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Verdienst der Zukunft - Bedingungsloses Grundeinkommen | BGE Geld für Faule?

Bedingungsloses Grundeinkommen - dieses wort erhitzt. Soll Geld für Faule gezahlt werden? Das Einkommen muß gerechter verteilt werdenDie Idee des bedingungslosen Grundeinkommens findet immer mehr Befürworter. Und diese müssen sich immer wieder mit Vorurteilen statt mit Gegenargumenten auseinandersetzen. Dabei ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens ncht neu. Schon in Utopia, einem 1516 von Thomas Morus verfassten Roman, wird es beschrieben. Und so gilt auch noch die Vorstellung, jedem Menschen etwas zu geben, wofür keine Gegenleistung verlangt werden kann, als utopisch. Doch Utopie bedeutet nichts anderes, als das etwas nicht ist, was dennoch sein könnte. Dies bedeutet aber zudem, dass die Idee eines BGE in die öffentliche und politische Diskussion geführt werden muss. So, wie es schon immer gemacht wurde. Sei es bei Mondflügen, Naturschutz oder Emanzipation.

BGE Das Grundeinkommen muß eingeführt werden

Die häufigsten Vorurteile sind:

  • Der Mensch ist im Grunde seines Herzens faul
  • Wenn jeder Geld bekommt, will niemand mehr unangenehme Arbeiten verrichten
  • Das BGE ist unbezahlbar
  • Jedem den gleichen Betrag zu geben, ist eine Gleichmacherei
  • Dann bekommen ja auch Reiche ein BGE
  • Die Gewerkschaften werden unterwandert
  • Die Steuern und die Mieten steigen ins Unermessliche
  • Niemand kann die externen Effekte voraussehen
  • Durch das BGE verliert der Mensch soziale Kontakte
  • Die Reichen werden das Land verlassen

Wir möchten im Folgenden auf diese Vorurteile eingehen, um die Diskussion zu versachlichen.

Der Mensch ist im Grunde seines Herzens faul

Zuerst einmal: Wie sieht ein Leben ohne Arbeit aus? Kann man sich vorstellen, irgendwann um die Mittagszeit aufzustehen und dann nichts zu tun? Tag für Tag nur den Fernseher einzuschalten oder sich nur auf eine Fensterbank zu stützen und den Verkehr unter dem Fenster zu beobachten?

Der Mensch hat das Grundbedürfnis, kreativ und produktiv zu sein, aber dabei den Zweck seiner Arbeit selbst bestimmen zu wollen. Der Mensch hat hingegen kein Grundbedürfnis effektiv zu sein. Das unterscheidet Arbeit von Erwerbstätigkeit. Sicherlich kann heute jeder mit dem Beispiel eines Menschen seines Umfeldes aufwarten, der wirklich so gut wie nichts Produktives tut. Hier sollte aber nach der Demotivierung gesucht werden, bzw. nach der Motivierung zum Nichtstun. Sollte es Menschen geben, die wirklich von Grund auf faul sind, so sind sie es heute und morgen; in diesem oder jenem System. Lediglich eine Diktatur könnte sie zu einer Arbeit zwingen, die dann weniger produktiv denn effektiv ist.

Arbeit deren Zweck der Mensch selbst bestimmen kann ist ein Glücksbringer. Jeder kennt das, der z. B. ein handwerkliches Hobby hat, etwas mit eigenen Händen herstellt, sich kreativ betätigt oder auch schwierige mathematische Formeln zu lösen versucht. Der Mensch gerät in einen sogenannten „Flow“. Je mehr er sich in seine Arbeit vertieft, desto mehr „Induktionssprünge“ erlebt er. Wie ein Maler, der wie zufällig die Farbe gelb wählt, sich danach für blau entscheidet und dann wie unter einer Eingebung erkennt, dass nun rot folgen sollte. Jede Arbeit ist mit Lernerfolgen verbunden, mit Erfahrungen – mit Lebenserfahrung. Selbstbestimmte Arbeit in der der Mensch die Folgen seines Tuns erkennen und dessen Wirkung verfolgen kann, macht glücklich. Der Mensch muss nur vorab die Freiheit und somit die Möglichkeit haben, seine Talente zu erkennen. Dann ist er nicht nur als Individuum glücklich, sondern zudem soziologisch und ökonomisch ein „Macher“.

Interessant ist auch, dass gut 80% aller Befragten behaupten, auch dann arbeiten zu wollen, wenn sie ein BGE bekommen, aber die gleiche Anzahl von Menschen davon ausgeht, dass die anderen nicht mehr arbeiten wollten. Diese Antwort sagt nichts darüber aus, ob es sich hierbei um eine eigene Fehleinschätzung handelt oder eine falsche Einschätzung der Mitmenschen, sollte aber dazu anregen, noch einmal über diese Frage nachzudenken. Und noch eine Frage muss man sich stellen: Selbst wenn es "unverbesserlich Faule" geben sollte, dürfen dann die anderen, die wirklich etwas tun wollen, was ihren Talenten und ihren Interessen entspricht, in ihrem Engagement behindert werden?

Wenn jeder Geld bekommt, will niemand mehr unangenehme Arbeiten verrichten

Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der jeder den gleichen Betrag bekommt, der seine Grundbedürfnisse deckt. Zu diesen Grundbedürfnissen gehören als erstes Nahrung, ein eigenes Zuhause, Gesundheit und Unversehrtheit, soziale Kontakte und Kommunikation aber auch Selbstfindung, Kreativität und Produktivität. Der Mensch hat den Wunsch, nicht sang- und klanglos von der Welt zu verschwinden. Er möchte etwas hinterlassen. Werden diese Bedürfnisse gedeckt, bleiben noch Individualität, Weiterentwicklung, Unterhaltung und auch Luxus. Selbstverständlich ist da mit einem BGE nicht das Ende einer Fahnenstange erreicht. Jeder hat das Recht, sich etwas hinzu zu verdienen, sich etwas anzusparen, Eigentum zu erwerben und auch, etwas an seine Nachkommen zu vererben. Nun hat nicht jeder Mensch ein Talent, die Energie oder die Motivation einen Beruf zu ergreifen, der so gesucht oder spezialisiert ist, um einen gleichmäßig hohen Verdienst sicherzustellen. Wer sich dennoch etwas mehr Luxus im Leben leisten möchte, sich weiterbilden will oder ein kostspieliges Hobby hat, wird auch Arbeiten annehmen, die heute noch als unangenehm betrachtet werden, wie z. B. das Reinigen von Autobahntoiletten. Hier wäre ein weiterer Vorteil des BGE, dass auch diese Arbeit angenehmer gestaltet werden kann, da die Mitarbeiter weniger Furcht haben müssen, sich ihre Arbeit angenehmer zu gestalten, Kritik anzubringen und Eigeninitiative zu entwickeln. Die Angst vor Kündigungen, die nicht nur ein Verlust der Erwerbstätigkeit bedeutet, sondern auch in das heutige Hartz IV System führt, verhindert solche Verbesserungen und Eigeninitiativen. Nach Einführung des BGE wird auch die Risikobereitschaft erhöht. Einschließlich die Risikobereitschaft der Banken. Auch heute schon betätigen sich Menschen in Eigeninitiativen mit als unangenehm bezeichneten Aufgaben. Vor allem in ländlichen Gebieten werden Straßen gereinigt, Grünflächen von Unrat und Hundekot befreit oder auch Sammelstellen für Müll betrieben. Das heutige Hartz IV System versperrt den Blick auf das soziale und solidarische im Menschen. Und immer nur auf das in dem anderen Menschen.

