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Die Union zögert

Sofortprogramm wird noch nicht vorgestellt

Wegen der Hochwasserkatastrophe verschiebt die Union die Vorstellung ihres Sofortprogramms. Das Programm für die ersten Monate nach einer möglichen Regierungsübernahme sollte ursprünglich am Donnerstag präsentiert werden.

Eine CDU-Sprecherin bestätigte am Dienstag in Berlin zugleich, dass noch kein neuer Termin für die Vorstellung des Programms benannt sei. Im Moment stünden andere Themen im Vordergrund, fügte sie hinzu.

Am 20-08-2002

Sonntagsfrage

Die SPD kann bei den Wählern keinen Boden gewinnen. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, könnten die Sozialdemokraten mit 27 Prozent der Stimmen rechnen, wie eine am Mittwoch vorab veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag von "Stern" und RTL ergab. Im Vergleich zur Vorwoche verliert die SPD damit einen Prozentpunkt. Die Grünen verbessern sich um einen Punkt auf 11 Prozent. Die Union liegt unverändert bei 48 Prozent. Die FDP könnte der Umfrage zufolge wie in der Vorwoche mit 6 Prozent Zustimmung rechnen. Die PDS wäre mit 5 Prozent wieder im Bundestag vertreten. Wie die Meinungsumfrage weiter ergab, favorisieren in der Diskussion um die Nachfolge von Bundespräsident Johannes Rau 43 Prozent der Deutschen den CDU-Politiker Wolfgang Schäuble. 23 Prozent sehen Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) als neuen Bundespräsidenten. Für 18 Prozent ist CSU-Chef Edmund Stoiber der Favorit für das Amt, dessen neuer Inhaber am 23. Mai gewählt wird. 16 Prozent entschieden sich für keinen der genannten Politiker. Forsa befragte am 8. und 9. Januar insgesamt 2505 Bundesbürger.

Am 14-01-2004

Viele Fragen

Für viele Medien war die so genannte "K-Frage", die Frage nach der Kanzlerkandidatur in der Union, viele Jahre lang eines der beliebtesten Themen. Nun hat dieses Unterhaltungsprogramm sein Ende gefunden, die Frage ist beantwortet. Die Präsidien von CDU und CSU nominierten CDU-Chefin Angela Merkel am Montag in einer gemeinsamen Sitzung in Berlin zu ihrer Kanzlerkandidatin. Die Union zieht also mit Merkel an der Spitze in den Bundestagswahlkampf. Die Kandidatur Merkels war nach dem Wahlsieg der CDU in Nordrhein-Westfalen und der Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen allgemein erwartet worden. Die 50-Jährige ist die erste Kanzlerkandidatin der Union. 2002 hatte sich noch der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber durchgesetzt. Die Medien rücken nun die Person Merkel in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Neben Stoiber hatte zuletzt auch der hessische Ministerpräsident, Roland Koch, seinen Widerstand gegen Merkel aufgegeben. Schon einen Tag nach den angekündigten Neuwahlen hatte er sie zur Kanzlerkandidatin der Union ausgerufen.

Nach Klärung der "K-Frage" stellt sich für die Union nun noch die "W-Frage": Sie muss sich über die Wahlversprechen einigen. Es gibt nämlich noch kein Wahlprogramm. Während der CSU-Politiker Horst Seehofer der Auffassung ist, man solle sich um den "kleinen Mann" bemühen, fordern andere Unionspolitiker, man solle dem "kleinen Mann" eine höhere Mehrwertsteuer auferlegen, um die Unternehmen steuerlich entlasten zu können.

Auch über die andere "W-Frage", die Frage nach der Wahrheit wird in der Union - wie in den anderen Parteien auch - heftig gestritten. Ganz offen und ungeniert wird heute in den Medien erörtert, in welchem Maße vor einer Bundestagswahl die Wahrheit gesagt wird über das, was nach der Wahl vorgesehen ist.

Beantwortet ist vorläufig nur die "K-Frage". Die Kanzlerkandidatin Angela Merkel hat eine steile Karriere hinter sich. Alt-Kanzler Helmut Kohl machte die frühere Physikerin erst zur Frauen- und später zur Umwelt- und Atomministerin. Dabei war sie erst im August 1990 Mitglied der Ost-CDU geworden, die mit der Wiedervereinigung in der West-CDU aufging. Im Dezember 1991 wurde sie bereits stellvertretende Bundesvorsitzende, nach der verlorenen Bundestagswahl 1998 machte sie der neue CDU-Chef Wolfgang Schäuble zu seiner Generalsekretärin.

