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Neue Sanktionen gegen Iran beschlossen

Spekulationen um einen baldigen US-Angriff

Der UN-Sicherheitsrat hat am Wochenende die Sanktionen gegen den Iran verschärft. Die neue Resolution 1747 sieht ein Waffenembargo, Einfrieren von Auslandsgeldern und Reisebeschränkungen vor. Der Iran soll innerhalb von 60 Tagen seine Urananreicherung einstellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Berlin, dass die EU weiterhin offen bleibe für Verhandlungen. "Wenn der Iran zum Pfad der Völkergemeinschaft zurückkehrt, dann sind wir natürlich auch bereit, dem Iran sehr große Angebote zu machen", sagte Merkel am 25. März. Der iranische Außenminister, Manuschehr Mottaki, sagte, das iranische Parlament sei bereit, das Zusatzprotokoll des Nicht-Verbreitungsvertrages zu ratifizieren. Zahlreiche Berichte deuten auf baldige Luftangriffe des Westens hin.

Nach Darstellung der deutschen Bundesregierung ist Deutschland längst faktisches Mitglied des UN-Sicherheitsrates: "Am 6. Juni übermittelten die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland ein umfassendes Angebot an die iranische Regierung", teilte die Bundesregierung mit. Es umfasse eine Zusammenarbeit bei der zivilen Nuklearenergie, verbindliche Garantien über Brennstofflieferungen und eine weitergefasste sicherheitspolitische und wirtschafltliche Zusammenarbeit.

Voraussetzung sei, "dass Iran seine kritischen nuklearen Aktivitäten aussetzt". Die neue Resolution fordere Iran deshalb auf, seine Urananreicherung sofort zu stoppen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Sollte Iran seine Urananreicherung nicht innerhalb von 60 Tagen einstellen, werde über weitere Maßnahmen beraten.

Steinmeier: Eine angemessene und notwendige Reaktion

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, dass sich Deutschland weiterhin entschieden für eine Verhandlungslösung in der Nuklearfrage einsetze. Die Resolution sei aber eine "angemessene und notwendige Reaktion auf die Tatsache, dass sich Iran weiterhin den Forderungen der Internationalen Gemeinschaft widersetzt", so Steinmeier. "Die Tatsache, dass die Resolution nach konstruktiven Verhandlungen einstimmig angenommen wurde, ist gleichzeitig ein wichtiges Signal der Geschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft in dieser Frage."

Das "umfassende Angebot der E3+3", das Iran am 6. Juni übermittelt worden sei, gelte fort. Es umfasse "das Angebot einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der zivilen Nuklearenergie, verbindlicher Garantien über Brennstofflieferungen und einer weitergefassten sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit", so Steinmeier.

Alle diese Vorschläge blieben auf dem Tisch. Die E3+3 seien weiterhin zu Verhandlungen bereit, "wenn Iran seine kritischen nuklearen Aktivitäten aussetzt". Der Weltsicherheitsrat habe klargestellt, dass er für diesen Fall die gegen Iran beschlossenen Maßnahmen aussetzen werde. "Wir erhalten dieses Angebot einer doppelten Suspendierung aufrecht", so Steinmeier.

"Ich appelliere an Iran, auf dieses Angebot, das den legitimen Interessen Irans Rechnung trägt, einzugehen. Ich bin überzeugt, dass eine Lösung des Streits um das iranische Nuklearprogramm den Weg für eine durchgreifende Verbesserung der Beziehungen mit Iran in anderen Bereichen ebnen kann."

Ban Ki-moon: Der Iran muss die Resolution vollständig umsetzen und Beweise vorlegen

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Iran aufgefordert, die Vorschläge der Resolution 1747 des UNO-Sicherheitsrates vollständig umzusetzen. Der Iran müsse nun Schritte unternehmen, um zu "beweisen", dass das Atomprogramm friedlicher Natur sei.

Der Generalsekretär vertrat der Ansicht, dass eine verhandelte Resolution die internationale Nichtverbreitungspolitik stärken werde. Er hoffe, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen würden.

