Harte Auseinandersetzungen um die zukünftige Energiepolitik
Die Atomkraft sorgt für anhaltenden Ärger in der großen Koalition. Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte am Wochenende gesagt, man solle sich den Bau neuer Atomkraftwerke offen halten. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger sprach sich dafür aus, die Länder über das Abschalten von Atomkraftwerken entscheiden zu lassen. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller schlug ein Moratorium für Atomkraftwerke bis 2009 vor. SPD-Vize Kurt Beck kritisierte Forderungen von Unions-Politikern nach einer Abkehr von der getroffenen Vereinbarung mit der Atomwirtschaft über Restlaufzeiten. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wandte sich erneut gegen eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke. Vizekanzler Franz Müntefering plädierte für die weitere Nutzung des Energieträgers Kohle. Kohle befreie Deutschland wenigstens zum Teil aus der Abhängigkeit ausländischer Energielieferanten. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW sprach sich dafür aus, sich "endlich" aus der Atomenergie und "von dieser leidigen Diskussion darüber" zu verabschieden. Die Energiepolitik gehöre zu den wenigen Politikbereichen, die bereits vor 30 Jahren - in Folge der Ölpreiskrisen - "intellektuell gelöst" worden seien. Man müsse die dringend notwendigen Maßnahmen zur Umsteuerung der Energiewirtschaft jetzt endlich umsetzen.
"Die Energieressource Uran ist als erste erschöpft"
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat als Konsequenz aus dem aktuellen Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine eine "ökonomisch und ökologisch nachhaltige Energiestrategie" gefordert. "Im Kern stehen wir vor einer Änderung unserer Energiepolitik", sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin. Als gleichrangige Ziele nannte er, Versorgungssicherheit, Stabilität bei den Strompreisen und Erfolge im Klimaschutz zu erreichen. Der Atomenergie erteilte er diesem Zusammenhang eine klare Absage: "Uran ist von allen Energieressourcen die einzige, bei der Deutschland zu 100 Prozent von Importen abhängig ist. Gleichzeitig ist Uran von allen Energieressourcen diejenige, die wir weltweit als erste erschöpft haben werden. Die Menschen, die das erleben werden, sind heute schon geboren", so Gabriel. Der Bundesumweltminister mahnte, die notwendige Diskussion sachlich statt abstrakt und ideologisch motiviert führen.
Effektiver Rechtsschutz
Die Polizei darf Demonstranten ohne richterliche Anordnung nicht stundenlang in Gewahrsam nehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde einer Atomkraftgegnerin hin entschieden. "Eine Freiheitsentziehung erfordert grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung", betonten die Karlsruher Richter in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss.
Politiker fordern mehr Geld für Infrastruktur im Westen
Westdeutsche Politiker fordern höhere Finanzhilfen für die alten Länder zur Sanierung von Straßen, Gebäuden und Infrastruktur. Der verkehrs- und baupolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Horst Friedrich, sagte der "Bild"-Zeitung: "Man muss mehr Geld für die Sanierung der Infrastruktur und technischer Bauwerke zur Verfügung stellen - und das vorrangig im Westen." Dort liege das Problem, denn im Osten sei fast alles erneuert worden. Es sei höchste Zeit, "quasi ein Sonderprogramm Westdeutschland einzuführen", meint Friedrich.
Adac Routenplaner: Stressfrei ans Ziel
Datenschützer fordert zu Protesten gegen Überwachung auf
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert hat zu Protesten gegen die zunehmende staatliche Überwachung aller Bürger ermuntert. "Die Menschen müssen es sich nicht gefallen lassen, dass ihnen ihr Datenschutz und ihre Kommunikationsfreiheiten genommen werden, dass sie zu Nummern reduziert werden, die mit etwas Glück in der großen Lostrommel von Missbrauchsbekämpfung und Sicherheitswahn einen Bürgerrechts-Treffer ziehen", erklärte der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz. 2006 dürfe nicht das "Jahr der Vorratsdatenspeicherung" werden. Das zivilgesellschaftliche und bürgerrechtliche Aufbegehren gegen die verfassungswidrigen Bestrebungen zur Vorratsdatenspeicherung müsse gestärkt werden, "um über eine umfassende öffentliche Diskussion die aktuellen Weichenstellungen in eine Überwachungs-Informationsgesellschaft rückgängig zu machen", so Weichert. Die geplanten Vorratsspeicherungen stellten Menschen ohne einen konkreten Anlass unter Generalverdacht. Sie trügen dazu bei, dass die Menschen ihr Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Sicherheit elektronischer Kommunikationsdienste verlören.