Das BGE ist unbezahlbar

Sicherlich kostet das BGE viel Geld. Das darf aber genau so wenig abschrecken, wie Kosten für die Wiedervereinigung, für die Abwicklung der Kernkraftwerke oder für die solidarische Unterstützung anderer europäischer Staaten oder die Entwicklungshilfe.Und auch die Kosten für die Verwaltung von Erwerbslosen, das Arbeitslosen- und Hartz IV-Geld, die Rentenversicherung sowie deren Verwaltung, das Elterngeld u. a. Solidargelder haben viel Gewicht. Schon jede einzelne Summe kann einen die Hände über den Kopf zusammenschlagen lassen, wenn man keine doppelte Buchführung versucht.

Neben den Parametern der Grundeinkommenshöhe, des Steuertarifs ist die Höhe der heutigen Sozialausgaben mit maßgeblich für die Finanzierbarkeit. Jedoch ist es ohne Frage so, das auch bei einem gestaffelten Grundeinkommen – Kinder erhalten ein Drittel des BGE eines Erwachsenen, Jugendliche zwei Drittel – die Kosten höher sind, als heute. Zwar stellt sich hier auch die wichtige Frage, ob wir ethisch und moralisch nicht zu mehr Sparsamkeit ermuntert werden sollten, doch Fragen der Moral oder der Würde sollen in diesem Artikel nicht überstrapaziert werden.

Zum einen kann hier die Differenz zwischen heutigen Kosten und den Kosten des BGE durch ein gestaffeltes Steuersystem finanziert werden. Grundnahrungsmittel und Artikel für den täglichen Bedarf unterliegen dann der gleichen Mehrwertsteuer wie heute, Luxusartikel werden höher besteuert.

Hinzu kommt eine Umstrukturierung der Umsatzsteuer zu einer Konsumsteuer. Das bedeutet, dass nicht während der ganzen Produktions- und Transportkette von Punkt zu Punkt Steuern erhoben werden, sondern erst dann, wenn das Produkt an den Endverbraucher ausgehändigt wird. Die Produkte werden dann (mit Ausnahme der Luxusartikel) nicht oder nur gering teurer, aber die Steuern verbleiben beim Staat und werden nicht zum Ende des Jahres zu einem großen Teil von der gesamten Produktions- und Lieferkette wieder zurück gefordert.

Was als Luxusartikel gilt, kann statistisch errechnet werden. Produkte die in ihrer Produktgruppe einen Verbraucherpreis haben, der einen bestimmten Prozentsatz über dem Durchschnittspreis liegen, können dann zum Luxus gezählt werden. Die Annahme ist hier, dass ein Mensch, der sich z. B. Für ein Auto begeistert, das 200.000 € kostet, auch 240.000 € dafür zahlen wird. Selbstverständlich wird es viele Menschen geben, die dann lieber dieses Auto im Ausland kaufen werden, doch diese Anzahl wird nicht mehr als 50% betragen, wenn hier durch Service und Marketing entgegengewirkt wird.

Zusätzlich soll eine Reichensteuer eingeführt, die Erbschaftssteuer ab einem gewissen Betrag erhöht und eine Transaktionssteuer eingeführt werden. Dies alles kann zu einer befürchteten „Reichenflucht“ ins Ausland führen. Darauf wird in einem späteren Punkt eingegangen. Interessant zu dem Punkt Finanzierung sind dabei u. a. folgende Daten:

  • Der kommunale Finanzierungsanteil (KFA) an den SGB II-Gesamtverwaltungskosten wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) auf 12,6 Prozent festgesetzt. Legt man diesen, nicht von allen Kommunen anerkannten Finanzierungsteil zugrunde, ergeben sich Gesamtverwaltungskosten von knapp über 5,0 Milliarden Euro.
  • 2009 hat die Rentenversicherung Bundeszuschüsse in Höhe von rund 57,3 Milliarden Euro erhalten.
  • Man kann aber auch die Berechnungen der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Althaus-Modell anschauen: Resultat finanzierbar und günstiger als heutiges System.
  • Und man kann ein Zitat von Schäuble verwenden: „Unser Sozialsystem kostet 12500 Euro pro Jahr pro Bürger.“ Dazu abzügliche Steuerfreibeträge bei Einkommensteuer, MwSt. usw.

Wer selbst Berechnungen anstellen möchte, kann sich den BGE-Finanzierungsrechner der Piratenpartei anschauen.

Jedem den gleichen Betrag zu geben, ist Gleichmacherei

Noch niemals waren zwei Menschen, die einen völlig identischen Lohn erhalten, selbst völlig identisch. Jedoch werden sich Menschen, je mehr Not sie empfinden oder Gängelei erfahren, immer ähnlicher in ihrem Verhalten und in ihren Ansichten. Das BGE kann sich nur durch eine möglichst große Bewegungsfreiheit der Menschen, durch möglichst viele unterschiedliche Talente und unterschiedliches Engagement etablieren. Zudem ist das Grundeinkommen eine Kombination von Freiheit mit Sicherheit. Jeder kann dazu verdienen. Eine Gleichmacherei kann und darf nicht stattfinden. Das ist eine der Grundlagen des BGE.

Dann bekommen ja auch Reiche ein BGE

Ja. Auch Reiche sollen ein BGE erhalten. Jedoch zahlen Reiche auf ihre Einkünfte je mehr Steuern, desto höher ihr Verdienst oder ihre Erträge sind. Reiche Mitbürger sind betroffener von der Reichen- und Luxussteuer. Weiterhin bleibt die Frage, ob die Empfindung der sozialen Ungerechtigkeit gerechtfertigt ist, wenn das BGE einen Prozentsatz von vielleicht 1 bis 2 Prozent des Bruttoeinkommens eines Reichen Menschen ausmachen würde. Die Ungerechtigkeit läge hier nicht in dem BGE, sondern an anderer Stelle.. Weiterhin soll das BGE nicht verbieten, dass Mitbürger innerhalb dieses Systems zu Reichtum gelangen. Dies kann jedoch innerhalb eines BGE-Systems nicht mehr so leicht durch Ausbeutung, Lohndruck oder dem Ausnutzen geringfügiger Beschäftigung geschehen. Selbstverständlich gibt es hier Hemmnisse, die sich im traditionellen und durchaus berechtigten Klassenkampf gründen. Sinn des Klassenkampfes war es jedoch, sich selbst unnötig zu machen. Es sollte überdacht werden, ob mit dieser Tradition nicht dann gebrochen werden könnte, wenn jeder Mensch die Chance hat, in Sicherheit und Freiheit zu entscheiden, ob er sich dem Materialismus entzieht, oder nicht. Hier ist das BGE eher zukunftsorientiert, denn rückwärts gerichtet.

