SPD-Chef Beck spielt Opposition in Koalition
Die große Koalition stellt für die Profilierung von Union und SPD bei den bevorstehenden Wahlen ein erhebliches Problem dar. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck gab sich jetzt gegenüber der "Bild am Sonntag" regierungskritisch. Er halte die Klimaschutzergebnisse von Heiligendamm für unzureichend. Es sei zwar "ein gutes Signal", dass sich die G8-Staaten beim Klimaschutz auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten, sagte Beck der "Bild am Sonntag". "Doch was mir fehlt, ist Substanz. Da ist noch viel nachzuarbeiten." Beck beklagte sich - gegenüber der Öffentlichkeit - auch über die fehlenden Regelungen zu Lasten der Hedge-Fonds. Den schwarzen Peter hierfür schob er vor allem den Briten und Amerikanern zu und kritisierte auch ein wenig die Bundeskanzlerin. Die SPD gab unterdessen bekannt, dass sie das Thema Mindestlöhne in den Mittelpunkt der Wahlkämpfe in Niedersachsen, Hessen und Hamburg rücken möchte.
Polizei soll vermummte Zivilbeamte als Provokateure eingesetzt haben
Während sich die G8-Teilnehmer in Heiligendamm hinter verschlossenen Türen treffen, tobt draußen vor dem Sperrzaun ein verbissener Kampf. Sicherheitsbehörden und Demonstranten liefern sich nicht nur ein Katz-und-Maus-Spiel, sondern ringen sodann auch um die Deutungshoheit über das Geschehen bei den Protesten. Geht die Polizei zu brutal vor oder setzt sie gar Agents Provocateurs ein? Stand ein Sabotageakt unmittelbar bevor? Werden Zahlen von Verletzten manipuliert? Schwaden von Behauptungen und Gerüchten umziehen den Gipfel. Die Wahrheit ist nicht klar auszumachen. Manchmal allerdings scheinen Details eine deutliche Sprache zu sprechen. Der Anwaltliche Notdienst wirft der Polizei vor, Zivilbeamte als Provokateure eingesetzt haben.
EU-Defizitverfahren gegen Deutschland eingestellt
Auf Druck von Deutschland hatte die EU einst ein Defizitverfahren eingeführt, nicht ahnend, einmal selbst jahrelang diesem Verfahren ausgesetzt zu sein. Wegen der geringeren Neu-Verschuldung Deutschlands beendete die Kommission jetzt das Verfahren. Es war aufgrund eines übermäßigen Defizits im Januar 2003 eingeleitet worden, nachdem Deutschland für 2002 ein Haushaltsdefizit von 3,7 Prozent gemeldet hatte. Nach den so genannten Maastricht-Kriterien darf das Defizit die Marke von 3,0 Prozent des BIP nicht überschreiten.
Polizei hat Opferzahl weit übertrieben
Die Zahl der schwer verletzten Polizisten bei den Anti-G8-Protesten von Rostock am Wochenende ist von der Polizei weit überhöht dargestellt worden. Von den über 40 als schwer verletzt gemeldeten Beamten seien lediglich zwei stationär behandelt worden, sagte ein Sprecher des polizeilichen Planungsstabs "Kavala" am 6. Juni. Die Linksabgeordnete Ulla Jelpke kritisierte die "Übertreibungen" der Polizei. Sie erinnerte daran, dass ein Polizeigerücht vor 40 Jahren dazu führte, dass ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte.
Demonstranten durchbrachen Polizeiblockaden und drangen zum Sicherheitszaun vor
Am 6. Juni ist es Tausenden Gipfel-Gegnern mit einem Trick gelungen, die Straße von Bad Doberan nach Heiligendamm kurz vor dem Sicherheitszaun zu blockieren. Sie waren quer durch den Wald gelaufen und hatten offenbar hinter sich Sperren aus Ästen errichtet, damit ihnen die Beamten nicht so schnell folgen konnten. Zudem blockierten Gipfelgegner zwei Zufahrtsstraßen zum Tagungsort. Auch die Autobahn 19 ist nach Angaben der Polizei bei Rostock-Laage besetzt worden. Das Tagungsgelände war damit auf dem Landweg nicht mehr zu erreichen. Nach Polizeiangaben beteiligten sich etwa 9000 Menschen an den Aktionen rund um den Sicherheitszaun. Die Linksfraktion protestierte unterdessen gegen "Polizeigewalt" in Heiligendamm. Die Polizei soll Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen Demonstranten eingesetzt haben.
