Brüssel stellt Weichen für Lissabon-Vertrag
Mit gewissen Zusagen an Irland will die Europäische Union den "Vertrag von Lissabon" retten und diesen mit einjähriger Verspätung möglichst zum Ende 2009 in Kraft setzen. Auf einen solchen Fahrplan will sich der EU-Gipfel in Brüssel verständigen. Damit könnte die EU ab 2010 einen Präsidenten bekommen, einen europäischen Außenminister und das erstmalige Recht eines Landes zum Austritt aus der EU. Die Iren hatten den neuen Grundlagenvertrag in einem Referendum abgelehnt.
Schwerbehinderte müssen von Studiengebühr befreit werden
Ein Student mit einem Schwerbehindertengrad über 50 Prozent ist generell von Studiengebühren zu befreien. Das entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem am Dienstag (9. Dezember) veröffentlichten Urteil und gab damit der Klage eines Heidelberger Studenten statt. Dieser hatte bei der Universität Heidelberg beantragt, ihn für das Sommersemester 2007 von der Studiengebühr in Höhe von 500 Euro zu befreien.
Finanzministerium unterläuft höchstrichterliche Entscheidungen
Das Bundesfinanzministerium unterläuft nach Darstellung des Bundesfinanzhofs (BFH) wichtige und für den Steuerzahler entlastende höchstrichterliche Entscheidungen. Pro Jahr würden "sechs bis acht" Entscheidungen des BFH vom Ministerium mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass belegt, kritisierte BFH-Präsident Wolfgang Spindler am Donnerstagabend (4. Dezember) in Karlsruhe. Dies sei "ein Riesenproblem". Das Bundesfinanzministerium verteidigte sein Vorgehen. Dies sei ein "ganz normalen Verfahren" und eine "lange geübte Praxis", die "rechtlich auf sicheren Füßen" stehe, sagte ein Sprecher von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) am Freitag in Berlin.
Volkssolidarität kritisiert Begünstigung von Banken und Automobilindustrie
"Der Sozialabbau wird ebenso wie die Umverteilung von unten nach oben fort- und festgeschrieben." Das erklärte der Bundesgeschäftsführer des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität, Bernd Niederland am Freitag (5. Dezember) in Berlin angesichts der aktuellen sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Es sei eine Tatsache, "dass Unternehmen und Vermögende immer weiter entlastet und die Bürger, ob nun Beschäftigte, Selbstständige, Auszubildende, Rentner und sozial Benachteiligte, immer mehr belastet werden", so Niederland. "Was der Staat den Großen schenkt, aktuell den Banken und der Autoindustrie, holt er sich bei den Kleinen." Soziale Gerechtigkeit sehe anders aus, meint der Sozialverband. Niederland verwies besonders auf die weiter zunehmenden Belastungen für die heutigen und künftigen Rentner. Dazu gehörten nach dem für viele erhöhten Krankenkassenbeitrag durch den Gesundheitsfonds die "nach der Bundestagswahl" drohenden Steuernachzahlungen für Rentner.
Kritik an "Wasserklau" und Umweltzerstörung durch Zitrus-Anbau
Durchschnittlich verbraucht jeder Deutsche im Jahr 41,5 Kilogramm an Zitrusfrüchten. Am beliebtesten sind Clementinen, Mandarinen und süße Apfelsinen. Insgesamt landen jährlich über eine Millionen Tonnen Zitrusfrüchte, bislang vor allem noch aus der Mittelmeerregion, auf dem deutschen Markt. Nach Angaben der Umweltstiftung WWF wird aber die Produktion durch eine "harte Einkaufspolitik mit niedrigen Preisen" und durch die Folgen von Dürreereignissen und Extremwettern zunehmend erschwert. "In den vergangenen Jahren hat die Bedeutung der europäischen Anbauländer stark abgenommen", so Dorothea August vom WWF Deutschland. Wenn aufgrund von Witterungsbedingungen, Preispolitik und Handelsmengen europäische Produzenten nicht wie gewünscht liefern könnten, kämen die Importe für den deutschen Markt vor allem aus Südafrika und Argentinien. Der WWF beobachtet vor allem die großen Flächenausweitungen der Produktion in den Ländern Südamerikas und der Volksrepublik China mit zunehmender Sorge.
