Einsatz von Wahlcomputern bei Bundestagswahl 2005 war verfassungswidrig
Rund zwei Millionen Wähler hatten bei der Bundestagswahl 2005 nicht mit Stift und Stimmzettel gewählt, sondern ihr Votum per Wahlcomputer abgegeben. Die rechnergesteuerten Wahlgeräte waren bundesweit in 39 der 299 Wahlkreise eingesetzt, und zwar in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag (3. März) in Karlsruhe entschieden, dass dieser Einsatz von Wahlcomputern verfassungswidrig war. Der Bundestag muss deswegen aber nicht aufgelöst werden.
Gabriel und Aigner setzen sich gegen Merkel und Schavan durch
Österreich und Ungarn müssen ihr Anbauverbot für Genmais des US-Konzerns Monsanto und des deutschen Chemie- und Gentechnik-Konzerns Bayer nicht aufheben. Eine überwältigende Mehrheit der EU-Staaten, darunter Deutschland, stimmte am Montag (2. März) im Umweltministerrat überraschend gegen den Antrag der EU-Kommission, die Länder zur Aufhebung ihres Genmais-Verbotes binnen 20 Tagen zu zwingen. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und zuletzt auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) haben sich hierbei gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan (beide CDU) durchgesetzt. Merkel und Schavan wollten Österreich und Ungarn zur Aufgabe ihrer Genmais-Verbote zwingen. Österreichs Umweltminister Nikolaus Berlakovich sprach von einem historischen Erfolg: "Wir haben uns voll durchgesetzt, für mich ist das so, als ob Österreich Fußball-Europameister geworden wäre."
Karlsruhe stoppt "anlasslose Datenbevorratung"
Das Bundesverfassungsgericht hat zentrale Regelungen des seit Oktober 2008 geltenden bayerischen Versammlungsgesetzes vorläufig außer Kraft gesetzt. Ein Eilantrag mehrerer Parteien, Gewerkschaften und nichtstaatlicher Organisationen hatte damit teilweise Erfolg, wie es in dem am Freitag (27. Februar) veröffentlichten Beschluss heißt. So wurden die Befugnisse für polizeiliche Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen bei Versammlungen bis zur Entscheidung über die anhängige Verfassungsbeschwerde deutlich eingeschränkt. Die Richter rügten, dass die im Gesetz vorgesehene "anlasslose Datenbevorratung" zu durchgreifenden Nachteilen für Demonstrationsteilnehmer führe.
EU will offenbar Ungarn Gen-Mais von Monsanto aufzwingen
Die EU-Kommission möchte offenbar im dritten Anlauf versuchen, Ungarn zu zwingen, ein Anbauverbot für den Gentechnik-Mais der Firma Monsanto "MON810" aufzuheben. Eine entsprechende Entscheidung soll am kommenden Montag (2. März) im EU-Umweltministerrat in Brüssel ergehen. Der Vorschlag der Kommission könnte vom Ministerrat allerdings auch abgelehnt werden. Wie Deutschland abstimmen wird, ist offenbar noch offen. Zwar hätten sich Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) für ein Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsstaaten ausgesprochen. "Torpediert wird die Haltung durch Forschungsministerin Annette Schavan (CDU)", kritisiert Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). "Damit wäre Frau Schavan dafür verantwortlich, wenn sich Deutschland bei der Abstimmung in Brüssel enthält, und in der Folge die Rechte der Mitgliedsstaaten auf Selbstbestimmung beim Gentechnikanbau wegfallen." Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Offenen Brief dazu auf, für eine klare Positionierung gegen den Anbau des Gentechnik-Maises Mon 810 zu sorgen.