Gewerkschaften planen Demonstration gegen EU-Dienstleistungsrichtlinie
DGB-Chef Michael Sommer hat für den 14. Februar nächsten Jahres eine Großdemonstration der europäischen Gewerkschaften gegen die geplante EU-Dienstleistungsrichtlinie angekündigt. "Was Bauern können, können Gewerkschafter erst recht", sagte Sommer der "Frankfurter Rundschau". Die Gewerkschaften sträubten sich dagegen, "dass mit Hilfe der so genannten Dienstleistungsrichtlinie Steuer- und Sozialdumping betrieben" werde. Es könne nicht sein, dass beispielsweise eine Krankenschwester künftig für polnische Löhne in Deutschland arbeiten müsse. Polnische Löhne reichten in Warschau, um über die Runden zu kommen, aber nicht in Berlin. "Diese Spirale nach unten müssen wir verhindern", sagte Sommer.
Verfassungsgericht stoppt Abschiebung eines ausländischen Vaters
Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag die drohende Abschiebung eines serbisch-montenegrinischen Vaters eines deutschen Kindes gestoppt. Die Ausländerbehörden hatten die Aufenthaltserlaubnis des seit 1999 in Deutschland lebenden Vaters einer Fünfjährigen nicht verlängert. Das Bundesverfassungsgericht hob jetzt die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs auf, die dem Mann Eilrechtsschutz verwehrt hatten. Die Gerichte hätten die familiären Bindungen des Vaters an seine Tochter nicht angemessen berücksichtigt und damit dessen Grundrecht auf Schutz der Familie verletzt. Das Verfassungsgericht betonte, der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil diene in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen habe Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht muss nun neu entscheiden.
"Eignungsgebiete" für Offshore-Windkraft in Nord- und Ostsee festgelegt
Die Bundesregierung möchte künftig vor allem den Bau von Windenergieanlagen in der Nord- und Ostsee vorantreiben. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hat jetzt "besondere Eignungsgebiete" für Windkraftwerke in den beiden Meeren festgelegt. Die im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichten Gebiete befinden sich den Angaben zufolge in der so genannten "ausschliesslichen Wirtschaftszone" (AWZ), also im Bereich jenseits der 12-Seemeilen-Hoheitszone bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von der Küste. Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel ist das "ein wichtiger Schritt für eine geordnete Entwicklung der Windkraftnutzung auf dem Meer".
Wohlfahrtsverband fordert Pflichtuntersuchungen für Kinder
Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) fordert, die bislang freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen für Kinder in Pflichtuntersuchungen umzuwandeln. Die Untersuchungen - von der U 1 gleich nach der Geburt bis zur U 9 im Alter von fünf Jahren - seien ein wichtiger Baustein in einem notwendigen Präventionsprogramm zur Vermeidung von Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des DPWV. Hilfsangebote für Familien müssten dringend ausgebaut werden. In den letzten Jahren sei jedoch bei der Prävention massiv gestrichen worden. Kritiker dagegen warnen unter anderem davor, dass eine Pflichtuntersuchung wohl aus dem Jugendhilfehaushalt bezahlt werden müsste und die Situation damit noch weiter verschlimmern würde.