Tierschutzbund fordert Schlachten nur mit Betäubung
Anlässlich des am 8. Dezember beginnenden dreitägigen islamischen Opferfestes (Kurban Bayrami) appelliert der Deutsche Tierschutzbund an die Muslime in Deutschland, Tiere nur nach vorheriger Betäubung zu schlachten. Die Tierschützer lehnen das so genannte Schächten ohne Betäubung strikt ab, "da es aus Sicht des Tierschutzes mit erheblichen und vermeidbaren Qualen für die Tiere verbunden ist". Die Tierschützer weisen darauf hin, dass Schächten grundsätzlich verboten ist. Ausnahmeregelungen von diesem Verbot seien an strenge Genehmigungsverfahren sowie strikte Auflagen geknüpft. Der Tierschutzbund fordert die zuständigen Stellen auf, alle verwaltungsrechtlichen Mittel auszuschöpfen, um solche Genehmigungen zu versagen. Darüber hinaus müsse das illegale Schächten durch strikte Kontrollen verhindert und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden, so die Tierschützer.
Ermittler greifen häufig auf Vorratsdaten zu
In fast 2200 Ermittlungsverfahren haben Richter von Mai bis Juni diesen Jahres den Rückgriff auf die Verbindungsdaten von Telefonkunden und Internetnutzer angeordnet. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP hervor, wie die "Berliner Zeitung" berichtet. Dabei nutzten die Ermittler in 934 dieser Verfahren die Vorratsdaten, die Telekommunikationsfirmen und Internetbetreiber seit Januar diesen Jahres sechs Monate lang speichern müssen.
Karlsruhe nahm Verfassungsbeschwerden zu Atommüll-Zwischenlagern nicht an
Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die atomaren Zwischenlager neben deutschen Atomkraftwerken nicht zur Entscheidung angenommen. Wie das Gericht am Donnerstag (27. November) zur Begründung anführte, habe das Gericht "die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen" bereits entschieden. Das gelte insbesondere für den grundrechtlich gebotenen Schutz des Einzelnen vor den Gefahren der Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken wie auch die Berechtigung des Bundes, auf diesem Gebiet einschließlich der Beseitigung radioaktiver Stoffe selbständige Bundesbehörden zu errichten. "Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen und die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften über die dezentrale Zwischenlagerung verletzen die Beschwerdeführerin auch nicht in ihren Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG)", entschied die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts.
Linke fordert "Millionärs-Opfer"
Die Linkspartei lehnt die von der Union debattierte Steuersenkung zur Konjunkturbelebung ab und setzt stattdessen auf einen höheren Beitrag der großen Vermögen. Denkbar wäre eine befristete Millionärssteuer, sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch am Montag (24. November) in Berlin. Im Rahmen eines sogenannten "Millionärs-Opfers" sollten alle Vermögen bis eine Million Euro steuerfrei bleiben, alle Beträge darüber mit fünf Prozent belastet werden. Das brächte der öffentlichen Hand zusätzliche Einnahmen in Höhen von 80 Milliarden Euro, sagte Bartsch unter Verweis auf Schätzungen der Gewerkschaften.
Ex-RAF-Terrorist Christian Klar kommt frei
Nach 26 Jahren hinter Gittern kann der ehemalige RAF-Terrorist Christian Klar ein Leben in Freiheit führen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschied am Montag (24. November), den Rest seiner lebenslangen Freiheitsstrafe mit Wirkung zum 3. Januar 2009 zur Bewährung auszusetzen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine "fortdauernde Gefährlichkeit" Klars, hieß es zur Begründung. Bei Politikern und Opfervertretern rief der Beschluss ein geteiltes Echo hervor.