Die Gewerkschaften werden unterwandert

Gewerkschaften sind nicht allein für die Lohnentwicklung innerhalb des Landes zuständig. Sie müssen sich auch um Arbeitssicherheit, Arbeitszeiten, Gleichstellung und viele andere wichtige Aufgaben kümmern. Nach Einführung eines BGE kann es sein, dass die Gewerkschaften mehr gefordert sind, als heute. Sie müssen flexibler sein und weniger zentralistisch geführt. Auch ein Arbeiter innerhalb eines BGE-Systems muss seine Rechte gewahrt wissen und muss auf einen starken Partner zurückgreifen können. Auch innerhalb einer Gesellschaft, die das BGE eingeführt hat, kann und wird es Arbeitgeber geben, die die Sicherheit am Arbeitsplatz vernachlässigen, versuchen werden, Druckmittel einzusetzen und Verträge anders als erwartet auszulegen. Auch bei Zahlung eines BGE braucht der Arbeitnehmer Solidarität, da nicht jeder Mensch gleichermaßen befähigt ist, für seine Rechte einzutreten. Zudem hat auch ein Mensch, der durch ein BGE finanziell gesichert ist, das Recht in seinem Zuverdienst auf eine Gleichbehandlung.

Die Steuern und die Mieten steigen ins Unermessliche

Wie schon erwähnt, sollen eine Reichensteuer, und eine Transaktionssteuer eingeführt werden, sowie nach und nach eine Konsumsteuer. Diese bef inden sich nicht in einem rechtsfreien Raum. Hier gelten noch immer die gleichen demokratischen Strukturen und Prozesse. Ob es noch Sozialwohnungen bzw. etwas ähnliches geben wird wie bisher, ist eher fraglich. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen von vielleicht 1.500 € je Erwachsenem, oder bei einem „Familieneinkommen“ eines Paares mit zwei Kindern in Höhe von 5.000 € werden adäquate Wohnungen erschwinglicher sein, als heute. Dies kann dazu führen, dass heutige Sozialwohnungen umgebaut werden müssten und das mehr Einfamilienhäuser bzw. Eigentumswohnungen finanziert und gekauft werden würden. Hier kann die gesteigerte Nachfrage den Preis nach oben treiben, die Steuer aber regulierend eingreifen. Einem Mietwucher könnte jedoch wie bisher Einhalt geboten werden.

Niemand kann die externen Effekte voraussehen

Das wesentliche Merkmal externer Effekte ist, dass sie nicht vorhersehbar sind. Wären sie es, so wären es keine externen Effekte. Darüber zu sinnieren, was passieren könnte, wenn etwas aufgrund eines möglichen Geschehens passieren könnte, ist müßig.

Durch das BGE verliert der Mensch soziale Kontakte

Der Mensch ist ein soziales und kommunikatives Wesen. Wäre er es nicht, könnte die Natur vielleicht weniger zerstört sein, aber der Mensch führte ein Eremitendasein. Warum hier Erwerbstätigkeit und nicht Freiwilligkeit zu mehr Kontakten führen sollte, kann nicht bewiesen werden. Zur Zeit ist es jedoch für viele Menschen so, dass sie nur während ihrer Erwerbstätigkeit soziale Kontakte aufbauen und pflegen können. Schon immer gab es Nachbarschaften, Vereine und Orte an denen sich Menschen trafen. Heute gibt es immer mehr Bürgerengagement, Initiativen und Selbsthilfegruppen. Überall wird gearbeitet, sich versammelt, gemeinsam etwas geschaffen. Und selbstverständlich wird der Mensch auch nach Einführung eines BGE einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen. Vielleicht sogar eher mit Menschen, die seine Interessen teilen, da sie ihre Erwerbsarbeit nach diesen Interessen gewählt haben.

Die Reichen werden das Land verlassen

Auch jeder Reiche ist ein soziales Wesen – ein Mensch. Würden Menschen mit viel Geld immer dort hinziehen und dort auch ihre Steuern zahlen, gäbe es auch heute schon kaum mehr Reiche in diesem Land. Auch ein reicher Mensch hat seine Kontakte, seine Heimat, seine Familie. Wohlhabende Unternehmer können auch von einem BGE profitieren, wenn die Binnennachfrage steigt. Selbstverständlich gibt es auch „Superreiche“, die vielleicht in ein anderes Land ziehen, oder woanders ihre Steuern zahlen würden. Die meisten von denen machen es dann jetzt schon oder sind für die Solidaritätsgemeinschaft schlichtweg nicht wichtig. Oder ungefähr so wichtig, wie Paris Hilton für die amerikanische Solidargemeinschaft.

Niemand kann voraussagen, welche Veränderungen ein BGE mit der Zeit innerhalb der Gesellschaft nach sich zieht. In einer vorurteilsfreien Diskussion werden bestimmt noch viele Pro und Contra auftauchen. Nur diese vorurteilsfreie Diskussion muss erst einmal stattfinden.

Uwe Koch

Sozialhilfeempfänger im Visier

Die Grünen drängen vor dem Hintergrund der anhaltenden Konjunkturschwäche auf umfassende Arbeitsmarkt-Reformen. Mit einem Zwei-Milliarden-Mark-Programm etwa soll Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern die Rückkehr ins Berufsleben "erleichtert" werden, berichtete das Nachrichtenmagazin "Spiegel" am Samstag vorab. Danach soll der Empfänger bei Aufnahme einer niedrig entlohnten Teilzeitstelle Sozialabgaben erstattet bekommen.

Die Obergrenze für Rückzahlungen aus den Abgaben für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung solle bei rund 1.700 Mark liegen.

Zudem wollen die Grünen durchsetzen, dass Sozialhilfeempfänger bei Aufnahme eines Nebenjobs die Hälfte ihrer Einkünfte behalten dürfen. Derzeit müssen sie bis zu 90 Prozent abgeben. Das Programm soll nach Angaben von Arbeitsmarkt-Expertin Thea Dückert (Grüne) in das "Job-Aktiv-Gesetz" einfließen, das die Koalition im Herbst verabschieden will.

Eine einheitliche soziale Grundsicherung ist nach Einschätzung von Parteichef Fritz Kuhn erst in der nächsten Wahlperiode zu bewältigen.