Marburger Bund kündigt Tarifvertrag und bereitet Ärzte-Streiks vor
Zur Vorbereitung von Ärzte-Streiks an kommunalen Krankenhäusern hat der Marburger Bund beschlossen, gegenüber der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zu kündigen. Damit werde "eine klare Rechtssicherheit" für die geplanten Ärzte-Streiks an den Kliniken hergestellt, sagte Verbandschef Frank Ulrich Montgomery am Montag in Berlin. In Hamburg vereinbarte der Marburger Bund individuell verschiedene Arbeitszeiten für Klinikärzte. Bei den Arztpraxen dürfte es dieses Jahr mit bis zu 125 betroffenen Praxen zu einem neuen "Pleitenrekord" kommen. Von Schließung oder Insolvenz "bedroht" sollen sogar rund 30.000 Praxen sein.
Unterschiedliche Bewertungen nach WTO-Konferenz
Die deutsche Bundesregierung zieht nach der WTO-Ministerkonferenz in Hong Kong eine positive Bilanz. "Nach harten Verhandlungen" habe am Ende ein Kompromiss gestanden: Die EU habe sich bereit erklärt, ihre Exportsubventionen für die Landwirtschaft bis zum Jahr 2013 auslaufen zu lassen. Über die Liberalisierung des Handels mit Industriegütern und Dienstleistungen habe es jedoch keine abschließende Einigung gegeben. Zu einer anderen Bewertung kommt die Menschenrechtsorganisation FIAN.
Bundesamt für Strahlenschutz empfiehlt strahlungsarme Handys
Handy-Käufer sollten beim Kauf eines Mobiltelefons unbedingt auf einen möglichst niedrigen Strahlungswert achten. Dies empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Besonders wenn ein Kind oder Jugendlicher Empfänger des Telefons werden solle, sei dies wichtig, so die Behörde. Das Bundesamt stellt in seinem Internet-Angebot eine Liste mit den Strahlungswerten (SAR-Werten) vieler aktueller Mobiltelefone zur Verfügung. BfS-Sprecher Arthur Junkert forderte die Hersteller auf, die SAR-Werte anzugeben und strahlungsarme Handys mit dem Blauen Engel zu kennzeichnen. Doch leider boykottiere die Industrie das Umweltzeichen.
Frauen sollen höheres Bildungsniveau haben, aber weniger verdienen
Dem soeben erschienenen "FrauenDatenReport 2005" zufolge sind die Lebens- und Berufschancen von Frauen und Männern nach wie vor ungleich verteilt, wenn auch anders als noch vor fünf bis zehn Jahren. Nach dem Bericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung haben junge Frauen mittlerweile ein höheres schulisches Bildungsniveau als junge Männer. Doch bei den Einkommen habe sich die traditionelle Kluft zwischen den Geschlechtern in letzter Zeit trotzdem nicht weiter geschlossen. Innerhalb der EU sei die Lohnkluft nur in Estland und der Slowakei noch größer als in Deutschland. Beim zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit sei die Differenz sogar wieder gewachsen.
Greenpeace prangert "illegale Fischfangflotte" im Rostocker Hafen an
Greenpeace-Aktivisten kennzeichneten am Montag im Rostocker Hafen fünf Fischtrawler als "illegal". Die Umweltschützer beschrifteten den Rumpf der rund sechzig Meter langen Schiffe und forderten die Bundesregierung auf, "die Piratenfischer" festzulegen. Der Grund für die Aktion: Im Hafen von Rostock werden nach Darstellung der Umweltschutzorganisation die Trawler derzeit fit für die nächste Saison gemacht, obwohl die Europäische Union und internationale Fischereiorganisationen sie als illegale Fischer gelistet hätten. "Die Trawler halten sich seit Jahren nicht an internationale Fischereiabkommen und zerstören mit ihren Grundschleppnetzen die Fischbestände und die Unterwasserwelt im Atlantik", so Greenpeace.