Polizei kündigt niedrige Eingriffsschwelle bei Gewalt an
Kurz vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm hat die Polizei eine niedriger Eingriffsschwelle angekündigt. Zwar halte man an der Deeskalation fest. "Aber es ist natürlich klar, dass wir eine niedrige Eintrittsschwelle haben, wenn es um Gewaltstraftaten geht", sagte der Polizeisprecher Axel Falkenberg vom Planungsstab "Kavala" am 5. Juni im ZDF-"Morgenmagazin". "Die entsprechenden Techniken sind sofort da", Maßnahmen würden "sofort" ergriffen. Gipfelgegner kündigten unterdessen an, im Rahmen einer geplanten Blockade auf mögliche "Polizeigewalt" nicht mit "Gegengewalt" zu reagieren. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kündigte einen möglichen Einsatz von Schusswaffen an. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am 5. Juni die Beschränkung von zwei Demonstrationen auf lediglich 50 beziehungsweise 15 Teilnehmer.
Polizei testet zum G8-Gipfel eigenen Info-Kanal
Das Projekt erinnert ein wenig an Radiosender des US-Militärs, mit denen die eigenen Soldaten im Krieg mit Musik, Infotainment und Durchhalteparolen bei Laune gehalten werden sollen. Mit einem eigenen Radio-Info-Kanal testet die Polizei während des G8-Gipfels im Großraum Rostock erstmals in Deutschland die regelmäßige Ausstrahlung von "Informationen" über Großveranstaltungen für ihre Beamten. Der "Radiosender für Einsatzkräfte" werde seit einer Woche vom Planungsstab "Kavala" betrieben und stoße bei den rund 16.000 Polizeikräften auf eine überwiegend positive Resonanz, sagte ein Polizeisprecher am 5. Juni in Rostock.
Gewalt am Rande der Großdemonstration vor G8-Gipfel
Wenige Tage vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm ist es am Wochenende zu schweren Ausschreitungen zwischen militanten Globalisierungskritikern und der Polizei gekommen. Bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande der internationalen Großdemonstration von G8-Gegnern am 2. Juni in Rostock wurden viele Menschen verletzt. Auf Seiten der Demonstranten wurden laut Demonstrationsleitung mindestens 520 Personen verletzt, darunter 20 schwer. Polizeiangaben zufolge wurden 433 Einsatzkräfte verletzt, 30 davon schwer.
Polizei stellt wegen G8-Gipfel Kinderfahrräder sicher
Die Polizei möchte offenbar die Mobilität von Gegnern des G8-Gipfels erschweren. So beschwerten sich Gipfelkritiker am Freitag über die Beschlagnahmung ihrer Fahrräder. Auf dem Weg in die Camps seien Fahrzeuge durchsucht und vor allem ältere Räder eingezogen, da sie nicht eindeutig ihren Besitzern zugeordnet werden konnten. Die Polizei habe die Aktion mit dem "begründeten Verdacht, dass bundesweit gestohlene Fahrräder nach Heiligendamm verbracht werden sollen", erklärt. Selbst Kinderfahrräder seien konfisziert worden, sagte eine Sprecherin der Camp AG.
Globalisierungsgegner besetzen Teile des "Bombodroms"
Einige hundert Globalisierungsgegner haben am 1. Juni in der Kyritz-Ruppiner Heide gegen den "Bombodrom" genannten geplanten Bombenabwurfplatz demonstriert und einen Teil des Areals für besetzt erklärt. Am Nachmittag zogen mehrere hundert Demonstranten in das von der Bundeswehr gesperrte Gelände an der Landesgrenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Ulrike Laubenthal von der veranstaltenden Organisation "No War - No G8" sagte: "Wir bleiben heute Nacht hier". Die Proteste richteten sich gegen eine "Militarisierung der Innen- und Außenpolitik" sowie gegen die Politik der G8, deren Staats- und Regierungschefs sich in der kommenden Woche in Heiligendamm treffen. Der Inspekteur der Luftwaffe, Klaus Peter Stieglitz, hatte unlängst deutlich gemacht, dass der Bombenabwurfplatz der Bundeswehr als Übungsgelände für Auslandseinsätze dienen soll.
