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Debatte über heimliche Online-Durchsuchungen

Nach BGH-Verbot

Nach dem vom Bundesgerichtshof (BGH) verhängten Verbot heimlicher Online-Durchsuchungen von Computern dringen Sicherheitsexperten auf eine rasche Rechtsgrundlage für den Einsatz dieser verdeckten Überprüfungen. Eine neue Rechtsgrundlage strebt auch Bayern an. Führende SPD-Politiker mahnten am Dienstag allerdings zur Sorgfalt. Links-Fraktionsvize Petra Pau und der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar lehnten verdeckte Online-Durchsuchungen entschieden ab.

Der BGH hatte am Montag heimliche Online-Durchsuchungen als unzulässig eingestuft, weil es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage fehle und es sich hierbei um einen erheblichen Grundrechtseingriff handelte.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich daraufhin dafür aus, schnell eine entsprechende rechtliche Grundlage zu schaffen. Jetzt sagte CSU-Chef Edmund Stoiber, Polizei und Staatsanwaltschaft benötigten "Zugriffsmöglichkeiten, um Cyber-Kriminalität erfolgreich aufklären und eindämmen zu können." Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) ergänzte, mit dem Internet sei "ein ganz neues Tatwerkzeug entstanden", das nahezu alle Kriminalitätsfelder von Betrügereien bis zur Verbreitung von Kinderpornographie umfasse. Auch Terroristen nutzten zunehmend die modernen Kommunikationstechniken.

Freiberg: Wir sind darauf angewiesen, "Computer auszuforschen"

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, bezeichnete die Online-Durchsuchung als "unerlässlich für die Strafverfolgung". Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wertete heimliche Online-Durchsuchungen als "moderne Form der Kriminalitätsbekämpfung". Dies werde gebraucht, "um wirklich die Schwerstkriminalität effektiv bekämpfen zu können und die Menschen zu schützen", sagte GdP-Chef Konrad Freiberg.

Zur Bekämpfung beispielsweise von Terrorismus oder von Kinderpornografie sei man darauf angewiesen, Computer auszuforschen, unterstrich Freiberg. Dabei sei eine heimliche Durchsuchung notwendig, "um den Täter nicht aufmerksam zu machen". Dies müsse natürlich unter strengen rechtsstaatlichen Kriterien wie etwa bei der Telefonüberwachung erfolgen.

Weisser Ring: Immer neue Bedenkenträger

Die Kriminalorganisation Weisser Ring kritisierte nach dem höchstrichterlichen Verbot heimlicher Online-Durchsuchungen von Computern durch die Polizei "immer neue Bedenkenträger" gegen eine konsequente Nutzung moderner Technologie bei der Verbrechensbekämpfung. "Wenn ein moderner Rechtsstaat wehrhaft gegen kriminelle Machenschaften vorgehen will, dann muss endlich Schluss sein mit diesem Wenn und Aber", sagte der Sprecher der Organisation, Helmut Rüster der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Gesetzeslücken müssten unverzüglich geschlossen werden, damit die Sicherheitsorgane Kriminellen nicht ständig hinterherliefen. "Wir reden hier nicht im luftleeren Raum. Die Opfer haben Anspruch auf Aufklärung mit allen zur Verfügung stehenden Methoden", sagte Rüster.

Zypries: Eingriff in die Privatsphäre

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nannte indes Online-Durchsuchungen "unter verfassungsmäßigem Blickwinkel ausgesprochen schwierig", weil dabei in erheblichem Maß in die Privatsphäre Betroffener eingegriffen werde.

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) verwies darauf, dass die Polizei bereits über viele Möglichkeiten verfüge, Straftaten wie etwa Kinderpornografie im Internet zu verfolgen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, heimliche Online-Durchsuchungen müssten die Ausnahme bleiben. "Der private Lebensbereich muss ein absolutes Tabu sein."

Leutheusser-Schnarrenberger: Ermächtigungsgrundlage fast nicht möglich

Die FDP-Parlamentarierin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bewertete es als "fast nicht möglich", für Online-Durchsuchungen "im Gesetz eine Ermächtigungsgrundlage zu schaffen". Der staatliche Zugriff auf den PC sei ein tieferer Einschnitt in die Privatsphäre als der so genannte große Lauschangriff.

Pau sagte, die Kernfrage sei nicht, mit welchem Gesetz man geheime Online-Überwachungen legalisieren könne. Viel entscheidender sei: "Geheime Online-Überwachungen würden die Grundlagen der Demokratie sprengen."

Volkszählungsurteil - Wer nicht souverän ist, kann kein Souverän sein

Die Abgeordnete verwies auf das "Volkszählungsurteil" von 1983. Darin habe das Bundesverfassungsgericht sinngemäß begründet: "Bürgerinnen und Bürger, die nicht wissen bzw. nicht wissen können, was andere über sie wissen, sind nicht souverän. Wer nicht souverän ist, kann kein Souverän sein. Eine Demokratie ohne Souverän aber ist keine Demokratie."

Es geht nach Auffassung von Pau in der aktuellen Debatte daher nicht um Computer. "Es geht ums Grundgesetz. Es geht ans Eingemachte. Das ist die Dimension."

Schaar verwies darauf, dass ein heimlich auf einen Computer geschleuster "Staats-Trojaner" nicht zwischen "vorbereitenden Dokumenten für Straftaten" und beispielsweise privaten Tagebüchern unterscheiden könne. "Ein solches Programm würde im Prinzip diese Daten unterschiedslos an Ermittlungsbehörden senden", warnte Schaar. Dies hielte er "für völlig unverhältnismäßig".