Brandenburgs Sozialminister Alwin Ziel (SPD) warnte unterdessen vor einem Ideenwettstreit um die "härteste Keule" gegen Arbeitsverweigerer. "Die öffentliche Diskussion um Sozialhilfeempfänger, die eine Arbeit ablehnen, ist in eine Schieflage geraten", sagte Ziel in Potsdam. Hauptproblem sei nicht die angebliche "Hängemattenmentalität" der Sozialhilfeempfänger, sondern die zu geringe Zahl an Arbeitsplätzen, insbesondere in den neuen Ländern.

Am 25-08-2001

Massenarbeitslosigkeit

Die Vizechefin der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Margret Mönig-Raane, fordert angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit grundlegende Korrekturen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Gewerkschafterin erwartet von der Bundesregierung eine Lockerung des strikten Sparkurses, eine Korrektur der "verfehlten Steuerpolitik" und "wirkliche Zukunftsinvestitionen". Die ver.di-Vizechefin lehnte eine geplante Ausweitung der Subventionen im Niedriglohnbereich ab.

Nutznießer wären "nur Unternehmen, die Personalkosten über diesen Weg subventioniert bekämen". Die Modellprojekte in Rheinland-Pfalz und Brandenburg hätten die Erwartungen nicht erfüllt. Würden sie auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt, würden "mit riesigen Kosten" gerade mal 16.000 Arbeitsplätze herauskommen. "Das ist ein absurdes Verhältnis von Aufwand und Ergebnis", warnte Mönig-Raane.

Am 04-01-2002

Arbeitsmarkt

Eine flächendeckende Subventionierung von Niedrigeinkommen durch so genannte Kombilöhne stößt beim Deutschen Gewerkschaftsbund auf klare Ablehnung. Schon der Ansatz sei falsch, damit den Anreiz zur Aufnahme von Billig-Jobs erhöhen zu wollen, sagte DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer. Schließlich liege die Ursache der Arbeitslosigkeit nicht in mangelnden finanziellen Anreizen bei der Arbeitsaufnahme. Vielmehr sei die unzureichende Qualifikation der Arbeitsuchenden ein wesentlicher Grund der Arbeitslosigkeit.

Mit der Subventionierung von Billig-Jobs würden jedoch die Anreize für die unzureichende betriebliche Qualifizierung weiter schwinden, warnte die stellvertretende DGB-Vorsitzende. Generelle Kombilöhne seien zu teuer und beschäftigungspolitisch ineffizient. Auch sei es zweifelhaft, über staatliche Subventionen einen neuen Markt im Niedriglohnsektor zu schaffen. Vielmehr müsse die Förderung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern durch Lohnkostenzuschüsse weiter individuell geregelt werden. Nicht pauschale Förderungen führten zu sinnvollen Ergebnissen, sondern gezielte Einzelfallhilfen für die Betroffenen.

Am 08-01-2002

Geld verdienen

Die Arbeitgeber lehnen die von der Bundesregierung geplante Subventionierung von Niedriglöhnen nach wie vor ab. Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski lehnt das Mainzer Kombilohn-Modell ab, das im April bundesweit eingeführt werden soll. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sprach sich gegen Lohnsubventionen für Teilzeitbeschäftigte aus. Das Institut forderte eine weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes und mehr Flexibilität bei den Löhnen. Handwerkspräsident Dieter Philipp erneuerte seine Forderung nach einer Nullrunde bei Löhnen und Gehältern.

IW-Direktor Gerhard Fels sagte der "Berliner Zeitung", Beschäftigungsförderung nach dem von der Bundesregierung favorisierten Mainzer Modell kuriere nur an den Symptomen, löse aber die Probleme nicht. Wenn man die hohe Arbeitslosigkeit reduzieren wolle, müsse man an die Ursachen herangehen. Aber in Deutschland sei auch in den vergangenen drei Jahren keine Deregulierung des Arbeitsmarktes erfolgt, die Lohnnebenkosten seien nicht gesenkt worden und bei der Teilzeitarbeit und bei den befristeten Jobs seien die Verhältnisse schwieriger geworden. "Wir haben wenig Flexibilität bei den Löhnen, die an der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ausgerichtet werden könnten", kritisierte Fels.

Zur Begründung für seine Forderung nach einer Nullrunde sagte Philipp der "Neuen Osnabrücker Zeitung", das Handwerk erwarte in diesem Jahr bestenfalls ein Nullwachstum. Es gebe damit "weder Produktivitäts- noch sonstige Gewinne zusätzlich zu verteilen". Mit einer wirtschaftlichen Besserung rechneten die Handwerksbetriebe erst im dritten Quartal. Mit Blick auf die anstehende Runde im Bündnis für Arbeit kritisierte der Handwerkspräsident die Weigerung der Gewerkschaften, dort über die kommende Lohnrunde zu diskutieren. Ein tarifpolitischer Schlagabtausch sei zu wenig. Ohne Verständigung auf eine moderate Tarifpolitik gehe es nicht.

Angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche fordern die Präsidenten aller 15 europäischen Industrieverbände die Staats- und Regierungschefs der EU zum Handeln auf. Mit Verweis auf den Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates im März in Barcelona hätten die Industriechefs den spanischen Ministerpräsidenten und derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Jose Maria Aznar in einem offenen Brief aufgefordert, für messbare Schritte zur Stärkung der Wachstumskräfte und verbesserte Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu sorgen, berichtete die "Welt am Sonntag".

Am 13-01-2002

Kombilohn-Modell

Der Chef des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Werner Sinn, lehnt das von der Bundesregierung geplante Kombilohn-Modell als unzureichend ab. Das Modell setze zwar an der richtigen Stelle an, schreibt Sinn in einem Gastbeitrag für die "Financial Times Deutschland" vom Mittwoch. "Doch um einen funktionierenden Niedriglohnsektor in Deutschland zu schaffen, müssen Fehlanreize beseitigt werden", heißt es in dem Beitrag. Dazu seien umfassende Reformen nach US-Vorbild nötig.

Die Subventionierung der Arbeit, wie sie mit dem so genannten Mainzer Modell geplant sei, helfe das Problem zu lindern, schreibt Sinn weiter. Sie senke die Anspruchslöhne, zu denen die Betroffenen bereit seien, Arbeit aufzunehmen. "Wenngleich das Mainzer Modell vom Grundsatz her an der richtigen Stelle ansetzt, sind die von ihm ausgehenden Fehlanreize gravierend", kritisierte der ifo-Chef.

Zwar lohne es sich, die Förderschwelle durch Mehrarbeit oder eine Qualifizierung, die zu höheren Löhnen führe, zu überspringen, erklärte Sinn. Wenn man sich aber bereits im Förderbereich befinde, sei es kaum noch sinnvoll, weitere Anstrengungen zu unternehmen. "Für eine wirkliche Verbesserung der Arbeitslosenzahlen ist die Schaffung neuer Niedriglohntarife in den Lohnverhandlungen oder doch zumindest die Aufhebung der Gemeingültigkeit der Tarifvereinbarungen daher eine unerlässliche Voraussetzung", forderte Sinn.