EU verkauft angeblich Butter und Milch zu Dumpingpreisen in Entwicklungsländern
Am 1. März beginnt die EU-Kommission mit dem Aufkauf von 30.000 Tonnen Butter und 109.000 Tonnen Magermilchpulver, um die Milchpreise auf dem europäischen Binnenmarkt zu stabilisieren. Ende Januar wurden bereits die EU-Exportsubventionen für Milchprodukte wieder eingeführt. Für Marita Wiggerthale, Handelsexpertin der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland, ist das ein Skandal. "Die Europäische Kommission trägt mit ihrem verantwortungslosen Krisenmanagement die Probleme der EU auf dem Rücken der Entwicklungsländer aus", meint sie. Neben mehreren Industrieländern sei einzig Südafrika von den subventionierten Milchexporten ausgenommen. Die EU fördere also seit Januar wieder den Export von Dumping-Milch in arme Länder, deren eigene Landwirtschaft diesem unlauteren Wettbewerb nicht gewachsen ist. "Die billigen Milchpulver- und Frischmilchimporte unterbieten die Milchpreise der einheimischen Kleinbauern und gefährden ihre Existenzgrundlagen", so Wiggerthale.
Umweltinstitut München fordert Anbauverbot für genmanipulierte Pharma-Pflanzen
Das Umweltinstitut München hat am Donnerstag (26. Februar) dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin mehr als 57.000 Einwendungen gegen ein geplantes Experiment mit "Pharma-Kartoffeln" übergeben. Die Universität Rostock will die genmanipulierten Pflanzen in Üplingen (Sachsen-Anhalt) und Thulendorf (Mecklenburg-Vorpommern) im Freiland anbauen. Die Gen-Kartoffeln sollen einen Impfstoff und ein Impfstoffhilfsmittel gegen die Kaninchenseuche RHD beziehungsweise gegen die Cholera produzieren.
"Konjunkturpaket II" beschlossen
Das größte staatliche "Konjunkturprogramm" in der Geschichte der Bundesrepublik ist beschlossen. Der Bundesrat votierte am Freitag (20. Februar) mit großer Mehrheit für das 50 Milliarden Euro umfassende Paket. Lediglich Hamburg und Berlin enthielten sich. Das 50-Milliarden-Paket beinhaltet öffentliche Investitionen in Ländern und Kommunen, Steuern- und Abgabensenkungen sowie Anreize zum Autokauf. "Großunternehmen", die wegen der Zurückhaltung der Banken zurzeit keine oder zu wenig Kredite bekommen, erhalten Bürgschaften vom Bund und Kredite von der bundeseigenen KfW-Bank. Über das bei der KfW bereits laufende Sonderprogramm (15 Milliarden Euro) für den Mittelstand hinaus wird ein Bürgschaftsvolumen in Höhe von 100 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. 450 Millionen Euro erhalten mittelständischen Unternehmen in diesem und im kommenden Jahr für Forschung und Entwicklung.
Ex-Senator Kusch will angeblich keine Suizidhilfe mehr anbieten
Der Suizidhelfer und frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch will angeblich keine Sterbehilfe mehr leisten. Nach Angaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" vom Freitag (20. Februar) zieht der Jurist damit die Konsequenzen aus einem Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts, das ihm am 6. Februar die Beihilfe zum Suizid untersagt hatte. "Ich finde diese Entscheidung zwar falsch, ich werde den Beschluss aber respektieren - ich biete die Suizidbegleitung nicht mehr an", zitierte das Magazin den Ex-Senator. Unmittelbar nach dem Urteil hatte Kusch noch angekündigt, dass er Rechtsmittel dagegen einlegen wolle.
Bundesregierung will Verbot von MON 810 prüfen
Es geht nicht um ein deutsches Produkt, sondern um ein US-amerikanisches: Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) will erstmals ein Anbauverbot für gentechnisch veränderten Mais in Deutschland prüfen. Konkret geht es Aigner um die einzige in Deutschland zugelassene genveränderte Maissorte MON 810 des US-Herstellers Monsanto. Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßten die Initiative, forderten aber ein weitergehendes Engagement der Ministerin. Ähnlich äußerste sich auch Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber.