Diskussion über zivil-militärische Zusammenarbeit
Die Bundeswehr und die von der Gattin des deutschen Innenministers, Ingeborg Schäuble, geleitete Welthungerhilfe arbeiten im Rahmen der "zivil-militärische Zusammenarbeit" in mehreren, von westlichen Truppen besetzten Ländern eng zusammen. Das Hauptproblem für die Welthungerhilfe besteht offenbar inzwischen darin, dass sich ihre "Entwicklungshelfer" durch die Zusammenarbeit mit westlichen Militärs zunehmend Gefahren ausgesetzt sehen. Zudem sprach die Organisation der Bundeswehr gewisse Kompetenzen ab. So setzt sich der Deutsche Bundeswehrverband gegen die Kritik der Welthungerhilfe zur Wehr, deutschen Soldaten fehle es an entwicklungspolitischem Sachverstand. Die Welthungerhilfe forderte von den "Interventionsstaaten" in bewaffneten Konflikten wie Afghanistan zudem, sie sollten Hilfsorganisationen nicht "instrumentalisieren".
Heiligendamm für G8-Gipfel abgesperrt
Der Sicherheitszaun um Heiligendamm ist geschlossen. Eine Woche vor Beginn des G8-Gipfels sperrte die Polizei am Morgen des 30. Mai die Durchgangsstellen an Straßen und Wegen rund um das Seebad. Heiligendamm sei damit für Besucher und für den Durchgangsverkehr abgeriegelt, sagte eine Polizeisprecherin. Der Sicherheitsbereich ist den Teilnehmern des Weltwirtschaftsgipfels vorbehalten, die ab dem Wochenende im Kempinski Grand Hotel erwartet werden. Dafür reisten nach Pfingsten die letzten regulären Hotelgäste ab.
G8-Außenminister diskutieren über die Zukunft anderer Länder
Die G8-Außenminister waren am Mittwoch in Potsdam zusammengekommen, um die außen- und sicherheitspolitischen Abschlusserklärungen für den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm in einer Woche vorzubereiten. Im Mittelpunkt standen dabei das iranische Atomprogramm, die vom Westen gewünschte Abspaltung des Kosovo von Serbien, der Konflikt im Sudan, wo der Westen eine Zusammenlegung der Einsätze von UNO und Afrikanischer Union wünscht, sowie die Lage im Nahen Osten. Am Abend berät dazu auch das Nahost-Quartett in Berlin. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) dringt auf eine UN-Resolution zum Kosovo, offenbar mit dem Ziel, die serbische Provinz gegen den erklärten Willen Serbiens von diesem Land abzuspalten. Es könnte zu einem neuen Krieg auf dem Balkan kommen.
Stasivorwürfe nach Briefkontrollen des Staatsschutzes
Die Hamburger Polizei gerät nach der systematischen Kontrolle von Briefsendungen von G8-Gegnern ins Kreuzfeuer der Kritik. Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch bestätigte am 25. Mai, dass der Staatsschutz des Landeskriminalamtes in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit der Fahndung nach Gegnern des Gipfels in Heiligendamm auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses Postsendungen beschlagnahmt hatte. Die für den Postdienst zuständigen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di verglich das Vorgehen mit den Methoden der früheren DDR-Staatssicherheit. Jantosch bezeichnete dies als "starken Tobak". Ein Sprecher der Deutschen Post AG sagte, Staatschutzbeamte hätten in dieser Woche drei Tage lang im Briefzentrum Mitte im Stadtteil Altona Postsendungen durchsucht.
Schnüffel-Attacke auf G8-Gegner
Wie jetzt bekannt wurde, hatte die Bundesanwaltschaft die Polizei vor zwei Wochen bei den bundesweiten Razzien gegen Globalisierungsgegner im Vorfeld des G8-Gipfels im Juni in Heiligendamm in mehreren Fällen mit der Entnahme von Körpergeruchsproben beauftragt. Dies hat breite Empörung ausgelöst. "Eine solche Praxis erinnert mich an Stasi-Methoden", sagte Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die Generalbundesanwaltschaft verteidigten das Vorgehen der Polizei. Amnesty international beklagte eine "Politik der Angst" und forderte die Bundesregierung zur Wahrung der Demonstrationsfreiheit auf.