Als Merkel im Zuge der Spendenaffäre ihrer Partei die Abkehr von ihrem einstigen Förderer Helmut Kohl ans Herz legt, spülte die Sympathie der Parteibasis sie an die Spitze der CDU. Am 10. April 2000 wurde Merkel auf dem Essener Parteitag zur Vorsitzenden der westdeutsch und männerdominierten CDU gewählt.

Bei der vergangenen Bundestagswahl musste sie CSU-Chef Edmund Stoiber den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen, auch weil die meisten in ihrer eigenen Partei es so wollten. Mit Stoiber verlohr die Union die Wahl knapp, nachdem Bundeskanzler Schröder Elbe-Flut und die Ablehnung des Irak-Krieges für sich nutzen konnte. Merkel nutzte die Niederlage Stoibers und griff zum Ausbau ihrer Machtbasis nach dem Fraktionsvorsitz. Spätestens seitdem ist das Verhältnis zu ihrem Vorgänger Friedrich Merz endgültig zerrüttet.

Ende 2003 beschloss der CDU-Parteitag in Leipzig radikale Reformen für die Steuern und den Gesundheitssektor. Merkel wurde gefeiert. Die CSU lehnte die Konzepte ab, das Verhältnis der Schwesterparteien wurde schwieriger. Konnte der Streit über ein gemeinsames Steuersystem noch relativ rasch entschärft werden, prägte der Dissens über die CDU-Kopfpauschalen für die Krankenversicherung weite Teile des Jahres 2004.

Merz und Fraktionsvize Horst Seehofer kündigten Merkel die Gefolgschaft in der Fraktion, Schäuble gab Merkel bei der Nachfolge von Merz einen Korb. Am Ende des Jahres kam ihr auch noch Generalsekretär Laurenz Meyer abhanden, weil dieser vom Energie- und Atomkonzern RWE bezahlt wurde. Auf der Habenseite verbuchte Merkel, dass sie ihren Bundespräsidentenkandidaten Horst Köhler durchsetzen konnte.

2005 gewann die CDU in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Wahlen gegen die Sympathieträger Heide Simonis und Peer Steinbrück (beide SPD). Das verhalf Merkel zum entscheidenden Durchbruch.

Die Medien sehen bei Merkel dennoch ein Manko gegenüber Schröder. Während dieser mit Familiärem nebst Hund punkte, wüßten viele Wähler nicht viel über den Menschen Merkel. Das wird von Medienseite nun versucht, nachzuholen. Merkel wird nun in den Medien ganz als Mensch präsentiert, mit Stärken und Schwächen, die natürlich gar keine sind: Dass sich Merkel gern in heimatliche uckermärkische Gefilde zurückziehe, sei bekannt, "ebenso ihre Wanderlust, ihr Appetit und die Freude an Opern". Unduldsamkeit nenne Merkel neben gelegentlich lauteren Tönen selbst ihre Schwächen, das ihr nachgesagte ausgeprägte Misstrauen gebe sie nicht gern zu. Ein gutes Nervenkostüm und Belastbarkeit sehe sie als ihre Stärken an.

Schon Gerhard Schröder und vielen anderen Politikern gelang es, über die Inszenierung der Person die leidigen inhaltlichen Fragen in den Hintergrund zu drängen. Dennoch: Ein Wahlprogramm wird es geben und darin werden - so viel dürfte klar sein - jede Menge Arbeitsplätze versprochen werden. Auch Bildung und Forschung dürften in dem Wahlprogramm - wie bei den anderen Parteien auch - eine wichtige Rolle spielen.

Fraglich ist hingegen, ob das Wahlprogramm die "B-Frage", die Frage nach Sinn und Zweck von Bildung tatsächlich beantworten wird: Warum ist ein hohes Bildungsniveau notwendig, wenn Wirtschaftsforscher "haushaltsnahe Dienstleistungen" als "zukunftsträchtige Wirtschaftssektoren" empfehlen. Welchen "Wettbewerbsvorteil" haben gut ausgebildete Akademiker, wenn der "Arbeitsmarkt" der Zukunft vor allem Jobs als Hausmeister, Putzfrau, Fensterputzer oder Gärtner hergibt? Beschäftigen Manager, die Millionenabfindungen kassiert haben, in ihrer Villa bevorzugt Putzfrauen mit Doktortitel oder Gärtner mit Erfahrung in der Spitzenforschung? Wirtschaft und Politik sollten Antworten geben auf diese "drängenden Fragen".

