Jean Ziegler beschreibt in seiner Rede "Der Aufstand des Gewissens", die er ursprünglich zum Auftakt der Salzburger Festspiele 2011 halten sollte: "Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet." Die sehr ambitionierte und leidenschaftliche Rede wurde nie gehalten und Ziegler aus den Festspielen wieder ausgeladen. Zu heftig, zu wahr, zu unbequem, was er dort der feinen Gesellschaft in die Ohren träufeln wollte.
Da es diese feine Gesellschaft ist, der die allermeisten von uns emsig nacheifern, uns von den Medien als die ultimativen Vorbilder präsentiert werden, stopft sich auch der Normalverbraucher mit allem, was er finden kann, die Ohren zu. Dabei ist es das tägliche Verbrauchsverhalten, das genau diese Zustände zementiert. Aber wer hat schon Lust sich ständig damit auseinander zu setzen, dass die Lebensmittel, die im Einkaufskorb landen, etwas mit den Ölpreisen zu tun haben?
Die Agrarwirtschaft ist eine der größten Abnehmer von Erdöl. Kunstdünger und Pestizide bestehen zum großen Teil aus Erdöl. Da die konventionelle Landwirtschaft ihre Böden skrupellos zwei bis dreimal im Jahr ausbeutet, braucht sie Kunstdünger, um sie wieder einigermaßen aufzupäppeln. Dabei schielen die Erzeuger einzig auf die Erträge der Ernten, ohne auch nur einen Gedanken an deren Qualität zu verschwenden. Dass in Lebensmitteln, die unter solchen Umständen entstehen, nicht mehr sonderlich viele Nährstoffe sein können, blenden neben ihnen auch die Verbraucher aus. Ebenso wie das zunehmende Sterben der Bienen und Hummeln, die durch die Pestizide dahin gerafft werden.
Aber dennoch ist natürlich die Mobilität auf der Welt unbestritten einer der Hauptursachen für den Bedarf an Erdöl. Wobei der so genannte individuelle Personen-Verkehr - also PKW und Motorräder - laut Ernst Ulrich von Weizsäcker allein 44% des gesamten Verkehrsaufkommens ausmacht.
Trotz dieser Zahl - der ebenfalls nicht viele Menschen Beachtung schenken - sind die allerwenigsten bereit dazu, auf ihr Auto zu verzichten. Obwohl jeder, der den Schritt gegangen ist bestätigt, dass es gar kein Verzicht ist. Im Grunde ist es vor allem eine Frage der Selbstorganisation. Auch wenn das Fahrrad im Winter eine gewisse Disziplin fordert, macht es spätestens ab Frühling sehr viel Spaß. Von den Vorteilen besonders in Großstädten ganz abgesehen. Wenn sich Samstags die Autos vor den besetzten Parkhäusern mit laufendem Motor reihen, genervte und aggressive Insassen mit sich führend, fährt der clevere Fahrradfahrer einfach an ihnen vorbei, ist dabei in der Sonne, wird braun und hat Bewegung. Und Spaß!
Überhaupt liegt der beste und einfachste Weg, sich aus den Machenschaften der Ölmultis herauszuziehen, darin, als Konsument andere Entscheidungen zu treffen, die deren Interessen nicht immer wieder eins zu eins entsprechen. Das betrifft einige Bereiche unseres täglichen Lebens. Weniger Plastik - sei es in Form von Einkaufstüten, Verpackung oder ähnlichem - Fahrrad oder Bahn statt dem Auto, weniger Fliegen und Bio-Produkte kaufen. Selbst die Bio-Produkte minderer Qualität, wie sie in dem Buch "Bioschmäh" beschrieben und von Ketten wie REWE vertrieben werden, müssen auf den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden verzichten, um das Bio-Siegel zu erhalten.
Sich zu beschweren und von den Ölkonzernen zu verlangen, sie mögen ihre Preispolitik freiwillig ändern, ist in unserer kapitalistischen, auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Marktwirtschaft blanker Unsinn. Pathetische Artikel der Frankfurter Rundschau, die den Verbraucher als Opfer der Konzerne beschreiben, indem sie konstatieren, einige könnten auf Grund der hohen Benzinpreise ihre Verwandtschaft an Ostern nicht besuchen, sind einfach nur peinlich und lenken vom Thema ab. Auch der Spiegel nutzt die Opferhaltung der Verbraucher zur Steigerung ihrer Auflage. Würden die Konsumenten geschlossen beschließen, bei diesen Konzernen keine Kunden mehr zu sein, würden diese auch nichts mehr verdienen. Aber es hat eben eine eigene Qualität, das offensichtlich Falsche zu tun und sich hierdurch einen Grund zu verschaffen, sich beschweren zu können. Solange die Welt nicht unter geht - und zwar so sichtbar, dass auch die letzten Verleugner nicht mehr wegsehen können - ist nichts wichtiger, als die eigene Bequemlichkeit. In diesem Sinne, frohe Ostern!
Seit mehr als 11 Jahren freier Berater - Autor des Buches "Ökolution 4.0 - Wirtschaftliche und gesellschaftliche Imperative in Zeiten ökologischer und ökonomischer Krisen"