Am 23-01-2002

Konjunkturanstoss

Die IG Metall hat die Bundesregierung zu einer Infrastruktur-Offensive aufgefordert. Durch öffentliche Investitionen in Höhe von rund 18 Milliarden Euro (35 Milliarden Mark) könnten nach einer Analyse der Gewerkschaft in den kommenden Jahren 500 000 neue Arbeitsplätze entstehen. Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, betonte am Mittwoch in Frankfurt am Main, die Gelder müssten vor allem in den Verkehrsbereich, in die Wasser- und Abwasserversorgung sowie den Umweltschutz fließen.

Ein großer Bedarf bestünde aber auch beim Ersatz und bei der Modernisierung der sozialen Infrastruktur wie der Renovierung von Schul- und Verwaltungsgebäuden, die Altenpflege und den Wohnungsbau. Mit öffentlichen Investitionen in Höhe von 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Infrastruktur könnten zehn Mal mehr Arbeitsplätze entstehen als mit Kombilöhnen im Niedriglohnsektor, sagte Peters.

Zur Finanzierung des Programms schlägt die IG Metall die Nutzung verschiedener Finanzquellen vor. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau könne zinsgünstige Kredite anbieten, die für etwa fünf Jahre von Zins und Tilgung befreit sind. Ebenso sollte die zinsgünstige Finanzierung für öffentliche und private Investitionen der Europäischen Investitionsbank mobilisiert werden. Bei geeigneten Objekten könnte zudem die öffentliche Hand mit privaten Unternehmen zusammen arbeiten.

Allein in den neuen Ländern bestehe ein Nachholbedarf an öffentlicher Infrastruktur von knapp 82 Milliarden Euro, betonte Peters. Pro Kopf gerechnet sei damit der Investitionsbedarf in die Infrastruktur des Ostens etwa doppelt so hoch wie im Westen. Gleichzeitig dürfe aber der hohe Bedarf an Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen in den westdeutschen Kommunen nicht übersehen werden. Der größte Teil der notwendigen Ausgaben seien Ersatzinvestitionen. Im Osten belaufe sich ihr Anteil auf 72, im Westen auf mindestens 60 Prozent.

Am 23-01-2002

Schwarzarbeit

Das Handwerk unterstützt ausdrücklich Bestrebungen zur Ausweitung der Mini-Jobs über die haushaltsnahen Dienstleistungen hinaus. Zugleich forderte er Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hanns-Eberhard Schleyer eine Gesamtregelung. Es sollte künftig nicht mehr in 325-, 420- oder 500-Euro-Jobs unterschieden werden. Er plädierte für eine Anhebung der Mini-Jobs auf 600 Euro.

Schleyer sagte am Donnerstag, er halte diesen Vorschlag für großartig und plädiere für die Ausdehnung dieser Jobvariante "auf alle Bereiche". Damit würden viele Menschen aus der Schwarzarbeit herausgeholt. Zudem gäbe es einen "gewissen Spielraum für die Betriebe und wir müssen nicht ständig nachjustieren". Dies wäre zudem ein "wirklicher Beitrag" im Niedriglohnsektor und ein Anreiz für illegal Beschäftigte, aus der Schwarzarbeit herauszukommen, sagte Schleyer. Die zuständige Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses hatte bereits über den von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vorgelegten Kompromiss beraten, die ursprünglich nur für haushaltsnahe Dienstleistungen geltenden Mini-Jobs auch auf Kellner, Verkäufer und Bürokräfte auszudehnen.

Am 12-12-2002

Steuer- und Arbeitsmarktreform

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac hat die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zu den Steuer- und Arbeitsmarktreformen als katastrophal bewertet. "Für eine Steuersenkung, von der vor allem die Reichen profitieren, opfert die Regierung wichtige Errungenschaften des Sozialstaats", kritisierte Sven Giegold vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. "Diese soziale Ungerechtigkeit einer rot-grünen Regierung ist unerträglich."

Besonders kritisch sieht Attac das Hartz IV-Gesetz, das vorsieht, die Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau abzusenken. Zudem hat die Union durchgesetzt, dass künftig jeder Job zu jedem Lohn angenommen werden muss; diese Regelung hatte die SPD- und Grünen-Linke zuvor strikt abgelehnt. "Die große Koalition treibt Arbeitslose in die Armut und weitet den Niedriglohnsektor erheblich aus", kommentierte Astrid Kraus vom Attac-Koordinierungskreis. "Diese Regelung bedeutet Arbeitszwang und 'working poor'."

Der jetzt beschlossene Kompromiss belegt nach Ansicht von Attac zudem die Unglaubwürdigkeit der Parteitagsbeschlüsse von SPD und Grünen. "Die schönen Versprechungen von mehr sozialer Ausgewogenheit erweisen sich als heiße Luft", sagte Sven Giegold. "Die neoliberale Allparteienkoalition verschärft ihren Kurs und kassiert weiterhin nur bei Alten, Armen, Kranken und Arbeitslosen."

Weil die Regierung die massiven Proteste gegen den Sozial-Kahlschlag ignoriere, werde der Widerstand weiter wachsen. So will Attac erneut mit einer E-Mail-Aktion bei Bundestagsabgeordneten gegen die Gesetze protestieren und sie zur Ablehnung des Gesetzespakets auffordern. Für das Frühjahr ist ein europaweiter Aktionstag geplant.

Am 16-12-2003

Arbeitslosenpfarrer warnt vor Niedriglöhnen

Der langjährige Arbeitslosenpfarrer der Evangelischen Kirche, Johannes Roscher, kritisiert die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose ab 2004. "Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist ein Kampf gegen die Arbeitslosen geworden", sagte Roscher. Die Hoffnung bis Ende der 90er Jahre, dass Arbeitsmarktpolitik vor allem öffentlich geförderte Arbeit und Wiedereingliederung meine, sei mit den nun beschlossenen Reformen endgültig zunichte gemacht. Niedriglöhne führten nur zu weiteren Entlassungen. Die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werde mehr als eine Million Menschen in Armut stürzen, aus der sie nie wieder herauskommen würden. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit sei Ostdeutschland dabei besonders betroffen.

Der 50-jährige war bis Mitte Dezember fünf Jahre lang Beauftragter für Fragen der Arbeitslosigkeit bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der als Leiter einer kirchlichen Erwerbsloseninitiative tätige Pfarrer glaubt nicht an die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Die damit verbundene Kaufkraftschwächung bekämen vielmehr auch Händler und Handwerker zu spüren und bauten somit ebenfalls Arbeitsplätze ab. In strukturschwachen Regionen wie dem Erzgebirge, wo schon für Stundenlöhne von drei bis vier Euro gearbeitet werde, seien die Löhne ohnehin kaum noch zu unterbieten.