Neue Fluglärmschutzverordnung beschlossen
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch (19. November) auf Vorschlag des Bundesumweltministeriums eine neue Fluglärmschutzverordnung beschlossen. Darin ist geregelt, welche Daten über den Flugbetrieb vom Flugplatzhalter und von der Flugsicherung vorzulegen sind. Außerdem ist festgelegt, wie auf der Grundlage geprüfter Eingangsdaten die Berechnung der Lärmschutzbereiche erfolgt. Nach den Vorgaben dieser Verordnung können nunmehr die zuständigen Länder neue Lärmschutzbereiche für das Umland von etwa 50 größeren zivilen und militärischen Flugplätzen in Deutschland festlegen. Mit der Verordnung werden die Vorgaben des 2007 grundlegend novellierten Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm umgesetzt.
Regierung stoppt Börsengang der Bahn
Die Bundesregierung hat den Bahn-Börsengang für diese Wahlperiode endgültig aufgegeben und damit auch dem angeschlagenen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) Luft verschafft. Ohne Börsengang stelle sich auch die Frage der umstrittenen Bonus-Zahlungen für den Bahn-Vorstand nicht mehr, erklärte die Regierung am Mittwoch (5. November). Mit dem Aus für den Börsengang scheitert auch eines der Kernvorhaben der großen Koalition für diese Legislaturperiode. Das Bündnis "Bahn für alle" kommentierte am Donnerstag, "das Festhalten an den Privatisierungsplänen war das Projekt einer politischen Elite, die sich gegen die Fakten und gegen die Mehrheitsmeinung stemmte. Erst als im Strudel des Skandals um ungerechtfertigte Bonus-Zahlungen Regierungsmitglieder ins Wanken kamen, wurde der Ausverkauf wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen". Das globalisierungskritische Netzwerkes Attac hat die Absage des Börsengangs der Deutschen Bahn für diese Legislaturperiode als Anfang vom Ende des Privatisierungswahns in Deutschland begrüßt.
CDU-Streit um illegale Parteifinanzierung geht weiter
Der Streit um die mutmaßlich illegale Parteienfinanzierung in der rheinland-pfälzischen CDU geht weiter. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und dem Südwestrundfunk liegen offenbar Unterlagen vor, die die Vorwürfe des ehemaligen Geschäftsführers der CDU-Landtagsfraktion, Markus Hebgen, stützen. Der Landesrechnungshof prüft derzeit, ob die Union 386.000 Euro Fraktionsgelder zweckentfremdet hat. Das Parteiengesetz verbietet es, mit Steuergeldern einen Wahlkampf zu finanzieren. Die Landes-CDU wies die Vorwürfe am Samstag auf Anfrage erneut zurück. Die CDU-Landtagsfraktion hatte im Jahr 2005 insgesamt 386.000 Euro an die Düsseldorfer Unternehmensberatung C4 überweisen. Nach Angaben des damaligen C4-Mitinhabers Carsten Frigge seien die Gelder zur Vorbereitung "parlamentarischer Initiativen" verwandt worden. Nun sind nach Angaben des "Spiegels" und des SWR Dokumente aufgetaucht, die Zweifel an der Wahrheit dieser Aussage aufkommen lassen.
Hilfe für Autombilindustrie und Spritschlucker
Als Hilfe für die kriselnde Automobilindustrie plant die Bundesregierung eine Steuerbefreiung für schadstoffarme Neufahrzeuge, jedoch unabhängig von ihrem Spritverbrauch und CO2-Ausstoß. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Donnerstag (30. Oktober), die Bundesregierung wolle die Kfz-Steuer für schadstoffarme Neufahrzeuge zwei Jahre aussetzen. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) werde diesen Vorschlag den Bundesländern unterbreiten, denen der Steuerausfall "nicht allein aufgebürdet" werden solle. Die Länder, in deren Haushalt die Kfz-Steuer fließt, äußerten sich skeptisch und machten ihre Zustimmung von finanziellen Entschädigungen abhängig. Die Industrie begrüßte dagegen den Vorstoß. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) verurteilte die Pläne. Damit würden Autokäufer belohnt, unabhängig davon, wie viel das neue Auto verbrauche und wie viel Treibhausgase es ausstoße. "Das hat mit Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz nicht das Geringste zu tun", empörte sich Michael Gehrmann, VCD-Bundesvorsitzender. Es gehe nur darum, den Herstellern zu helfen, ihre vollen Verkaufsräume zu leeren.