Protestcamp gegen Ausbau des Flughafens in Frankfurt am Main geräumt
Einsatzkräfte der Polizei haben am Mittwoch (18. Februar) das Protestcamp gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafen geräumt. Ein Gerichtsvollzieher habe am Morgen per Megafon den Räumungsbeschluss verlesen, teilte die Polizei mit. Als die Aktivisten das Gelände im Kelsterbacher Wald nicht verließen, begannen die Beamten mit der Räumung. Etwa 100 Polizisten arbeiteten sich dann nach Angaben der Protestcamper von Baumhaus zu Baumhaus. Am Nachmittag war die Aktion beendet.
EuGH-Klageabweisung zur Vorratsdatenspeicherung stößt auf Kritik
Die Abweisung einer Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverbindungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist bei der deutschen Opposition und Datenschützern auf Kritik gestoßen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar betonte am Dienstag (10. Februar) in Berlin kurz nach der Urteilsverkündung, er halte eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der nationalen Regelung für die Vorratsdatenspeicherung vor dem Bundesverfassungsgericht weiterhin für erforderlich. Der EuGH habe nur über die formelle Frage entschieden, ob die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten zur Vorratsdatenspeicherung mittels einer Richtlinie geregelt werden dürfe. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung sei noch nicht entschieden, stellte Schaar klar. Ähnlich äußerte sich die Innenexpertin der Linksfraktion, Petra Pau. Aus ihrer Sicht sei die Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsdaten mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Vatikan reagiert auf Kritik
Der Vatikan hat auf die weltweite Kritik an der kirchlichen Begnadigung des Traditionalistenbischofs Richard Williamson reagiert und den Briten zum Widerruf der Holocaust-Leugnung aufgefordert. Williamson müsse sich öffentlich und unmissverständlich von der Holocaust-Leugnung distanzieren, um wieder sein Bischofsamt in der Kirche ausüben zu dürfen. Mehrere katholische Bischöfe zeigten sich empört über die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Papst.
CSU bringt Umweltgesetzbuch zum Scheitern
Mit harschen gegenseitigen Schuldzuweisungen haben Union und SPD am Montag auf das Scheitern des Umweltgesetzbuches (UGB) reagiert. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) machte CDU und CSU dafür verantwortlich und sprach von einem Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. "Hier hat der Wahlkampf die Feder geführt und nicht das, was wir verabredet haben", rügte Gabriel. Trotz breiter Zustimmung der Umweltminister in den Ländern habe die CSU in Bayern verhindern wollen, dass das SPD-geführte Umweltministerium einen Erfolg verbuche. Die CDU-Spitze machte den SPD-Minister für das Scheitern des UGB verantwortlich. Der will nun Einzelgesetze einbringen. Aus den Ländern kamen Forderungen nach einem neuen Einigungsversuch. Streitpunkt waren die emissions- und wasserrechtlichen Genehmigungen für Industrieanlagen.
Bürgschaftsrahmen für Unternehmen soll auf 100 Milliarden Euro erhöht werden
Nach der Verabschiedung des zweiten Konjunkturpakets durch das Bundeskabinett ruft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu zügigen parlamentarischen Beratungen auf. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Merkel am Dienstag (27. Januar) in Berlin. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) betonte, ein weiteres Konjunkturpaket sei nicht geplant. Das Maßnahmenbündel hat einen Umfang von rund 50 Milliarden Euro. Der Bund will rund 14 Milliarden Euro in Infrastruktur und Bildung investieren, hinzu sollen 3,3 Milliarden Euro der Länder kommen. Für die Kreditversorgung von Unternehmen wird der Bürgschaftsrahmen auf 100 Milliarden Euro erhöht.
Was ist ein Proxy Server - Bürgerrechtsbündnis lehnt Internetfilter ab
Am 13. Januar hat das Bundesinnenministerium Vertreter großer deutscher Internetserviceprovider eingeladen, um die Einführung von Internetfiltern zu besprechen. Die mehrfach von Experten vorgebrachten Bedenken gegen eine technische Umsetzung und Wirksamkeit von Sperren im Internet will die Bundesregierung offenbar nicht akzeptieren. So hat der Dresdner Informatikprofessor Andreas Pfitzmann den Vorstoß von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Blockade von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten als "unbrauchbar und schädlich" bezeichnet.
