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Christiansen-Verfahren: Debatte über Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechte

Maulkorb für die "Weber"

Vor dem Dresdner Landgericht sollte am Mittwoch geprüft werden, ob eine Textpassage aus der Inszenierung des Gerhart-Hauptmann-Stücks "Die Weber" von Volker Lösch am Dresdner Staatsschauspiel das Persönlichkeitsrecht der TV-Moderatorin Sabine Christiansen verletze. Deren Anwalt Christian Schertz und Rechtsanwalt Spyros Aroukatos, der das sächsische Kunstministerium als Träger des Staatsschauspiels vertrat, dabattierten fast zwei Stunden über Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrechte. Dann beendete eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin die Diskussion.

Stein des Anstoßes war der so genannte Chor der Arbeitslosen, bestehend aus Dresdner Bürgern, der auf der Bühne die Zeile "Wen ich sehr schnell erschießen würde, das wäre Sabine Christiansen" intonierte. Damit sei, betonte ihr Anwalt Christian Schertz, die Freiheit der Kunst weit überschritten.

Aroukatos bemängelte hingegen, dass weder Christiansen noch ihr Anwalt das Stück tatsächlich gesehen hatten und betonte, dass in den Aussagen der "Dresdner Weber" vielmehr das TV-Format "Sabine Christiansen" kritisiert werde. Sie werde zur Zielscheibe, da sie "als Dompteur fungiere, der mit den Bestien spiele", die bei ihr auftreten dürften.

Kurz vor Ende der Verhandlung sah alles danach aus, als würden sich die Anwälte darauf einigen, sich gemeinsam mit dem Gericht in der am Donnerstag geplanten Aufführung des Stückes selbst einen Eindruck zu verschaffen. Doch es kam alles ganz anders. Plötzlich stand der Berliner Anwalt Cornelis Lehment im Zuschauerraum auf und präsentierte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin.

Der Verlag Felix Bloch Erben hatte erfolgreich beantragt, dem Schauspielhaus die Aufführung aller Szenen mit dem Chor der Arbeitslosen zu untersagen, die seit Wochen wegen scharfer Angriffe auf Prominente für Aufsehen sorgen. Dabei hatte er sich jedoch nicht auf einzelne zu beanstandende Textpassagen gestützt, sondern nur moniert, dass die Änderungen in der Dresdner Inszenierung so gravierend seien, dass man sie nicht ohne Absprache mit dem Verlag einfügen könne. Bei Zuwiderhandlung werde ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro fällig. Daraufhin beantragte Christiansens Anwalt, das Verfahren für erledigt zu erklären.

Das Staatsschauspiel zeigte sich von der Verfügung überrascht, hatte man doch damit gerechnet, dass die Klage des Verlags erst in zwei Wochen verhandelt wird. Umgehend kündigte Intendant Holk Freytag an, gegen die Entscheidung des Berliner Landgerichts Widerspruch einzulegen. Das Konzept der Inszenierung sei mit dem Verlag bereits vor dem Abschluss eines Aufführungsvertrags besprochen gewesen, betonte er. Das Stück sei entlang der "Weber" gedacht und entwickelt. Der Verlag habe nie um die endgültige Textfassung gebeten. Das sei jedoch auch nicht üblich. Es sei auffällig, dass nun, da durch die Klage von Christiansen eine großes öffentliches Interesse entstanden sei, der Verlag reagiere. "Ich denke, dass Druck auf den Verlag ausgeübt wurde", sagte der Intendant.

Falls dem Einspruch stattgegeben werde, solle das Stück wie geplant am Donnerstag aufgeführt werden, erklärte Freytag. Das Publikum werde aber in keinem Fall wieder nach Hause geschickt. Bleibe die einstweilige Verfügung bestehen, bekomme es Ausschnitte der Aufführung auf Filmmaterial zu sehen. Zudem sei eine Podiumsdiskussion geplant. Bis zum Juni nächsten Jahres stehen noch 14 "Weber"-Aufführungen auf dem Programm des Staatsschauspiels.