Auch die vorgezogene Steuerreform bringe keine neuen Arbeitsplätze, weil die Nachfrage fehle. "Der Glaube von Politikern, dass durch Steuerersparnis Arbeitsplätze entstehen, ist jedoch noch größer als mein Glaube an Gott", drückte Roscher seine Unzufriedenheit aus.

Noch weiter verschärfen werde sich die Situation mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau ab 2005, vermutet der Seelsorger. Wer dann einmal in Sozialhilfe gedrängt werde, komme nie wieder heraus. Dies werde zu einer reichlichen Million mehr armer Menschen in Deutschland führen. Den Osten werde es besonders treffen, da dort die strukturelle Arbeitslosigkeit höher als in Westdeutschland sei.

Aus Roschers Sicht gab es bei der Diskussion des Reformpaketes zu wenig Gegenwehr von unten. "Der größte Teil der Menschen kommt offensichtlich noch zurecht", sagte der Pfarrer. Und diejenigen, denen es wirklich dreckig gehe, könnten sich nicht wehren. Enttäuschend sei auch, dass die SPD-Bundestagsabgeordneten im Wesentlichen zugestimmt hätten. Er habe von den Politikern mit dem Begriff "sozial" im Namen mehr Rücksicht auf die Schwachen erwartet.

Am 05-01-2004

Ostförderung

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Manfred Stolpe (SPD), provoziert mit seinem Vorstoß für Niedriglohnbereiche in den neuen Ländern Widerspruch bei den Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer riet Stolpe am Dienstag, sich für die zweckgebundene Verwendung von Fördergeldern und deren Kontrolle einzusetzen. Das bringe mehr als die Beteiligung an einer "ideologisch eingefärbten Niedriglohndebatte".

Stolpe plädierte mit Hinweis auf die EU-Erweiterung für eine staatliche Bezuschussung von Geringverdienern im Osten. Die EU-Erweiterung verstärke den Trend, gering entlohnte Jobs in Ostdeutschland mit Arbeitnehmern aus den östlichen Nachbarstaaten zu besetzen, argumentierte Stolpe. Dies sei nicht hinnehmbar. Beschäftigte im Niedriglohnbereich sollten daher stärker als bisher zur Sozialhilfe beziehungsweise zum künftigen Arbeitslosengeld II hinzuverdienen können. Putzhammer entgegnete, gezielte Lohnkostenzuschüsse zur Eingliederung von Älteren und Langzeitarbeitslosen gebe es im Osten längst.

Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Rüdiger Pohl, hieß die Idee Stolpes gut, will sie aber auf ganz Deutschland ausweiten. In Deutschland insgesamt seien in den vergangenen Jahrzehnten Niedriglohnjobs wegrationalisiert worden. Diese müssten wieder hergestellt werden, nicht nur in Ostdeutschland. Pohl lehnte auch eine eigene Sonderwirtschaftszone im den neuen Bundesländern ab. Eine Reduktion der Abgabenlast und Deregulierung am Arbeitsmarkt dürften nicht nur in Teilregionen Deutschlands erfolgen. "Wir werden den Osten nicht wirtschaftlich hoch bringen, wenn der Westen unten bleibt", unterstrich der Wissenschaftler.

Pohl wandte sich ferner gegen Darstellungen, der Osten ziehe den Westen nach unten. Man müsse auch sehen, dass westdeutsche Unternehmen in den neuen Ländern "reichlich absetzen" und dort auch Geld verdienen. Auch seien viele Ostdeutsche in den Westen abgewandert. "Das waren bewegliche, gut ausgebildete Leute", die jetzt der Wirtschaft im Westen zugute kämen.

Unterdessen verteidigte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt den Kurs Stolpes, die Ostförderung auf Wachstumskerne zu konzentrieren. Dies bedeute auch, dass es in anderen Regionen nur darum gehe, die Infrastruktur zu erhalten. Nachdem Straßen zum großen Teil gebaut und Telefonleitungen verlegt seien, gehe es dort um "weiche Infrastrukturfaktoren" wie die Verbesserung der Schulbildung und der Kinderbetreuung.

Göring-Eckardt forderte ferner eine Kontrolle der Verwendung der Fördergelder. Dem stimmte auch DGB-Vorstandsmitglied Putzhammer zu. Für die Verwendung der Gelder müsse es "eindeutige Nachweise" geben.

Die Grünen-Fraktionschefin nahm auch Minister Stolpe gegen Angriffe in Schutz. Stolpe habe als einer der wenigen Ostpolitiker offen gesagt, dass sich der Kurs ändern müsse. Diese Veränderungen trage die Koalition mit.

Am 13-04-2004

DGB uneins

In der Debatte über den Aufbau Ost mehren sich die Stimmen gegen staatliche Zuschüsse für Geringverdiener, Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsvertreter lehnten am Mittwoch den Vorschlag des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Manfred Stolpe (SPD), für geförderte Niedriglohnbereiche im Osten ab. DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer ließ dagegen Sympathie für den Vorstoß erkennen, nachdem DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer am Dienstag noch mit Ablehnung reagiert hatte.

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) plädierte zwar für eine "Tariföffnung nach unten" in bestimmten Branchen. "Aber vom Grundsatz her sollte man keinen subventionierten Lohn einführen", fügte er hinzu.

Auch BDI-Präsident Michael Rogowski sieht hinter den Vokabeln "Sonderwirtschaftszone" und "Niedriglohnsektor" nur "Scheindebatten". Die beste Aufbauhilfe für den Osten wäre, ganz Deutschland durch niedrigere Steuern und weniger Bürokratie wieder in Fahrt zu bringen, sagte der Industriepräsident.

Der "Wirtschaftsweise" Wolfgang Franz nannte Niedriglohnzuschüsse ebenfalls einen "falschen Weg". Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie betonte, Ostdeutschland sei schon jetzt ein Niedriglohngebiet, in dem teilweise "Löhne an der Schamgrenze" gezahlt würden. Stolpes Vorstoß würde zu "enormen Mitnahmeeffekten" und Milliardenkosten führen. Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) unterstrich, Niedriglöhne im Osten brächten nichts, weil die Löhne hier schon niedriger und die Arbeitszeiten länger als im Westen seien.

Stolpe relativierte unterdessen seinen Vorschlag. Es gebe auch Problemregionen im Westen, räumte der Minister ein. Als Beispiele nannte er das nördliche Ruhrgebiet und die Oberpfalz. Zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit schlug Stolpe staatliche Zuschüsse, Kombilöhne und Eingliederungszuschüsse vor.

DGB-Vize Engelen-Kefer sage, Stolpe habe Recht, wenn er Wege zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen suche. In diesem Zusammenhang müsse man auch über gezielte Lohnkostenzuschüsse und Eingliederungshilfen reden. Zwar bestehe die Gefahr von Lohndumping. "Aber wir dürfen Langzeitarbeitslosen nicht mit Prinzipienreiterei den Weg in die Arbeit verbauen", unterstrich die DGB-Vizechefin. Zur Bedingung für Zuschüsse machte sie eine Befristung und eine effizientere Wirtschaftsförderung im Osten.