Manouchehr Mottaki: Der Sicherheitsrat sollte seine Legitimation nicht durch "illegales Verhalten" gefährden

Der iranische Außenminister, Manuschehr Mottaki, lehnte die Resolution ab. Er erklärte, dass sie politisch motiviert sei, um dem Iran seine legitimen Rechte abzusprechen. Zwar sei jedes Land verpflichtet, die Entscheidungen der Vereinten Nationen zu respektieren, doch sollte der Sicherheitsrat seine Legitimation nicht durch "illegales Verhalten" und durch Druck einzelner Staaten gefährden.

Mottaki verwies auf einen "Präzedenzfall" von vor 50 Jahren in Zusammenhang mit der damaligen Verstaatlichung der Ölindustrie. Auch dieses sei als Gefährdung des Krieges bezeichnet worden, was aber "natürlich absurd" gewesen sei. Im aktuellen Atomkonflikt sei die Frage, "für welches Vergehen wir derzeit bestraft werden", so der iranische Außenminister. Die Urananreicherung sei eines der grundlegenden Rechte jeden Landes. "Wir können nicht Milliarden Dollar in unsere Atomkraftwerke investieren und uns dann auf die Hilfe anderer Länder bei der Produktion und der Lieferung des Brennstoffs verlassen", so Mottaki.

Der Außenminister sagte, falls der Sicherheitsrat den Fall noch einmal an die Internationale Atombehörde EAEA zurückverweise, dann werde das iranische Parlament das Zusatzprotokoll des Nicht-Verbreitungsvertrages (NPT) ratifizieren.

Ex-Diplomaten fordern Kehrtwende in der Iranpolitik

Eine Gruppe ehemaliger Diplomaten und die Arbeitsgruppe Friedensforschung an der Universität Kassel forderten Bundeskanzlerin Merkel, Bundesaußenminister Steinmeier und die Bundestagsfraktionen am 27. März zu einem "Überdenken ihrer bisherigen Haltung zum Atomstreit mit dem Iran" auf.

Die Gruppe wirft dem UN-Sicherheitsrats vor, "weiter an der Eskalationsschraube zu drehen". Die in der Resolution "vor allem auf Druck der westlichen Staaten" genannten Forderungen und Maßnahmen zielten darauf ab, den Iran wirtschaftlich zu treffen. Die geforderten Maßnahmen erinnerten "auf fatale Weise an das Sanktionsregime, das seiner Zeit gegen den Irak verhängt wurde und bekanntlich zu unsäglichem Leid unter der Zivilbevölkerung geführt hat".

Die festgelegte Frist von 60 Tagen, innerhalb deren Iran die Forderungen des Sicherheitsrats erfüllen müsse, verengten das zur Verfügung stehende Zeitfenster.

Ähnlich verhalte es sich mit dem beschlossenen Waffenembargo, dessen Durchsetzung mittel-fristig nur den Sinn haben könne, die militärischen Fähigkeiten Irans zu schwächen. "In eine ähn-liche Situation war der Irak vor dem US-amerikanisch-britischen Angriff im März 2003 gebracht worden. Mit dem angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran haben die militärbezogenen Forderungen des Sicherheitsrats jedenfalls nichts zu tun", kritisiert die Gruppe.

Als eine Art "Beruhigungspille" habe der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution festgelegt, dass die nächste Stufe der Sanktionseskalation "im Rahmen des Artikels 41" UN Charta verbleiben müsse. Artikel 41 sehe keine militärischen Maßnahmen vor; diese folgten erst in Artikel 42. Außerdem werde in der Präambel auf einen Antrag islamischer Staaten - unter anderem Katar und Indonesien - hin darauf hingewiesen, dass "die Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen Osten" den Frieden und die internationale Sicherheit in dieser Region und in der Welt "begünstigen" würde. Eine konkrete Aufforderung an die Staaten des Nahen Ostens, insbesondere an Israel, dieses Ziel umzusetzen, enthalte die Resolution allerdings nicht.

Berichte: Angriffsplanungen der USA weitgehend abgeschlossen

Weder die 60-Tage-Frist noch der Hinweis auf Artikel 41 UN-Charta "noch der unverbindliche Wunsch nach einer atomwaffenfreien Zone" können nach Auffassung der ehemaligen Diplomaten "die dramatische Eskalation im Atomstreit mit dem Iran entschärfen". In letzter Zeit häuften sich die Signale, wonach die militärischen Angriffsplanungen der USA weitgehend abgeschlossen seien und ein Angriff unmittelbar bevorstünde.