Chemikalien sollen in der EU künftig "angemessen" kontrolliert werden
Im EU-Rat der Umweltminister der Mitgliedstaaten kam es am Dienstag zu einer politischen Einigung zu der unter der Abkürzung REACH - Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien - bekannten neuen Chemikalienpolitik der Europäischen Union. Hierbei geht es um die Neuregelung der von der Industrie verlangten Daten über die mögliche Gefährdung von Arbeitern, Verbrauchern und der Umwelt durch Chemikalien. Hintergrund ist, dass nur für ein Bruchteil der täglich verwendeten Chemikalien Sicherheitsinformationen amtlich bekannt sind. Jetzt scheiden sich die Geister, ob es durch die neue Chemikalienpolitik zu einer geringfügigen Verbesserung dieser Informationsdefizite oder sogar zu einer gewissen Verschlechterung kommt. Klar ist offenbar nur, dass die EU-Verordnung frühestens im Frühjahr 2007 in Kraft tritt. Die Kommission geht davon aus, dass die in REACH enthaltenen Vorschriften ab 2008 praktische Geltung erlangen werden.
Deutsche Bundesregierung will laut Amnesty "Foltergeständnisse" nutzen
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble rechtfertigte in der "Stuttgarter Zeitung" Verhöre von Gefangenen, bei denen Folterungen nicht ausgeschlossen werden können. "Wenn wir sagen würden, Informationen, bei denen wir nicht sicher sein können, dass sie unter vollkommen rechtsstaatlichen Bedingungen zu erlangen waren, nutzen wir unter keinen Umständen - das wäre völlig unverantwortlich", sagte Schäuble. "Wir müssen solche Informationen nutzen." Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty international bedeutet das, dass die deutsche Bundesregierung auch Aussagen, die vielleicht unter Folter zustande gekommen sind, verwenden wolle. Schäuble versuche damit auch die Vernehmungen des Deutsch-Syrers Zammar durch deutsche Beamte in einem syrischen Foltergefängnis zu rechtfertigen. Nach Auffassung der Organisation relativiert die Bundesregierung damit ihr Bekenntnis zur Wahrung der Menschenrechte.
US-Konzern beansprucht laut Greenpeace Patent auf ganze Schweinerassen
Greenpeace warnt heute in München vor der Patentierung von Schweinen. Der amerikanische Agrar-Konzern Monsanto hat bei der Weltpatentbehörde in Genf verschiedene Patentanträge angemeldet, in denen ganze Schweinerassen als Erfindung beansprucht werden. Das Europäische Patentamt (EPA) muss die Patentanträge nun prüfen und über eine Erteilung der Patente in Europa entscheiden. Mit einem Korb voll Ferkel forderten Greenpeace und die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall die Mitarbeiter des EPA heute auf, die Patentanträge abzulehnen. Die Ferkel gehören zur traditionellen Rasse der Schwäbisch-Hällischen Landschweine, die ebenfalls von dem Patent betroffen wären.
Deutsche Sicherheitsbehörden sollen in Guantánamo Gefolterte verhört haben
Deutsche Sicherheitsbehörden sollen einem Zeitungsbericht zufolge im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zwei Internierte befragt haben. Die "Süddeutschen Zeitung" berichtete, vom 21. bis 27. September 2002 seien zwei Beamte des Bundesnachrichtendienstes und ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz nach Guantánamo gereist. Sie hätten dort den in Bremen aufgewachsenen Türken Murat Kurnaz verhört sowie den aus Mauretanien stammenden Ould Slahi, der in Duisburg gelebt hatte. Nach Angaben von Amnesty international wurde Kurnaz vermutlich in Guantánamo gefoltert. Darüber hinaus sollen das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz (VS) in einem syrischen Foltergefängnis den deutschen Staatsbürger Haydar Zammar verhört haben.
Verfassungsgericht stärkt Rechte von Gefangenen nach der Haft
Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Strafgefangenen nach Ende der Haftzeit gestärkt. Sie könnten nachträglich die Rechtswidrigkeit ihrer Unterbringung feststellen lassen, wenn die Haftbedingungen möglicherweise die Menschenwürde verletzt hätten, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Werde eine solche Sachentscheidung durch Gerichte abgelehnt, verletze dies das Grundrecht der Betroffenen auf wirksamen Rechtsschutz.