Am 30-05-2005

Geldspritzen im August

Noch im August erhielt vor allem die CDU von der Wirtschaft nennenswerte Geldbeträge - vermutlich um den Wahlkampf finanzieren zu können. Nach Informationen des Deutschen Bundestages spendete die Deutsche Bank am 10. August 300.000 Euro an die CDU. Von der DaimlerChrysler AG kamen am gleichen Tag 150.000 Euro. Der Versicherungsriese Allianz spendete am 8. und am 12. August insgesamt 60.001 Euro. Hinzu kamen am 19. August 200.000 Euro vom Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall). Insgesamt flossen also in der Hochphase des Bundestagswahlkampfes gut 800.000 Euro an die CDU. Trotz der massiven Unterstützung verlor die CDU 1,7 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 2002. CDU und CSU verloren gemeinsam 3,3 Prozentpunkte. Die Allianz bedachte auch CSU, SPD, FDP und Grüne im August mit jeweils 60.001 Euro. Die Linkspartei erhielt von dem Versicherungskonzern keine Gelder. Die SPD erhielt ebenso wie die CDU am 10. August 150.000 Euro von der DaimlerChrysler AG. Die SPD verbuchte in diesem Wahlkampfmonat also gut 200.000 Euro Großspenden aus der Wirtschaft.

Schon im Juni und im Juli verzeichneten CDU, CSU, FDP und SPD mehrere Großspenden. Die größte Finanzspritze kam vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, der 400.000 Euro an die CSU spendete. Hinter dem Verband steckt offenbar unter anderem der Elektromulti Siemens, dessen Aufsichtsratsvorsitzender sich unlängst wieder für die Atomenergie stark gemacht hatte. Die Porsche AG spendete jeweils 200.000 Euro an die CDU und die SPD. Der Energiekonzern E.On, Deutschlands größter Atomkraftwerksbetreiber, überwies 150.000 Euro an die SPD, 100.000 Euro gingen an die CDU.

Der Chemie- und Pharmakonzern Altana spendete jeweils 125.000 Euro an die CDU im Bund und in Hessen. Das Bankhaus Sal. Oppenheim spendete 150.000 Euro an die FDP. Die Deutsche Bank übergab 200.000 Euro an die FDP, die Commerzbank 150.000 Euro an die CDU.

Auch in den Monaten zuvor wurden die Parteien von Großkonzernen bezahlt. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie spendete bereits im April 360.000 Euro an die CSU. Neben Siemens ist der Verband beispielsweise auch die Interessenvertretung der Automobilkonzerne BMW und Audi, des Elektrokonzerns Bosch und des zur DaimlerChrysler AG gehörenden Rüstungskonzerns EADS.

DaimlerChrysler überwies im April 150.000 Euro an die CDU und noch einmal den gleichen Betrag an die SPD. Von der Deutschen Bank flossen im April 100.000 Euro an die CDU. Vom Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim erhielt die CDU bereits im Februar 75.000 Euro.

Am 19-09-2005

"Kleine Kopfpauschale"

In der Union und bei den Sozialdemokraten hält sich verbreitet Skepsis gegenüber dem von den Koalitionsspitzen ausgehandelten Gesundheitskompromiss. Vor allem die "SPD-Linke" artikulierte am Freitag ihren Unmut. In der Union wurden ebenfalls Vorbehalte deutlich. Das Bundeskabinett will am 25. Oktober den Gesetzentwurf beschließen, wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg ankündigte. Die Wortführerin der SPD-Linken, Andrea Nahles, kritisierte, das Ergebnis der jüngsten Koalitionsrunde sei schlechter als die Eckpunkte vom Juli. Die Union habe eine kleine Kopfpauschale durchgesetzt, die besonders Geringverdiener treffe. Die gesetzlich Versicherten müssten deutlich höhere Beiträge und viele noch einen Zusatzbeitrag zahlen. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zeigte sich indes "ganz zufrieden" mit der Einigung. Erstmals gebe es bei einer Gesundheitsreform keine Leistungseinschränkungen, so Müntefering und Saar-SPD-Chef Heiko Maas.