So schrieb die russische Wochenzeitung "Argumenty Nedeli" unter Berufung auf russische Militärexperten Mitte März, eine Militäraktion der USA gegen Iran werde in der ersten Aprilwoche, wahrscheinlich schon am Freitag, den 6. April, stattfinden.

Auch der Vizepräsident der Akademie für geopolitische Wissenschaften, Generaloberst Leonid Iwaschow, sagte am 21. März, dass es einen US-Angriff geben werde. Laut Iwaschow planen die USA aber keine Landoperation, "sondern massive Luftangriffe mit dem Ziel, das militärische Widerstandspotential, die Verwaltungszentren, die wichtigsten Wirtschaftsobjekte und möglicherweise auch die iranische Führung oder einen Teil davon zu vernichten".

Auch wenn man sich solche "Mutmaßungen und Spekulationen" um einen baldigen US-Angriff auf Iran nicht zu Eigen mache, sei "die Häufung derartiger Berichte, die auch in Kreisen des US-Kongresses kursieren, zumindest alarmierend". Es könne sein, dass nicht mehr viel Zeit bleibe, den nächsten Krieg im Nahen/Mittleren Osten zu verhindern, vermutet die Gruppe. Die von "renommierten Atomwissenschaftlern" betriebene "Doomsday Clock" stehe mittlerweile wieder auf 5 Minuten vor 12.

Ein direkter militärischer Angriff der USA und ihner Verbündeter zeichne sich immer deutlicher ab. "Seine Konsequenzen könnten katastrophal sein." Ein Kriegszustand zwischen NATO-Staaten und Iran wäre nach Auffassung der Gruppe nicht ausschließbar, "was militärische Handlungen zur Sperrung der Straße von Hormus provozieren könnte, eine Krise bei der internationalen Erdölversorgung sowie eine weitere Eskalation im Nahostkonfikt." Die Spannungen zwischen dem Westen und Iran wüchsen sich also in einen schweren internationalen Konflikt aus.

Eine solche Katastrophe sei vermeidbar, wenn alle Optionen einer friedlichen Regelung des Konfliktes mit Iran weitsichtig und verantwortungsbewusst ausgeschöpft würden, meint die Gruppe.

"Konstruktive Lösung des Atomstreits"

Die ehemaligen Diplomaten und Friedensforscher der Universität Kassel entwickelten einen Vorschlag für eine "konstruktive Lösung des Atomstreits". Dieser geht von "der Notwendigkeit und Möglichkeit" aus, die beiden "Schlüsselelemente" der gegenwärtigen Krise miteinander zu verkoppeln. Das sei einerseits das von der iranische Führung wahrgenommene Sicherheitsdefizit und andererseits die wiederholte Versicherung, nicht nach atomaren Waffen zu streben. "Der Westen sollte die iranische Führung beim Wort nehmen und auf deren erklärte Bereitschaft eingehen, Urananreicherung nicht für die Entwicklung von Atomwaffen zu nutzen", meinen die ehemaligen Diplomaten und Friedensforscher. "Und als Gegenleistung räumt der Westen die Sicherheitsbefürchtungen der iranischen Führung hinsichtlich einer westlichen Intervention zu ihrem Sturz aus."

Ein solches Vorgehen würde sich nach Auffassung der Gruppe "strikt im Rahmen des geltenden Völkerrechts und der geschlossenen internationalen Verträge, insbesondere des Nichtverbreitungsabkommens bewegen". Danach müsse dem Iran das gleiche Recht auf Urananreicherung zugestanden werden, "das alle anderen Vertragsstaaten auch haben". Die ausschließlich zivile Nutzung wäre weiterhin von der IAEA zu kontrollieren.

Die Gruppe sieht den Iran durch den Westen ungleich behandelt: Während "der Westen sich selbst und einigen anderen Staaten Atomwaffen und atomare Aufrüstung" zubillige, die USA im Falle Nordkoreas sogar zu Zugeständnissen bereit seien, richte sich "seine geballte Ablehnung der Urananreicherung gegen das iranische Regime, obgleich dieses versichert, nicht nach Atomwaffen zu streben".