Größtes Finanzpaket in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen
Die große Koalition hat das größte Maßnahmenpaket in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei der Vorstellung des zweiten Konjunkturpakets am Dienstag (13. Januar), die Regierung tue alles, damit Deutschland die Krise nicht nur überwinde, sondern aus ihr gestärkt hervorgehe. Das Programm sieht Maßnahmen in einem Umfang von rund 50 Milliarden Euro für zwei Jahre vor. Zusammen mit dem ersten Paket sind es rund 80 Milliarden Euro. Die Koalitionsspitzen hatten sich am Montagabend getroffen und bis tief in die Nacht an dem Paket gefeilt. Geplant sind unter anderem 18 Milliarden Euro Investitionen in die kommunale Infrastruktur und eine gleichhohe Summe für Entlastungen bei Steuern und Abgaben. Für notleidende Unternehmen soll ein "Kredit- und Bürgschaftsprogramm" aufgesetzt werden.
Haftstrafe für Nazi-Schläger
Wegen des Überfalls auf ein Zeltlager in Nordhessen muss der Neonazi Kevin S. ins Gefängnis. Die Tat des 19-Jährigen stehe "sittlich auf niedrigster Stufe", sagte der Vorsitzende Richter der 3. Strafkammer des Kasseler Landgerichts, Pierre Brandenstein, bei der Urteilsverkündung am Montag (12. Januar). Das Gericht verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Bei dem Überfall auf ein Zeltlager der Linksjugend Solid im vergangenen Jahr hatte S. zwei Menschen verletzt.
Bundesrat billigt weitreichende polizeiliche Befugnisse für das BKA
Auch nach der Verabschiedung des BKA-Gesetzes reißt die Kritik an den umstrittenen Neuregelungen nicht ab. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach am Freitag (19. Dezember) von einem "schwarzen Tag für die Grundrechte". Linksfraktionsvize Petra Pau beklagte, das Gesetz wirke "wider den Rechtsstaat". Grünen-Chefin Claudia Roth wertete die Neuregelungen als "Bürgerrechtskiller". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) begrüßte dagegen die Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat "außerordentlich". Zuvor hatte das BKA-Gesetz im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde genommen. Einen Tag nach dem Bundestag billigte auch die Länderkammer die Einigungsempfehlung des Vermittlungsausschusses. Mit dem Gesetz werden dem Bundeskriminalamt (BKA) weitreichende polizeiliche Befugnisse eingeräumt. So werden ihm unter anderem die akustische und optische Wohnraumüberwachung sowie die Online-Durchsuchung privater Computer gestattet.
Papier sieht Gefährdung des Datenschutzes nur durch Privatwirtschaft
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sieht den Datenschutz in Deutschland stärker durch die Privatwirtschaft gefährdet als durch den Staat. Er sorge sich darum, "dass wir uns zu einer privaten Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln, und dies weitgehend auch noch völlig freiwillig", sagte Papier am Montag (15. Dezember) in Karlsruhe. Die Verwandlung des Staates "in einen Überwachungsstaat 'Orwell'scher Prägung" sei dagegen eine eher fernliegende Möglichkeit, sagte Papier zum 25. Jahrestag des Karlsruher "Volkszählungsurteils".
NS-Kriegsverbrecherprozess gegen Demjanjuk in München
Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher Iwan John Demjanjuk muss sich in München vor Gericht verantworten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe übertrug das Strafverfahren gegen den 88-Jährigen dem Landgericht München II, wie es in einem am Donnerstag (11. Dezember) veröffentlichten Beschluss des BGH heißt. Zur Begründung hieß es, Demjanjuk habe sich 1951 mehrere Monate in einem Lager im heutigen Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts aufgehalten.