Das Meinungsbild in der Union ist noch unklar. Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" wurden in einer Telefonkonferenz der CDU/CSU-Fraktionsführung "zum Teil erhebliche Einwände" erhoben. Der Vorsitzende der Jungen Gruppe in der Fraktion, Marco Wanderwitz, sagte, die Reform sei nicht demografiefest. "Nun ist der Punkt erreicht, an dem ich sage: Jetzt ist genug", sagte Wanderwitz.

Mehrere Unions-Ministerpräsidenten wollten sich auch am Freitag nicht zu dem Kompromiss äußern. Auf Anfrage lehnten die CDU-Regierungschefs von Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen, Ole von Beust, Peter Harry Carstensen und Georg Milbradt, Stellungnahmen ab. Nordrhein-Westfalen will wie Bayern und Baden-Württemberg den Gesetzestext erst prüfen. Landessozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte, sein Land sehe die Budget-Absenkungen für die Krankenhäuser "sehr kritisch".

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) nannte die Einigung "erträglich", sieht aber in der Erhöhung der Kassenbeiträge "mehr als einen Schönheitsfehler". CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer erwartet dennoch für den Kompromiss in Bundestag und Bundesrat satte" Mehrheiten. Thüringens Regierungschef Dieter Althaus (CDU) rief seine Unions-Länderkollegen auf, sich hinter den Kompromiss zu stellen.

Gesundheitskonferenz der Linkspartei

Bei ihrer Konferenz "Gesunde Republik Deutschland" hat die Linksfraktion ihre Kritik am Gesundheits-Kompromiss der großen Koalition erneuert und Alternativen vorgestellt. Fraktionschef Oskar Lafontaine warf der Regierung einen zutiefst unsozialen Kurs vor: "Beim Streit um die Gesundheitsreform ist das herausgekommen, was zu erwarten war: Ein Kompromiss, der zu Lasten der untersten 30 Prozent geht. Aktuelle Studien zeigen, dass der arme Teil der Bevölkerung sieben Jahre kürzer lebt als die Reichen. Eine verantwortungsvolle Gesundheitspolitik würde alles daran setzen, das zu ändern. Doch die große Koalition tut das Gegenteil: Die Schwächsten der Gesellschaft werden am stärksten belastet. Dem setzen wir das Konzept einer solidarischen Volksversicherung entgegen, denn vor dem Arzt müssen alle gleich sein."

Martina Bunge, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, kritisierte die fehlende Einbindung der Abgeordneten: "Die Regierung setzt weiter auf die Entmachtung des Parlaments: Zur Gesundheitsreform gibt es im Bundestag bisher noch nicht einmal einen Diskussionsprozess. Die Regierung hat sich selbst zehn Monate Zeit genommen und lässt dem Parlament ganze acht Wochen Zeit, um das Gesetzeswerk durchzubringen. Mit unserer Konferenz wollen wir dazu beitragen, die bisher fehlende breite Debatte anzuschieben."

Ellis Huber, Gesundheitsberater und ehemaliger Präsident der Ärztekammer Berlin, stellte ein alternatives Konzept für eine seines Erachtens "nachhaltige und gerechte Gesundheitsreform" vor: "Eine gerechte und zukunftsweisende Reform wäre möglich, wenn die Regierung die Interessen der Bevölkerung höher bewerten würde als die der Gesundheits-Lobbyisten. Für die Krankenversicherung müssen alle Einkunftsarten herangezogen werden; dann würde ein Beitrag von 10 Prozent genügen, um die gleichen Einnahmen wie heute zu erzielen. Zudem könnten in einer Bürgerversicherung viele Verwaltungskosten eingespart werden und mehr Geld für eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung für alle zur Verfügung stehen."

Die Linksfraktion will das Gesundheitswesen mit einer einheitlichen solidarischen Volksversicherung reformieren. Um die Versorgung der Bevölkerung auf eine wirklich gerechte Basis zu stellen, müssten alle Bürger künftig den gleichen Prozentsatz ihrer Einkünfte zahlen. Für "individuelle Bedürfnisse" sollten allerdings "zusätzliche Wahlmöglichkeiten" geschaffen werden.