Lebenslange Freiheitsstrafe im Kofferbomber-Prozess gefordert
Im Kofferbomber-Prozess vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) hat die Bundesanwaltschaft eine lebenslange Freiheitsstrafe für den angeklagten Libanesen Youssef el-Hajdib gefordert. "Deutschland hat einem islamistischen Anschlag nie näher gestanden als in dem vorliegenden Fall", sagte Bundesanwältin Duscha Gmel in ihrem Plädoyer am Mittwoch (29. Oktober).
Einsatz von Wahlcomputern umstritten
Kurz vor der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über den Einsatz von Wahlcomputern ist die Technik umstritten: Während der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages die Geräte für sicher hält, sieht der Verein "Mehr Demokratie" die Legitimität der Wahl als nicht gewährleistet an. Gerald Häfner, Vorstandssprecher von "Mehr Demokratie" bezweifelt die Einhaltung des Öffentlichkeits- und Geheimhaltungsprinzips sowie einen ausreichenden Schutz vor Manipulationen. Er betonte am Montag (27. Oktober) in Berlin, eine nachprüfbare Speicherung und Zählung der Stimmen sei unmöglich. Ferner könnten von den Wahlcomputern ausgestrahlte Radiofrequenzen abgefangen und Stimmen somit entschlüsselt werden. Die Überprüfung eines Mustergerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt gewährleiste zudem keine Übereinstimmung mit den tatsächlich eingesetzten Geräten.
Große Koalition diskutiert über Erbschaftssteuerreform
SPD und CSU machen sich gegenseitig für die Hängepartie bei den Gesprächen zur Erbschaftssteuerreform verantwortlich. Der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, griff am Freitag SPD-Fraktionschef Peter Struck auch persönlich scharf an. Struck hielt der CSU erneut vor, Reiche schonen zu wollen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) rechnet dennoch mit einem raschen Kompromiss.
Keine neuen Ermittlungen zu RAF-Toten
Zum Tod der RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Oktober 1977 im Gefängnis Stuttgart-Stammheim wird es keine neuen Ermittlungen geben. Wie die Staatsanwaltschaft Stuttgart am Freitag (26. September) mitteilte, wurden keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass die Inhaftierten in der Nacht ihres Todes in ihren Zellen abgehört wurden. Weder aus Akten noch aus Äußerungen damaliger Polizisten hätten sich entsprechende Hinweise ergeben. Nach offizieller Darstellung haben sich Baader, Ensslin und Raspe das Leben genommen. In linken Kreisen wurde dies vielfach bezweifelt und ein Mord angenommen. Eine dritte Theorie ist die vom "staatlich geduldeten Selbstmord".
Gericht lehnt Härtefallregelung bei DDR-Opferpension ab
Eine Haftzeit von fünf Monaten und 24 Tagen reicht nicht für einen Anspruch auf eine DDR-Opferrente aus. Das entschied das Verwaltungsgericht Koblenz in einem am Donnerstag (18. September) veröffentlichten Urteil. Das Gericht wies damit die in einem Widerspruchsverfahren erhobene Klage einer ehemaligen DDR-Bürgerin ab. Gesetzliche Vorschriften sähen für eine Opferrente eine Mindesthaftdauer von sechs Monaten vor, urteilte das Gericht.
Ex-Wehrmachtsoffizier bestreitet Beteiligung an 14-fachem Rachemord im Jahr 1944
Ruhig und scheinbar ungerührt ließ der 90-jährige Josef S. das minutenlange Blitzlichtgewitter über sich ergehen, als am Montag (15. September) unter großem öffentlichem Interesse in München der Prozess gegen den ehemaligen Offizier der Deutschen Wehrmacht begann. Ihm wird vorgeworfen, im Juni 1944 einen Rachemord an 14 Italienern nach einem Partisanen-Überfall auf drei deutsche Soldaten mitorganisiert zu haben. Persönlich wollte der ehemalige Kompanieführer zum Prozessauftakt keine Stellung zu den Beschuldigungen nehmen. Dies überließ er seinen beiden Anwälten, Christian Stünkel und Rainer Thesen.