Der Regierungsberater Edgar Most schlug vor, die Fördermittel für den Osten in einem zentralen Fonds zu konzentrieren und auf Grundlage eines "Gesamtplans" zu verteilen. "Das wäre eine Art neue Treuhandanstalt - aber nicht für Abwicklung, sondern für Entwicklung", sagte der Direktor der Deutschen Bank und frühere Vizechef der DDR-Staatsbank.

Am 14-04-2004

Osten bereits Niedriglohnzone

Forderungen nach niedrigeren Löhnen angesichts der EU-Osterweiterung hat der Vorsitzender der IG-Metall, Jürgen Peters, scharf kritisiert. Die IG-Metall sei dafür, die Arbeit auf viele Schultern zu verteilen, sagte Peters am Dienstag im Deutschlandradio Berlin. Aber viele Bereiche in Ostdeutschland seien schon jetzt "Niedriglohnzonen", warnte er. Dort würden Stundenlöhne von 4,50 Euro gezahlt. Da müsse man sich fragen, ob man davon noch leben könne.

Mit Blick auf die EU-Osterweiterung müsse man die Sorgen in Deutschland ernst nehmen, wenn etwa die Slowakei die Unternehmenssteuern senke und zugleich die Verbrauchssteuern enorm anhebe, um Arbeitsplätze aus dem Westen "abzusaugen", sagte Peters. Auch drohe Lohndumping und wachsende illegale Beschäftigung in Deutschland. Dagegen müssten Regeln geschaffen beziehungsweise die vorhandenen eingehalten werden. "Es muss darum gehen, dass die Mindeststandards, die hier gelten, auch eingehalten werden und nicht quasi in einer laschen Art, wie wir das heute auch schon kennen, Lohndumping und Sozialdumping billigend in Kauf genommen wird."

SPD-Chef Franz Müntefering hatte am Wochenende die Debatte mit der Bemerkung angeheizt, der Diskussion müsse man sich "gegebenenfalls" stellen. Es müsse auch eine Bereitschaft geben, schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter stellte am Montag Münteferings Äußerungen allerdings als Missverständnis dar. Der SPD-Chef lehne einen staatlich geförderten Niedriglohnsektor ab und wolle sich auch nicht zum Vorreiter der Debatte darüber machen.

Am 27-04-2004

Schlecht für Wettbewerbsfähigkeit

Während sich die Tariflöhne in vielen Branchen zwischen Ost- und Westdeutschland kaum noch unterscheiden, liegen die tatsächlich gezahlten Löhne in Ostdeutschland um fast 20 Prozent unter dem Niveau in Westdeutschland. Wichtige Ursachen dafür seien die geringere Tarifbindung in Ostdeutschland und die stärkere Bedeutung übertariflicher Entlohnung in Westdeutschland, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In Ostdeutschland sei das relative Gewicht gering entlohnender Unternehmen spürbar gestiegen, so das DIW in seinem aktuellen Wochenbericht. Die Spaltung in eine Hochlohnregion Westdeutschland und eine Niedriglohnregion Ostdeutschland habe zugenommen.

Die mit niedrigen Löhnen verbundenen Kostenvorteile mögen auf den ersten Blick für Ostdeutschland Vorteile im internationalen Standortwettbewerb schaffen. Längerfristig dürfte sich aber die Ausrichtung auf gering entlohnende Betriebsstrukturen als Problem erweisen, befürchten die Wissenschaftler. "Nur die Ausrichtung auf wertschöpfungsintensive Produktionen, die das qualitativ hochwertige Humankapital, die sich deutlich verbessernden Infrastrukturen und das sich langsam entwickelnde Innovationspotential nutzen, kann den Standort Ostdeutschland dauerhaft international wettbewerbsfähig machen", meint das DIW.

Am 27-10-2004

Für Niedriglohnsektor

Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, befürwortet eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung. Eine solche Maßnahme würde die Lohnkosten der Arbeitgeber weiter reduzieren. Der hannoverschen "Neuen Presse", sagte Blum, die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld sei verkürzt worden.

Zudem seien "die Lohnnebenkosten entscheidend, wenn es um die Schaffung neuer Jobs geht". So könnte ein Prozentpunkt weniger Lohnnebenkosten "langfristig" 100.000 reguläre Arbeitsplätze mehr bedeuten, meint Blum.

Blum warb zudem für "einen Niedriglohnsektor mit abgabenfreien Löhnen". So ließen sich neue Arbeitsplätze schaffen, sagte Blum.

Offiziellen Zahlen zufolge sind derzeit rund 5.000.000 Menschen in Deutschland arbeitslos. In der Vergangenheit haben auch hochprofitable Unternehmen Arbeitskräfte entlassen, um die Kosten weiter zu senken und die Gewinnmargen weiter zu steigern. Kritiker bezweifeln daher, dass eine Senkung der Lohnnebenkosten zu einem Aufbau von regulären Arbeitsplätzen in einem Umfang führen würde, mit der die Arbeitslosigkeit deutlich dezimiert werden könnte.

Am 02-02-2005

Entsendegesetz

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert von der Bundesregierung ein konsequentes Vorgehen gegen Sozialdumping und eine Verdrängung sozialversicherter Beschäftigter durch Billig-Kräfte. Unabhängig von der Debatte um die EU-Dienstleistungsrichtlinie solle die Regierung den Geltungsbereich des Entsendegesetzes ausdehnen, sagte DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer der "Berliner Zeitung".

"Bisher gilt das Entsendegesetz in Deutschland nur für die Bauwirtschaft und die baunahen Bereiche", erläuterte Engelen-Kefer. "Dort sind von den Tarifparteien Mindestlöhne vereinbart worden, die für deutsche Kräfte genau so zu gelten haben wie für ausländische, die im Auftrag ihrer ausländischen Firma auf deutschen Baustellen arbeiten." Die Gewerkschafterin betonte, dass das Entsenderecht mit einem Bundesgesetz erweitert werden könne. Die entsprechende EU-Richtlinie gestatte das ausdrücklich.

"Wir haben in Europa acht Länder, in denen die nationalen Entsendegesetze mit vereinbarten Mindestbedingungen für sämtliche Wirtschaftsbereiche gelten. Das sind Österreich, Belgien, Spanien, Luxemburg, Finnland, Griechenland, Portugal und Italien", sagte Engelen-Kefer. Das seien die meisten derjenigen Länder, mit denen Deutschland unmittelbar im Wettbewerb stehe.

In der deutschen Fleischwirtschaft hätten bereits 26.000 Arbeitnehmer ihre Arbeitsplätze verloren, weil sie durch Billigkräfte aus Mittel- und Osteuropa ersetzt worden seien.