Am 06-10-2006

Parteien zwischen Wählern und Konzernen

Die Parteien wollen die Wähler vor den nächsten Wahlen nicht länger vergraulen. Die Wirtschaft andererseits will politische Entscheidungen der vergangenen Jahre, von der sie profitiert, nicht in Frage gestellt sehen. Per "Bild"-Zeitung warnen die vier Spitzenverbände der Wirtschaft BDA, BDI, DIHK und ZDH nun davor, Änderungen an der so genannten Agenda 2010 in Frage zu stellen. Es dürfe keine Korrekturen an der Arbeitsmarktreform geben, fordern die einflussreichen Verbände. "Der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland ist auch eine Folge der richtigen und wichtigen Reformen der Agenda 2010", zitiert die Zeitung aus einem Schreiben an die Koalitionsparteien. "Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft warnen deshalb davor, einen Teil der Reformen zurückzudrehen." Unterzeichnet ist Schreiben von BDA-Präsident Dieter Hundt, BDI-Präsident Jürgen Thumann, DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun und ZDH-Präsident Otto Kentzler. Die Verbandschefs beziehen sich in ihrer Warnung an CDU/CSU und SPD unter anderem auf die aktuell diskutierten Änderungen beim Arbeitslosengeld I: "Deutschland darf nicht in eine populistische, rückwärtsgewandte Politik verfallen, während sich der Rest der Welt den notwendigen Veränderungen stellt." Nach Ansicht der Präsidenten ist der Konjunktur-Aufschwung in Deutschland massiv bedroht.

Kraft: Müntefering soll Parteitagsbeschluss respektieren

Hannelore Kraft, die Vorsitzende des größten SPD-Landesverbandes NRW hingegen hat Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD) aufgefordert, neue Beschlüsse der SPD zum Arbeitslosengeld umzusetzen. Sie erwarte, dass "die SPD-Mitglieder in der Regierung den Parteitagsbeschluss respektieren und ihn aktiv in der Koalition mit der CDU umsetzen. Franz Müntefering hat das auch zugesagt. Das ist gut so", sagte Kraft der "Rheinischen Post". Bedenken, dass Müntefering sein Amt hinwerfen könnte, habe sie nicht.

Oettinger: Müntefering soll Parteitagsbeschluss respektieren

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat seine Partei vor Kompromissen mit den Sozialdemokraten beim Arbeitslosengeld I gewarnt.

Wenn es Spielräume in der Arbeitslosenversicherung gebe, müssten die Beiträge gesenkt werden. Diesem Ziel müsse alles untergeordnet werden, sagt Oettinger der Wochenzeitung "Die Zeit". Die Senkung der Lohnnebenkosten sei wichtiger, als Programme aufzulegen, die Geld kosten, aber die Arbeitslosigkeit nur verwalteten, so Oettinger. An einer Senkung der Lohnnebenkosten haben die Arbeitgeber ein hohes Interesse, weil sie diese zur Hälfte tragen.

Sollte es zu Gesprächen mit der SPD kommen, fordert Oettinger, dass auch über eine Lockerung des Kündigungsschutzes gesprochen wird. Dies gehöre "mit in ein Paket".

Oettinger schlug zudem vor, den Kündigungsschutz für kleine und mittlere Betriebe bei neuen Arbeitsverträgen "probeweise für drei Jahre" abzuschaffen.

Gysi: Rückgang der Arbeitslostigkeit liegt nicht an Agenda 2010

Links-Fraktionschef Gregor Gysi hält die These, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit Ergebnis von Agenda 2010, Hartz IV und der Arbeitsmarktreform sei, für falsch. "Schon ein Ökonomiestudent weiß nach dem ersten Semester, dass die Konjunktur entscheidend ist, nicht die Agenda 2010 oder Hartz IV", so Gysi am 11. Oktober im Deutschen Bundestag.

Man müsse auch sehen, dass "die Hälfte der neuen Jobs Teilzeitjobs sind, dass mehr als die Hälfte der neuen Jobs Mini- und Midi-Jobs mit kargen Löhnen sind und dass viele in Leiharbeit mit abenteuerlichen Löhnen sind", so Gysi. Es sei auch zu erwähnen, dass der Anteil der Frauen unter den Arbeitslosen zunehme. Auch werde die Arbeitslosigkeit im Westen schneller abgebaut als im Osten, was die Schere wieder stärker auseinandergehen lasse. Langzeitarbeitslose seien auch heute noch besonders schwer zu vermitteln. Über 1,2 Millionen Menschen in Deutschland waren laut Gysi im September 2007 länger als ein Jahr arbeitslos.