Brandanschlag auf Auto von "Bild"-Chefredakteur Diekmann
Als "Celler Loch" wurde ein Loch bekannt, das am 25. Juli 1978 in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt worden war. Inzwischen ist offenbar unstrittig, dass der Anschlag von der niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz fingiert worden war. Der Anschlag wurde der Öffentlichkeit damals als Befreiungsversuch der Terrororganisation RAF präsentiert. 1986 wurde schließlich bekannt, dass nicht die linksradikale Terroristenszene für den Anschlag verantwortlich war, sondern der Verfassungsschutz und die "Anti-Terrorgruppe" GSG9. Der Fall von vor Jahren zeigt, wie schwer es für die Öffentlichkeit ist, gesicherte Informationen über die Urheber eines Anschlags zu erhalten. Derzeit häufen sich Berichte über Brandanschläge, die mit dem Protest gegen den G8-Gipfel in Verbindung gebracht werden. In der Nacht zum Dienstag soll auf das Auto von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann ein Brandanschlag verübt worden. Wie eine Polizeisprecherin mitteilte, hätten Unbekannte die Limousine in der Nacht zum Dienstag im Hamburger Stadtteil Harvestehude in Brand gesetzt. "Ein politischer Hintergrund ist wahrscheinlich", sagte die Sprecherin. Der Staatsschutz ermittele. Ein Bekennerschreiben gebe es bislang nicht.
Bundeswehr soll auch nach tödlichem Anschlag in Afghanistan bleiben
Die deutsche Bundesregierung lehnt trotz des Todes tödlichen Anschlags auf deutsche Soldaten in Kundus einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan ab. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am 20. Mai, es dürfe "keinen aktuellen Rückzug geben", auch wenn er "bestürzt" über den "grausamen Anschlag" sei. Zwar sei es richtig, immer wieder über Auslandseinsätze der Bundeswehr selbstkritisch zu diskutieren. Deutschland sei jedoch auch in der Vergangenheit nicht ohne Prüfung in solche Einsätze gegangen. Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine warf der Bundeswehr hingegen vor, sie sei in Afghanistan "mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt". Terror sei durch die rechtswidrige Anwendung von Gewalt definiert. In Afghanistan hätten die USA und ihre Verbündeten die Genfer Konvention verletzt.
Merkel betont EU-Interesse an strategischer Partnerschaft mit Moskau
Einen Tag vor Beginn des EU-Russland-Gipfels in der Wolgastadt Samara hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Interesse der Europäischen Union an einem partnerschaftlichen Verhältnis zu Moskau unterstrichen. Im Bundeskabinett betonte Merkel am Mittwoch nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg, dass auf dem Treffen deutlich werden solle, dass die EU gegenüber Moskau geschlossen auftrete und zugleich ein "nachdrückliches Interesse an einer strategischen Partnerschaft mit Russland" habe.
G8-Gegner werfen der Polizei Gewaltbereitschaft vor
Nach der Großrazzia am 9. Mai gegen "militante Gipfelgegner" sind alle 21 so genannten "Terrorverdächtigen" nach wie vor auf freiem Fuß. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sei es weder zu vorläufigen Festnahmen gekommen noch habe die Bundesanwaltschaft Haftbefehle beantragt. Dennoch warnen Polizei und Sicherheitsbehörden immer wieder vor militanten Gegnern des G-8-Treffens im Juni und deren Gewaltbereitschaft. Die Gipfelgegner drehen nun den Spies herum und werfen der Polizei "Gewaltbereitschaft" vor. Die Berliner Gipfelsoli Infogruppe kritisiert insbesondere einen "gewaltbereiten Einsatzleiter". Dieser sei von früheren Einsätzen gegen Demonstranten als gewaltbereit bekannt, behaupten die Gipfelkritiker.
Vorläufiges amtliches Endergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl
Bremen hat gewählt. Die Wahlbeteiligung war mit 57,6 Prozent so niedrig wie nie zuvor (2003: 60,0 Prozent). Nach dem am 13. Mai vom Landeswahlleiter abends veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die SPD auf 36,8 Prozent der abgegebenen Stimmen (-5,5 Prozent), die CDU kam auf 25,7 Prozent (-4,1 Prozent), die Grünen auf 16,4 Prozent (+3,6 Prozent), Die Linke auf 8,4 Prozent (+6,7 Prozent), die FDP auf 6,0 Prozent (+1,8 Prozent) und die DVU auf 2,8 Prozent (+0,5 Prozent).