen.

Weltverbrauchertag

Umweltverbände legen Alternativentwurf für Gentechnikgesetz vor

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern Verbesserungen im von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Novellierung des Gentechnikgesetzes ab. "Im Regierungsentwurf der Bundesregierung fehlen die wichtigsten konkreten Vorsorge-, Schutz- und Haftungsregelungen", beklagte Hubert Weinzierl, Präsident des DNR.

Pflanzenschutz ohne Gift

Düngung mit Schwefel erhöht Nährwert und Krankheitsresistenz von Kartoffeln

Wissenschaftler des Institutes für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig fanden heraus, dass bei Kartoffeln eine gute Versorgung mit Schwefel (S) die Gesundheit der Pflanzen erhöht. Schwefel ist ein für alle Lebewesen essenzielles Element und kommt in der Natur als Salz (z.B. Bittersalz) oder rein als Schwefelblüte vor und gelangte in der Vergangenheit überwiegend mit dem "sauren Regen" in landwirtschaftliche Böden. In den letzten 20 Jahren sind jedoch die Schwefeleinträge aufgrund von Maßnahmen zur Luftreinhaltung, Senkung des Gehaltes in Kraftstoffen sowie der Herstellung "ballastfreier" Dünger, drastisch von weit über 50 kg/ha auf nunmehr häufig unter 10 kg/ha gesunken.

Soziale Sicherung

Gemeinsame Mobilisierung gegen den Sozial-Kahlschlag

Rund 50 Attac-Mitglieder aus zwölf Städten und vier Bundesländern haben am vergangenen Wochenende in Könnern bei Halle gemeinsame Aktionen vorbereitet. In Vorträgen, Workshops und Seminaren informierten sich die Teilnehmer im Alter von 17 bis 70 Jahren in der Attac-Villa Könnern zunächst über Hintergründe von Sozialabbau. Fachautor Dr. Harald Klimenta aus Regensburg stellte in seinem Referat dar, warum die Privatisierung von Renten- und Gesundheitssystem unsinnig ist und was die Alternativen sind: "Die Regierung bittet nur Alte, Arme, Kranke und Arbeitslose zur Kasse. Dabei ist der Reichtum in Deutschland größer als je zuvor. Wir müssen dafür sorgen, dass bei der Finanzierung der Sozialsysteme alle Einkünfte berücksichtigt werden."

Bundesrat vertagt Entscheidung

Schleswig-Holstein will Verbandsklagerecht für Tierschützer

Der Bundesrat hat am Freitag über die Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände beraten. Das Land Schleswig-Hostein hatte einen Antrag eingebracht, der er den Tierschutzverbänden ermöglichen könnte, in Zukunft als Vertreter der Tiere vor Gericht klagen. Eine Entscheidung fiel noch nicht; der Entwurf wurde an die zuständigen Fachausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen.

Erneut verbraucherfreundliches Urteil

Italienische Firma muss versprochenen Gewinn auszahlen

Erneut ging am Donnerstag ein Prozess wegen unseriöser Gewinnversprechen zu Gunsten der Verbraucher aus: Eine italienische Firma muss ihr Gewinnversprechen einlösen und einem Mann aus dem Raum Heilbronn 15 000 Euro auszahlen, entschied das Oberlandesgericht Stuttgart. Da die Firma im Herbst 2002 schrieb, die Geldübergabe habe bereits stattfinden sollen, sei damit der Eindruck eines realen Gewinns erweckt worden, sagte der Vorsitzende Richter Werner Müller in der Begründung. Unterdessen warnt die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein vor weiteren unseriösen Gewinnversprechen, mit denen vor allem Senioren Geld aus der Tasche gezogen werden soll.

Doppelt so starke Belastung wie angenommen

Fliegen verursacht tödliche Klimaschäden

Umweltverbände haben zum Auftakt der Internationalen Tourismusbörse (ITB) am Freitag vor Klimaschäden durch den Flugverkehr gewarnt. Neue, bisher unveröffentlichte Untersuchungen im Auftrag der EU-Kommission belegen, dass Fliegen das Klima etwa doppelt so stark belastet wie lange angenommen. Neben Treibhausgasemissionen wurden weitere klimaschädliche Effekte wie Kondensstreifen und künstliche Wolkenbildung berücksichtigt. Der Anteil des Flugverkehrs am globalen Treibhauseffekt beträgt demnach mittlerweile fast 9 Prozent. Der Arbeitskreis Flugverkehr der Umweltverbände fordert von der Bundesregierung bis Ende 2004 einen Aktionsplan gegen den Trend zu immer mehr Flugreisen.

Verbraucherschützer warnen

Krank, kein Internet, vom Dorf - das wird teuer

Verbraucherschützer warnen vor zunehmender pauschaler Benachteiligung von Kunden. Wer etwa keinen Zugang zum Internet habe oder krank sei, zahle in vielen Fällen drauf oder bekomme viele Leistungen erst gar nicht, sagte der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, Edda Müller, am Freitag in Berlin.

Fahrradklimatest 2003

Münster ist fahrradfreundlichste Großstadt

Nummer eins bei den Metropolen ist Bremen vor Frankfurt und Hannover. Münster holt sich den ersten Platz bei den Städten über 200.000 Einwohner:innen zurück.Die Gewinner des Fahrradklimatests 2003 stehen fest: Fahrradfreundlichste Großstadt ist Münster, das mit einer Durchschnittsnote von 1,88 auch klarer Gesamtsieger wurde. In der Gruppe bis 200.000 Einwohner geht der erste Preis an Erlangen, und bei den Städten bis 100.000 Einwohner siegte Bocholt. In einer großen bundesweiten Umfrage hatten der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gefragt, wie fahrradfreundlich Deutschlands Städte sind.