26 Prozent der ALG-I-Bezieher hätten einen neuen Job gefunden, aber nur 11 Prozent der ALG-II-Bezieher. "Das ist ein dramatischer Unterschied", so Gysi. Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit seien von den 55- bis 64-jährigen Arbeitslosen 40.000 Menschen im September 2007 aus dem Bezug von Arbeitslosengeld I herausgefallen, "6000 davon deshalb, weil sie einen neuen Job hatten, 34.000 aber deshalb, weil sie ALG II beziehen, weil sie einen 1-Euro-Job haben oder weil sie Rente beziehen. Das heißt, ein Siebtel hat einen neuen Job. Das ist keine signifikante Größe", so Gysi. "Das heißt, dass die meisten, die aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes I fallen, keinesfalls eine Erwerbsarbeit aufnehmen.

Wenn man mehr Arbeit schaffen will, dann müsse man über andere Dinge diskutieren, meint der Linksfraktionschef. "Dann müssen wir darüber diskutieren, dass wir Arbeitszeit zu verkürzen haben, um Arbeit gerechter zu verteilen. Aber Sie verlängern die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre."

Am 17-10-2007

Jobs in Privathaushalten

Früher ging es um Arbeitsplätze. Heute geht es vielfach nur noch um "Jobs". Teilweise ist auch von "Minijobs" die Rede und davon, dass Menschen von ihren Einkünften kaum leben können. Die Unions-Fraktion will nun "Jobs" in Privathaushalten stärker steuerlich fördern. Über eine solche Initiative berieten die CDU/CSU-Abgeordneten am Dienstag in Berlin. Das Konzept hatten die beiden Experten für Steuern und Arbeit, Michael Meister und Ilse Falk (beide CDU) erarbeitet. Wenn ein Privathaushalt "als Arbeitgeber" ein sozialversicherungspflichtiges oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis eingeht, sollten danach die Aufwendungen uneingeschränkt steuerlich geltend gemacht werden können. Das Beschäftigungsverhältnis müsse haushaltsnah sein, also etwa der Wohnungsreinigung, der Gartenpflege, der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen dienen.

In anderen Fällen, in denen der Privathaushalt als Auftraggeber haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nimmt, sollten neben der bisherigen steuerlichen Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten zwei Drittel der Aufwendungen, maximal aber 4000 Euro, abgezogen werden können. Die Kosten des Konzeptes geben Meister und Falk mit unter 500 Millionen Euro an.

Am 23-10-2007

"Die neuen Asozialen"

Angesichts der Steuerermittlungen gegen den zurückgetretenen Post-Chef Klaus Zumwinkel und hunderte weitere vermögende Personen fordert die Politik eine härtere Gangart gegen Steuersünder. Das SPD-Präsidium will prüfen, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung erhöht werden sollte. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sprach am Wochenende von der Notwendigkeit einer "Abschreckung". Die Union will offenbar weniger hart gegen vermögende Steuersünder vorgehen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), sagte am 18. Februar im Deutschlandfunk, schnelle Reaktionen der Politik auf Skandale seien generell mit Vorsicht zu betrachten und in ihrer Nachhaltigkeit "überschaubar". Röttgen warnte nach dem Steuerskandal um den zurückgetretenen Postchef Klaus Zumwinkel jedoch davor, Managern generell ein mangelhaftes Unrechtsbewusstsein zu unterstellen. Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, es dürfe keinen "Freibrief" für Steuersünder geben. Es müsse daher geprüft werden, ob der "Strafrahmen bei Wirtschafts- und Steuerdelikten härter gefasst wird".

Zumwinkel hatte am Freitag wegen Ermittlungen gegen ihn sein Amt zur Verfügung gestellt. Der 64-Jährige steht im Verdacht, über Stiftungen in Liechtenstein Steuern in einer Größenordnung von rund einer Million Euro hinterzogen zu haben. Nach Angaben der Bochumer Staatsanwaltschaft wird gegen mehrere Hundert Personen wegen Steuerhinterziehung ermittelt.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) forderte, die Veröffentlichungspflichten von Managern mit hervorgehobener Funktion in der deutschen Wirtschaft "dramatisch zu erhöhen". Dies werde er dem CDU-Präsidium vorschlagen. Für die Öffentlichkeit sichtbar müssten Gehalt, leistungsbezogene Boni, Rentenvereinbarungen und weitere Ansprüche wie die lebenslange Zusage einer Sekretärin oder eines Dienstwagens werden, sagte Oettinger.