Grundsätzlich seien die Tendenzen zur Entwicklung von Niedriglohnsektoren, zur Aufweichung der Tarifverträge sowie des Arbeits- und Sozialrechts unübersehbar. Schon heute beziehe hier zu Lande fast ein Viertel aller Vollzeitbeschäftigten so genannte prekäre Löhne, die lediglich 50 bis 75 Prozent des Durchschnittlohnes betragen. Zwölf Prozent verdienten sogar weniger als die Hälfte des Durchschnittslohns.

Am 23-03-2005

Lebensunterhalt nicht bestreiten

Nach Angaben des arbeits- und sozialpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, liegt "die Größe des Niedriglohnsektors" in Deutschland "schon heute" über dem EU-Durchschnitt. Schon heute gebe es in Deutschland "keinen Mangel an Bewerbern im Niedriglohnsektor". Von den Unternehmen werde hingegen die Bewerberflut beklagt. Als Antwort auf Forderungen zur Einführung von Kombilöhnen skizziert der SPD-Abgeordnete die Ergebnisse der Politik der vergangenen Jahre: "Schon heute ist einem Arbeitslosen bereits nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung zumutbar, aus der er ein Einkommen in Höhe seines Arbeitslosengeldes erzielt, sodass insbesondere auch jegliche Form von Teilzeitarbeit als zumutbar gilt. Schon heute nehmen viele Menschen gering bezahlte Arbeit an, mit der sie nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten können."

Da die Einkünfte aus Arbeit oft nicht reichten, erhielten über 650.000 Menschen ergänzend Arbeitslosengeld. Kombilöhne seien nicht erforderlich, da es schon heute eine Vielzahl von Instrumenten gäbe wie zum Beispiel "Hinzuverdienstmöglichkeiten" für ALG II-Bezieher und Kinderzuschläge. Mini-Jobs sind nach Auffassung von Brandner mit der teilweisen Befreiung von Steuern und Sozialversicherungen ein Instrument für "mehr Beschäftigung", allerdings nur "im Niedriglohnsektor".

Man bräuchte keine neuen Instrumente, so Brander, sondern könne die bestehenden "Programme zur Lohnergänzung" bündeln und zu einem "erfolgreichen Förderansatz" zusammenfassen. Es gehe nicht darum, Menschen "mit teuren Kombilöhnen in den Niedriglohnsektor abzuschieben", sondern sie "mit klugen Instrumenten" wie zum Beispiel besserer Qualifizierung "nachhaltig" in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Am 29-06-2006

"Abschieben in den Niedriglohnsektor"

Die Volkssolidarität begrüßt "jede Initiative zur Schaffung zusätzlicher versicherungspflichtiger Arbeitsplätze" auf dem ersten Arbeitsmarkt, "wenn sie den Betroffenen ermöglichen, die eigene Existenz unter menschenwürdigen Bedingungen zu sichern". Ein bloßes "Abschieben Älterer in den Niedriglohnsektor" hält der Sozialverband für nicht akzeptabel. Dies "mag zwar die Statistik verbessern, wäre aber als Hilfe für die Menschen unbefriedigend", sagte der Präsident der Volkssolidarität, Professor Gunnar Winkler, zu den von der Bundesregierung beabsichtigten Maßnahmen für mehr Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Bezogen auf die so genannte "Initiative 50 plus" betonte Winkler, es müsse "um mehr als nur Show-Effekte gehen, die lediglich das Vorhaben der Großen Koalition hoffähig machen sollen, das Rentenalter von 65 auf 67 anzuheben".

Angesichts von 1,1 Millionen offiziell als arbeitslos Registrierten über 50 Jahre bleibe die Bundesregierung mit ihrer Zielstellung weit hinter den Erfordernissen. Allein in Ostdeutschland liege das reale Beschäftigungsdefizit für die 50- bis 65-Jährigen bei 830.000 Stellen.

"Wir wollen, dass Kenntnisse und Fähigkeiten der Älteren sinnvoll für das Allgemeinwohl genutzt werden", so Winkler. Wenn dies auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht erreicht werde, plädiere auch er wie die Gewerkschaften, das Diakonischem Werk und "Arbeitsmarktexperten" für einen öffentlich finanzierten "zweiten Arbeitsmarkt". "Dabei geht es nicht um eine bloße Neuauflage von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) oder eine Ausweitung von Ein-Euro-Jobs, sondern um mehr versicherungspflichtige Beschäftigung."

Die Politik der Bundesregierung sei widersprüchlich. "Einerseits will man mit bekannten Instrumenten, die in der Vergangenheit wenig Wirkung zeigten, bis zu 100.000 Arbeitsplätze für Ältere schaffen. Andererseits übt man Druck auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) aus, Mittel einzusparen." Trotz Milliarden-Überschüssen der BA hätten ältere Langzeitarbeitslose dadurch kaum Chancen, von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu profitieren. Statt sie zu fördern, würden sie in vielen Fällen zu "Nicht-Betreuungskunden".

Bestenfalls kämen sie noch für sechs Monate in einen Ein-Euro-Job. "Dieser Kurs ist für uns nicht akzeptabel, schon gar nicht, um einen immer längeren Zeitraum bis zur Rente zu überbrücken", so Winkler.

Am 18-07-2006

Billigarbeit

Vor den für Herbst geplanten Gesprächen über eine Reform des Niedriglohnsektors hat sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) dafür ausgesprochen, die deutschen Arbeitgeber zur Zahlung einer unteren Lohngrenze "zu verpflichten". "Wir müssen im Zuge der Reform festlegen, welchen Anteil der Arbeitgeber mindestens zahlen muss", sagte Böhmer der "Berliner Zeitung". Böhmer bezog sich dabei auf die wachsende Zahl so genannter Aufstocker, die ihre geringen Löhne mit Hilfe des Arbeitslosengeldes II auf Fürsorgeniveau aufstocken.

"Es kann nicht sein, dass der Staat hier immer mehr zur Kasse gebeten wird", sagte Böhmer. "Wir müssen aus pragmatischen Gründen eine untere Grenze für die Beteiligung des Arbeitgebers einziehen." Das sei zwar nicht das, was die Sozialdemokraten unter einem Mindestlohn verstünden - faktisch wäre es aber einer.

Böhmer sagte, die Union stehe einem hohen Mindestlohn, wie ihn einzelne Gewerkschaften und Sozialdemokraten forderten, skeptisch gegenüber, weil er zu viel Arbeitsplätze kosten würde. Der CDU-Politiker zeigte sich allerdings offen für Modelle nach dem Vorbild Großbritanniens, wo der Mindestlohn anfangs sehr niedrig angesetzt und dann langsam erhöht wurde. Für ihn stehe fest, dass ein solcher Lohn nicht unterhalb des Arbeitslosengeldes II liegen dürfe, sagte Böhmer.

Am 28-07-2006