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Neue Polizei-Befugnisse erst gegen Islamisten, dann gegen Linke

Anti-Terror-Datei und Co.

Die geplante "Anti-Terror-Datei", in der Daten über mutmaßliche Islamisten zentral gespeichert werden sollen, der beabsichtigte verstärkte Einsatz von DNA-Analysen sowie das gemeinsame Lagezentrum von Polizei und Geheimdiensten sind erneut auf scharfe Kritik gestoßen. Die Rote Hilfe bezeichnete die Beschlüsse der Innenministerkonferenz (IMK) als "Angriff auf zentrale Grundrechte". Dadurch würden zentrale BürgerInnenrechte, die durch die Politik der "Inneren Sicherheit" und ihre Rechtfertigung durch angeblich drohende Terroranschläge in den letzten Jahren ohnehin zunehmend eingeschränkt worden seien, weiter demontiert. Es sei - wie bereits in der Vergangenheit - davon auszugehen, dass neue Befugnisse für Polizei und Geheimdienste schnell wieder gegen unliebsame politische Aktivitäten eingesetzt würden.

Mit der zentralen "Islamisten"-Datenbank habet der "Kampf gegen den Terror" einen neuen Höhepunkt in seinen Bemühungen zur Abschaffung jeglicher datenschutzrechtlicher Grundvorstellungen gefunden, kritisierte die Rote Hilfe. Auch wenn die Form der Datei noch nicht im Detail feststehe, sei schon jetzt offensichtlich, dass die zunächst von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ins Gespräch gebrachte Einrichtung die Bewegungsfreiheit und Grundrechte von Nichtdeutschen und MuslimInnen auf ein Minimum reduzieren werde. Zudem werde die bisherige Beschränkung auf Islamismus wohl kaum lange anhalten und bald durch den "noch diffuseren" Begriff des "Ausländerextremismus", der sämtliche Formen politischer Betätigung beinhalte, ersetzt werden.

Diese Entwicklung werde auch nicht vor anderen politischen Bewegungen Halt machen, prophezeien die Kritiker, so dass die Einrichtung weiterer zentraler Dateien über linke AktivistInnen nur eine Frage der Zeit sei. "Die zunehmende Vernetzung und daraus resultierende Verfügbarkeit von Informationen hat - zusammen mit der rapide voranschreitenden Reglementierung bzw. dem Abbau von Versammlungsrechten - bereits dazu geführt, dass politische Betätigung als solche schon kriminell erscheint", kritisiert die Rote Hilfe. Potenzielle DemonstrationsteilnehmerInnen müssten bereits jetzt im Vorfeld mit erheblichen Einschränkungen wie Meldeauflagen, Passentzug oder Unterbindungsgewahrsam rechnen.

"Im Fall der "Anti-Terror-Datei" ist wieder einmal davon auszugehen, dass ein in der Öffentlichkeit angstbesetztes Thema dazu dient, ein neues staatliches Repressionsinstrument einzuführen, das später gegen linke AktivistInnen zum Einsatz kommt", so die Rote Hilfe. Die gleiche Entwicklung war bei den ursprünglich gegen Hooligans eingeführten Ausreiseverboten zu beobachten, die mittlerweile vor jedem Gipfelprotest gegen GlobalisierungskritikerInnen zum Einsatz kommen.

Ein weiteres Beispiel sei die Einführung von DNA-Analysen, die angesichts von sexualisierter Gewalt und der Ermordung von Kindern die Strafverfolgung von besonders schweren Straftaten erleichtern sollten. Diese Beschränkung wurde innerhalb kürzester Zeit aufgehoben und werde seit Jahren ausgiebig als Waffe gegen politisch Aktive benutzt, ohne dass erwähnenswerte Delikte vorlägen, kritisiert die Initiative. Gerade der Einsatz des genetischen Fingerabdrucks als Mittel staatlicher Repression solle nun auch offiziell ausgeweitet werden.

Mit dem geplanten Analyse- und Lagezentrum zu Islamismus, das die ohnehin schon existierende Zusammenarbeit von Polizei, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst legalisieren und vervielfachen solle, werde bewusst die im Grundgesetz verankerte Trennung von Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden aufgehoben. Die ohnehin in den letzten Jahren erweiterten Befugnisse der Ermittlungsbehörden würden mit dem neuen Lagezentrum von ihren letzten Einschränkungen befreit: durch den vollständigen Zugriff auf Erkenntnisse der Geheimdienste, die bei ihrer Informationsbeschaffung kaum Restriktionen unterlägen, erhalte die Polizei genau jene Möglichkeiten, die die aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus resultierende Trennung von Geheimdiensten und Polizei verhindert werden sollte. "Mit dieser neuen Zusammenarbeit ist dem staatlichen Sicherheitswahn ein weiterer Grundsatz zum Opfer gefallen, der das Abrutschen in den Polizeistaat verhindern sollte", kritisiert die Rote Hilfe.

Selbst die als Schutz gedachten staatseigenen Einrichtungen zeigten keinerlei Wirkung. Dies zeige die aktuelle Debatte um die Umgehung der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen beim "Lauschangriff". Der derzeit diskutierte Neuentwurf des Gesetzes erweitert die beanstandeten Vorgaben um eine Fülle weiterer Ausnahmeregelungen, die bisher geschützte Personengruppen betreffen.

"Alle gegen den angeblich überall drohenden islamistischen Terror eingeführten Repressionsmaßnahmen werden früher oder später auch dazu benutzt, linke Bewegungen und AktivistInnen in ihren Äußerungsmöglichkeiten bis zur völligen Handlungsunfähigkeit einzuschränken", fasst die Rote Hilfe zusammen.