Das SPD-Präsidium will laut "Spiegel" in einer Hamburger Erklärung am Montag festlegen, dass Fälle von Steuerhinterziehung nicht gegen Geldzahlungen eingestellt werden dürften. Außerdem soll geprüft werden, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung in schweren Fällen von derzeit zehn Jahren verschärft werden muss. Es müsse deutlich werden, dass Steuerhinterziehung "kein Kavaliersdelikt" ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Steppuhn schlug vor, Steuerhinterziehungen von mehr als 100 000 Euro generell mit Gefängnisstrafen zu ahnden.

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mahnte, die Wirtschaft müsse ihre Selbstreinigungskräfte mobilisieren. Andernfalls werde die Soziale Marktwirtschaft unglaubwürdig. "Dann würde unser Land zum Übernahmekandidaten für die Linke". Das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft werde derzeit "durch einen nicht unerheblichen Teil der wirtschaftlichen Elite gefährdet", sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, plädierte dafür, Managergehälter ab zwei Millionen Euro zu 80 Prozent zu versteuern. Die Einnahmen aus der höheren Steuer sollten in den Ausbau von Schulen, Kindertagesstätten, Kliniken und Pflegeeinrichtungen fließen. Es habe eine Kultur der Maßlosigkeit Einzug gehalten, kritisierte Bsirske.

Auch die Industrie befürchtet "verheerende Folgen" wegen des Fehlverhaltens einzelner Manager. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, nannte den jüngsten Steuerfall und die Schmiergeldermittlungen bei Siemens "katastrophal". Die sich häufenden Berichte über Unregelmäßigkeiten seien "für die Akzeptanz unseres Wirtschaftssystems verheerend". Jeder einzelne Manager müsse "selbst einen Beitrag leisten, um öffentliches Misstrauen abzubauen", sagte Thumann.

Das SPD-Präsidium will laut dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in einer Hamburger Erklärung festlegen, dass Fälle von Steuerhinterziehung nicht gegen Geldzahlungen eingestellt werden dürfen. Außerdem soll geprüft werden, ob das Strafmaß für Steuerhinterziehung in schweren Fällen von derzeit zehn Jahren verschärft werden muss.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil wiederholte seinen Vorwurf, bei Steuerhinterziehern handele es sich um "die neuen Asozialen". Die Gesetze müssten angewendet und gegebenenfalls auch verschärft werden, sagte Heil am 18. Februar im ARD-"Morgenmagazin". Die Mindeststrafe könnte von einem halben Jahr Freiheitsstrafe auf ein Jahr erhöht werden. Damit würde deutlich gemacht, dass es sich um ein Verbrechen und nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.

Benneter lehnt Bewährungsstrafe für Zumwinkel ab

Der Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Uwe Benneter, fordert eine harte Bestrafung von Zumwinkel. "Ich denke, dass eine Bewährungsstrafe nicht angebracht wäre bei dieser Schadenssumme", sagte Benneter am 18. Februar dem Onlineportal des Magazins "Stern".

Der frühere SPD-Generalsekretär kritisierte, es gehe nicht, dass jene, "die es besonders dicke haben", ihr Vermögen ins Ausland transferierten, "und die Eltern, die wirklich die Leistungsträger sind, die können dann die Toiletten putzen in den Schulen, weil da nicht genügend Geld vorhanden ist."

Oppermann verteidigt BND Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD), verteidigt die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Steueraffäre um Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Er sei sich ganz sicher, dass der Geheimdienst im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt habe, sagte der SPD-Politiker am Montag im RBB-Inforadio. Er sprach von einer "Erfolgsgeschichte". "Es ist wichtig, dass der Staat in der Lage ist, solche Verfehlungen aufzuklären und zu ahnden und auch andere Anleger von gleichem Tun abzuschrecken", sagte Oppermann.

Der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Max Stadler (FDP), hatte in der "Bild"-Zeitung hingegen Aufklärung über die Rolle des BND gefordert. In einem Rechtsstaat müsse strikt darauf geachtet werden, dass Nachrichtendienste nur innerhalb ihrer Zuständigkeit tätig werden, sagte Stadler.

Medienberichten zufolge hatte der BND einem Informanten bis zu fünf Millionen Euro für Informationen über die Steuervergehen mehrerer hundert deutscher Großverdiener gezahlt.

"Organisierte Kriminalität, was dieser Kleinstaat da treibt." Die Grünen fordern Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Liechtenstein zur Kooperation zu bewegen. Die deutsche Politik könne es sich nicht bieten lassen, dass das Fürstentum Vermögende in ganz Europa dazu auffordere, der Allgemeinheit Geld zu entziehen, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast dem "Tagesspiegel": Es grenze "an organisierte Kriminalität, was dieser Kleinstaat da treibt."

Künast rief Merkel dazu auf, beim Besuch des Liechtensteiner Regierungschef Otmar Hasler am Mittwoch deutliche Worte zu finden. "Es kann nicht angehen, dass sich Liechtenstein auf Kosten des Allgemeinwohls anderer Länder bereichert. Wenn das nicht aufhört, müssen wir für die Ächtung des Fürstentums in Europa sorgen."

"Das schon viel zu lange auch von Deutschland in den Alpen tolerierte Raubrittertum per Steuergeheimnis muss der Vergangenheit angehören", sagte auch der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick. Die liechtensteinischen Behörden müssten künftig nicht nur bei Betrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe leisten. "Die Kanzlerin muss die Zusage des Fürstenhauses einfordern, dass die Fürstenbank LGT umgehend ihre Mithilfe zur Steuerhinterziehung deutscher Kunden einstellt."

Schick kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung" auch, dass die Länder sich seit Jahren weigerten, die Zahl der Steuerfahnder aufzustocken, obwohl jeder einzelne Beamte mehr Geld eintreibe, als er koste. Grund sei, dass die Länder einen großen Teil der Mehreinnahmen an den Bund und die anderen Länder abtreten müssten. "Die Ministerpräsidenten sind somit mit Schuld an der jetzigen Misere", sagte Schick.

Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht politische Mitschuld an Steuer-"Raubrittertum"

Das Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht eklatante Versäumnisse der Politik. Der Mitbegründer der internationalen Organisation, Sven Giegold, nannte es am Montag im ARD-"Morgenmagazin" einen "Skandal", dass Länder wie Luxemburg oder Liechtenstein nicht ernsthaft unter Druck gesetzt worden seien, Erträge von Bankkunden offenzulegen. "Man lässt praktisch dieses Raubrittertum laufen", sagte er.

Das Mitglied der globalisierungskritischen Organisation Attac kritisierte, Steuerfahndungen und Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität seien "massiv unterausgestattet". Spektakuläre Fälle von Steuerhinterziehung würden vor allem von der Staatsanwaltschaft Bochum aufgedeckt.

Nach Ansicht Giegolds steckt dahinter zum Teil politisches Kalkül. "Gerade in Hessen sieht man, dass das richtig ein Standortfaktor ist, diese Staatsanwaltschaften schwach auszustatten", sagte er. "Wenn man praktisch Investoren oder Vermögenden sagen kann, bei uns wird nicht so genau hingeschaut, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ihren Wohnsitz in dem jeweiligen Bundesland errichten, höher", so Giegold.

Am 18-02-2008

Schwarz-gelb noch mit einem Prozent vorn

Die Union befindet sich in der Wählergunst offenbar im Abwind. Dem neuen ARD-Deutschlandtrend zufolge könnten CDU und CSU nur mit einem Ergebnis von 33 Prozent rechnen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Das ist ein Prozentpunkt weniger als vor zwei Wochen. Dagegen verbesserte sich die SPD von 25 auf 26 Prozent. Die FDP blieb stabil bei 16 Prozent. Keine Veränderungen gab es auch bei der Linken und den Grünen, die beide auf 11 Prozent kommen. Damit ergibt sich rechnerisch nur noch ein äußerst knapper Vorsprung von Union und FDP von 49 zu 48 Prozent vor SPD, Grünen und Linkspartei.

Infratest dimap hatte den Angaben vom Donnerstag zufolge im Auftrag des ARD-"Morgenmagazins" am 17. und 18. Februar 1000 Bundesbürger befragt.

Am 20-02-2009